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Deutschland und der Korridor

 
Der Deutschtumskampf in Westpolen (Teil 1)
Hans Schadewaldt

Marschall Pilsudski
Das nationalsozialistische Deutschland versucht im Jahre 1933 eine Grundlage zur Verständigung über die gemeinsamen Fragen des deutschen und polnischen Volkes zu schaffen. Es findet in Marschall Pilsudski den polnischen Staatsmann, der die Einsicht für die politischen Notwendigkeiten besitzt. Am 26. Januar 1934 wird der deutsch-polnische Nichtangriffspakt für einen Zeitraum von zunächst zehn Jahren geschlossen.
Der polnische Staat verdankt seine Entstehung der Zertrümmerung des zaristischen Rußland durch die Siege der deutschen Armeen im Weltkrieg, der westdemokratischen Selbstbestimmungsrechtsparole des USA.-Präsidenten Wilson und der politischen Werbearbeit des im Polnischen Nationalausschuß 1917/18 in Paris wirkenden Kreises um Roman Dmowski und Paderewski. Er verdankt sie nicht zuletzt aber auch der konstruktiven Staatsmannschaft Josef Pilsudskis. Sein politischer Wirklichkeitssinn schuf Polen erst jene Machtstellung in Osteuropa, deren Wert und Sicherheit die Erben des großen Marschalls durch ihre expansiv-annexionistische Kampfeinstellung gegen das Deutsche Reich leichtfertig vertan, jedenfalls aber aufs schwerste gefährdet haben. Die polnischen Westmarken gehören zu jenem Staatsgebilde von Versailles' Gnaden, das auf Grund des Punktes 13 der Wilsonschen Friedensvorschläge geschaffen wurde, in dem es heißt, daß sich der unabhängige polnische Staat "über die Gebietsteile ausdehnen wird, die von unbestreitbar (indisputably) polnischen Bevölkerungsschichten bewohnt sind". In dem Wort "unbestreitbar" war der Grundsatz klar ausgesprochen, daß die polnische Westgrenze nur Gebiete mit einwandfrei polnischer Bevölkerung in sich schließen sollte. Wir wissen heute, daß Präsident Wilson zunächst nicht im entferntesten daran dachte, [224] Westpreußen (Weichselkorridor) und Oberschlesien zu Polen zu schlagen, und daß er den Polen zugesicherten "freien Zugang zum Meere" nur durch einen Freihafen in Danzig und die Internationalisierung der Weichsel, nicht aber durch Abtrennung deutschen Reichs- und Volksbodens schaffen wollte; denn das Korridorgebiet war ebenso wie Ostoberschlesien unbezweifelbar nicht "von unbestreitbar polnischen Bevölkerungsschichten" bewohnt! Die Tatsache, daß in den zwanzig Jahren polnischer Herrschaft über die Westgebiete gegen 1,5 Millionen Deutsche teils durch Abwanderung, teils durch Aussiedlung oder Ausweisung infolge der planmäßigen
Das Landstraßennetz
in Polen
Das Landstraßennetz in Polen
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polnischen Vergewaltigungs- und Verdrängungspolitik Pommerellen, Posen und Ostoberschlesien verlassen haben, beweist, wie unnatürlich die polnische Westgrenze vom Standpunkt des völkischen Selbstbestimmungsrechtes aus gezogen worden ist, und jeder Tag praktischer polnischer Minderheitenpolitik gegen die deutsche Volksgruppe führt aller Welt die Unzulänglichkeit, um nicht zu sagen den Widersinn einer Grenzziehung von Danzig bis Teschen vor Augen, hinter der sich ein unerhörter Kampf der polnischen Staatsgewalt gegen das ansässige, bodenverbundene deutsche Volkstum abspielt.

Die Tragödie des Deutschtums in den polnischen Westmarken gehört zu den schwersten Leidperioden, die die Pariser Vorortverträge über die deutschen Volksgruppen und Volkssplitter außerhalb des Altreiches gebracht haben. Und dabei ist es gerade auch in Westpolen weniger der ungeheure Verlust wirtschaftlichen und sonstigen materiellen Besitzes, vielleicht auch nicht einmal vornehmlich das schwere Opfer der Zerschlagung kultureller Güter sowie des weitverzweigten deutschen Organisationslebens als der moralische und seelische Druck, dem das gesamte Deutschtum in den polnischen Westmarken ausgesetzt ist. Immer wieder und in steigendem Maße der politischen Unzuverlässigkeit bezichtigt, staatsfeindlicher Umtriebe verdächtigt, mit dem Vorwurf illoyaler Haltung belastet und als landfremde Eindringlinge beschimpft zu werden, trifft eine Volksgruppe, die sich ihren Pflichten gegenüber der fremden Staatsmacht und dem fremden Wirtsvolk stets voll bewußt war, doppelt hart, wenn sie im Bewußtsein des Hochstandes ihrer Kultur- und Wirtschaftsleistungen der Unterdrückung durch kulturell und wirtschaftlich tieferstehende Gewalten ausgeliefert ist. Für die Deutschen in Pommerellen, Posen und vor allem auch Ostoberschlesien - Oberschlesien gehört seit über 700 Jahren (1163) zum Deutschen Reich, und die ehemalige deutsch-russische Grenze ist eine der ältesten und dauerhaftesten Grenzen Europas gewesen!1 - sind die Gebiete, in denen sie seit zwanzig Jahren entrechtet und terrorisiert werden, die angestammte Heimat: sie haben in diesen Gebieten nicht weniger Lebensberechtigung als die dort ansässigen Polen; aber die Masseneinwanderung kongreßpolnischer und galizischer Polen, die massenweise Verwendung landfremder polnischer Elemente in den Regional- und Lokalbehördenstellen wie auch die Ansiedlung aus dem polnischen Hinterland herbeigeholter landfremder Kräfte haben im Verein mit der Schikanierung und wirtschaftlichen Existenzberaubung der Deutschen einen seelischen Spannungszustand geschaffen, über den sich die Väter von Versailles ebenso wie die heutigen Schirmherren des polnischen Staates klar werden sollten, um die unhaltbaren Verhältnisse zwischen Deutschtum und polnischem Chauvinismus an der Wurzel zu erfassen. Es ist verständlich, daß sich ein nicht kleiner Teil der polnischen Bevölkerung in der Heimatverbundenheit mit der Scholle und dem Arbeitsplatz mit den Deutschen findet dort, wo das Bedürfnis der Abwehr der eingewanderten landfremden Elemente aus Kongreßpolen [225] und Galizien ein heimatliches Gemeinschaftsgefühl - aus verständlichen Gründen meist ungreifbar und unsichtbar - entstehen läßt. Im Gegensatz zu diesen polnischen Kreisen stehen der politische Radikalismus der rechtsoppositionellen, in Posen zentralisierten Nationaldemokratie (Nationale Partei) und die nationalistischen Verbände der Aufständischen, Westmärkler, Schützen, Studenten sowie das Gros der vorwiegend chauvinistisch eingestellten polnischen Presse. Sie sehen die Sicherung des Staates in der restlosen Verdrängung der Deutschen am besten gewährleistet. Sie fordern darüber hinaus "aus historischen und ethnographischen Gründen" die "Befreiung der unerlösten Brüder" auf dem heutigen Reichsgebiet bis weit über die Oderlinie. Mit anderen Worten: In den polnischen Westmarken verbindet sich der polnische Expansions- und Annexionsdrang mit dem Ziel der Vernichtung alles dessen, was deutsch ist, und in der von den Behörden gestützten und
Parade beim Fest des Meeres
Parade beim Fest des Meeres in Gdingen, das jährlich zu einem Höhepunkt aggressiver Demonstrationen gegen den deutschen Nachbarstaat wird.
geförderten Verwirklichung dieses Zieles der Beseitigung aller Deutschen feiern die von Amtsstellen, halbamtlichen Verbänden, Parteifunktionären, Militärs, Zeitungsschreibern und Rundfunksprechern betriebenen Terrorpraktiken, Rechtsbrüche, Gewaltakte Orgien der Hetze, des Hasses und der Brutalität.2 Trotz den in der polnischen Staatsverfassung allen Staatsangehörigen zugebilligten gleichen Rechten, trotz der internationalen Minderheitenschutzverpflichtung Polens (von der sich Warschau zwar formell losgesagt hat, die aber eine Bedingung der Schaffung eines selbständigen polnischen Staates seitens der Versailler und Genfer Mächte war), trotz dem bis 1937 gültigen Genfer Abkommen zum Schutze der deutschen und polnischen Minderheitsinteressen in Oberschlesien, trotz den Genfer und Haager Minderheitenschutzentscheidungen und trotz der im Zuge der deutsch-polnischen Verständigungspolitik getroffenen Minderheitenvereinbarung (5. November 1937) ist der Ausrottungskampf gegen die deutsche Volksgruppe zwar im Tempo verschieden, aber in der Zielsetzung unverändert geführt worden. Von reichsdeutscher Seite wurde manchmal geglaubt, daß die verantwortliche Staatsführung in Warschau wegen der vollkommenen Rechtlosigkeit und moralischen Unvertretbarkeit der Kampfmethoden, nicht zuletzt aber auch mit Rücksicht auf den deutsch-polnischen Verständigungskurs 1934/35 die Maßnahmen der nachgeordneten Behörden, die Ausschreitungen der Mitglieder chauvinistischer Organisationen und die Haß- und Hetzetreibereien der Presse nicht billige, tatsächlich aber zum Einschreiten gegen die Deutschtumsfresser nicht innenpolitisch gesichert und autoritär genug sei. Wir wissen heute aus der Entwicklung der außen- und innenpolitischen Linie Polens unter dem Schutze der britischen Beistandsverpflichtung, daß die verantwortliche Warschauer Regierung selbst Träger des Verdrängungskampfes gegen die deutsche Volksgruppe ist und daß weder der Kattowitzer noch der Posener oder der Thorner Wojewode anders denn das Instrument einer zuletzt von Warschau zu verantwortenden deutschfeindlichen Haltung ist, die sich die Beseitigung aller Deutschen aus den Westwojewodschaften mit allen Mitteln zum Ziel setzt. In Erkenntnis dieser staatspolnischen Zielsetzung gegenüber dem Deutschtum in Polen erscheinen alle bisherigen Deutschtumsverluste durch Enteignungen, Beschlagnahmungen, Schließungen, Ausweisungen, Kündigungen, Verurteilungen, Haussuchungen, Verhaftungen und Verbote zweitrangig gegenüber dem in ganz Pommerellen, Posen und Ostoberschlesien einschließlich dem Olsaland stattfindenden völkischen Ausrottungskampf, der bald mit verfeinerten Vernichtungsmethoden und [226] listenreichen Machenschaften, bald mit brutaler und blutiger Gewalt gegen alles, was sich zum deutschen Volkstum bekennt oder auch
Polnische Propaganda-Karte
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In der Presse, in Flugschriften und Demonstrationen entfacht der polnische Chauvinismus die Leidenschaften für einen Angriff gegen das Reich und verkündet seine hemmungslosen Eroberungsziele.
Oben: Polnische Propaganda-Karte.
nur des Deutschtums verdächtig ist, geführt wird. Es kann für keinen Deutschen jenseits und diesseits der Reichsgrenze einen Zweifel darüber geben, daß Polen den Deutschen als "Erbfeind" ansieht und dort, wo es die Macht hat, ihn rücksichtslos bekämpft, und so wird der Kampf um die Entdeutschung und Polonisierung der polnischen Westmarken zu einer zwar tiefbedauerlichen, aber unaufhaltsam und radikal fortwirkenden Erscheinung, deren Triebkräfte aus der deutschfeidlichen, machthungrigen und bei Hochzeiten des polnischen Chauvinismus zu politischem Größenwahn ausartenden Sinnesart des nationalistischen Polentums gespeist werden. Nur stahlharter Realismus wird uns Deutsche die rechte Einstellung zu dem finden lassen, was sich heute als integrale Feindschaft Polens gegen das Deutsche Reich und gegen das Deutschtum überhaupt in seinen gegen den Westen gerichteten Eroberungskriegszielen wie in seiner innerstaatlichen Entdeutschungspolitik ausweist.

Die Kartoffeln-Hektar-Erträge in den Jahren 1909-1913 und 1931-1935 Die Kartoffeln-Hektar-Erträge in den 
Jahren 1909-1913 und 1931-1935
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Die polnischen Westmarken waren zur Zeit ihres Übergangs in die Staatshoheit der Republik Polen eine agrarische und eine industrielle Schatzkammer des Deutschen Reiches. Posen-Pommerellen lieferten alljährlich dank ihrer hochentwickelten landwirtschaftlichen Betriebswirtschaft bedeutende Agrarüberschüsse, Molkereiprodukte und Schlachtvieh, die der ständig wachsenden Bevölkerung des Reiches und deren in den Großstädten und Industriezentren gewaltig aufgespeicherten Konsumansprüchen einen beträchtlichen Teil des Nahrbedarfes aus deutschem Boden sicherten.3 Und nicht anders ist es mit Ostoberschlesien, das der bei weitem erdschätzereichste und an
Die Zuckerrüben-Hektar-Erträge in den Jahren 1909-1913 und 1931-1935 Die Zuckerrüben-Hektar-Erträge in den 
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Produktionskraft stärkste Teil jener oberschlesischen Wirtschaftseinheit war, die in ihrer organischen Geschlossenheit das größte Kohlenvorkommen Europas umschloß und neben ihren reichen Lagerstätten an Zinkerzen und silberhaltigen Bleierzen sowie ihrer bedeutenden Stahl- und Eisenproduktion zu den zukunftsreichsten Wirtschaftsgebieten des Kontinents gehörte.4 Durch die Zerreißung Oberschlesiens ist West- wie Ostoberschlesien der aller- [227] schwerste Wirtschaftsschaden entstanden. Ostoberschlesien hätte ohne den englischen Bergarbeiterstreik von 1926, ohne das bis zum deutsch-polnischen Zollkrieg ihm eingeräumte Kohleneinfuhrkontingent
Die Roggen-Hektar-Erträge in den Jahren 1909-1913 und 1931-1935 Die Roggen-Hektar-Erträge in den 
Jahren 1909-1913 und 1931-1935
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nach Deutschland wie durch eine vom polnischen Staat hochsubventionierte Exportdumpingpolitik zur Eroberung und Erhaltung der baltischen und nordischen Märkte das einst blühende Industrierevier um Kattowitz/Pleß/Rybnik unaufhaltsam verfallen sehen, weil Polen zur Aufnahme der ostoberschlesischen Kohlenförderung im eigenen Lande aus Gründen des wirtschaftlichen Rückstandes seiner rein polnischen Gebiete nicht fähig war. Die Agrarstruktur, die fast unbegrenzte Bedürfnislosigkeit der Bevölkerung und der vorwiegend auf Holzfeuerung eingestellte, auf Verbrauch von Kohle und Eisen nicht ausgerichtete Wirtschaftsstand
Die Weizen-Hektar-Erträge in den Jahren 1909-1913 und 1931-1935 Die Weizen-Hektar-Erträge in den 
Jahren 1909-1913 und 1931-1935
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Mittel-, Ost- und Südpolens verhinderten eine wesentliche Hebung des Kohlenverbrauchs, die aber die Lebensvoraussetzung für die wirtschaftliche Berechtigung der Eingliederung Ostoberschlesiens in den polnischen Staatsverband ist. Polen könnte seinen gesamten Bedarf an Kohle aus der Förderung seines Dombrowaer und Krakauer Reviers völlig decken, ohne auf die Lieferungen aus Ostoberschlesien angewiesen zu sein, das heißt der polnische Staat hat den Besitz des ostoberschlesischen Industriereviers wirtschaftlich nicht nötig. Es belastet vielmehr die industriell schwach entwickelte Wirtschaft Polens ungebührlich und drängt Polen zu einer ständigen Beunruhigung der internationalen Kohlenmärkte durch eine
Die Hafer-Hektar-Erträge in den Jahren 1909-1913 und 1931-1935 Die Hafer-Hektar-Erträge in den 
Jahren 1909-1913 und 1931-1935
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künstlich forcierte Exportpolitik. Der verlustreiche Preiskampf um die Wettbewerbsfähigkeit der ostoberschlesischen Kohle, den hauptsächlich England auf den umstrittenen Märkten der Ostsee-Randstaaten zu spüren bekam und der überdies zu Lasten des polnischen Binnenkäufers ging, war die natürliche, schon bei der Teilung Oberschlesiens von Kennern der oberschlesischen Wirtschaftslage, ihrer Verkehrsferne und der geringen Aufnahmefähigkeit des polnischen Binnenmarktes für hochwertige Montan- [228-229=Abb.] [230] produkte vorausgesagte Folge der Genfer Entscheidung von 1921. Daß gerade auch von englischen Sachverständigen diese Entwicklung, daß Polen Ostoberschlesien
Die Gerste-Hektar-Erträge in den Jahren 1909-1913 und 1931-1935 Die Gerste-Hektar-Erträge in den 
Jahren 1909-1913 und 1931-1935
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mit seinem Kohlenreichtum gar nicht verdauen könne,5 vorausgesehen wurde, ist eine immer wieder aktuelle Mahnung an London, im Interesse einer friedlichen europäischen Entwicklung die oberschlesische Frage nicht als gelöst zu betrachten! Wenn Polen durch die mit französischem Kapital gebaute und unter einer gemischten französisch-polnischen Gesellschaft stehende Kohlenmagistrale Kattowitz-Gdingen versucht hat, die Wirtschaftszukunft Ostoberschlesiens dadurch sicherzustellen, daß es der ostoberschlesischen Kohle durch die Dumpingfracht zu ihren Exporthäfen immer weitere Märkte erschloß und Absatz für die polnische Kohle sogar in den entferntesten Gebieten bis Nordafrika, Argentinien und Brasilien suchte, so beweist nichts deutlicher als diese Entwicklung, daß Polen zu einer chronischen Beunruhigung der Kohlenmärkte gezwungen ist und damit unter anderem ein lebenswichtiges Interesse Englands berührt. Diese Entwicklung zeigt nun ferner aber auch, daß die Weichsel niemals eine entscheidende wirtschaftspolitische Bedeutung für Polen gehabt hat, weil es sich dieser weder als Frachtenträger der hochwertigen oberschlesischen Kohle und der Erze für die ostoberschlesische Eisenindustrie bedient hat noch sich ihrer infolge der völligen wasserbaulichen Vernachlässigung dieses zu preußisch-deutscher Zeit mit außerordentlichen Mitteln stets als schiffbaren Stromes unterhaltenen Frachtenweges bedienen kann. Es ist bezeichnend, daß polnischerseits der Gedanke überhaupt nicht ernsthaft erwogen worden ist, die Weichsel als Massengüter-Transportstraße auszubauen, ein Beweis, wie wenig Polens These von der Weichsel als polnischem Lebensstrom und dem Weichselkorridor als polnischem Lebensraum sachlich begründet ist! Nehmen wir das niedrige Niveau der Löhne im ostoberschlesischen Revier, die soziale Notlage des an sich schon anspruchslosen ostoberschlesischen Bergarbeiters und das Ausmaß der Kurzarbeit und nach wie vor recht großen Arbeitslosigkeit, so ergibt sich ein trauriges Bild der polnischen Wirtschaft gegenüber der Blütezeit dieses Grenzlandes unter deutscher Hand, und diese Feststellung wird nicht dadurch widerlegt, daß heute in Ostoberschlesien durch die Anforderungen der künstlich gesteigerten polnischen Waffenrüstung in den Kohlengruben, Eisen- und Stahlwerken ein stärkerer Rhythmus spürbar ist: der Mangel eines natürlichen Absatzgebietes, das die polnische Kohle zu annehmbaren Preisen in entsprechenden Großmengen aufzunehmen vermag, ist das wirtschaftliche Schicksal des wider aller wirtschaftlicher Vernunft und völkischer Rücksicht durch den Gewaltspruch von Genf Polen zugeteilte Ostoberschlesien.

Nicht minder greifbar ist der Unterschied der Wirtschaftslage Posens und Pommerellens in der deutschen und der polnischen Zeit. Damals ertragreicher und einträglicher Agrarbesitz, heute von Jahr zu Jahr schrumpfende Agrarproduktion, Verschuldung, unzureichende Preise und durch die Ansetzung landfremder, auf viel niedriger Wirtschaftsstufe stehender mittel- und ostpolnischer Bauernsiedler auf den durch die Agrarreformgesetze aufgeteilten vorwiegend deutschen Gütern sowohl in der Wirtschaftsleistung wie im Kulturstand degradierte Betriebe, [231-233=Abb.] [234] denen der Volksmund den Namen "Poniatowskische Dörfer"6 gegeben hat. Ohne den Export zu guten Preisen nach Deutschland würde der Verfall der Landwirtschaft der polnischen Westmarken unaufhaltsam sein. Mit dem Deutschen Reiche als Großabnehmer der Agrarprodukte der westpolnischen Teilgebiete hält sich die Landwirtschaft Posens und Pommerellens in ständigem Kampf am Leben, aber ihr Wirtschaftseffekt sinkt in dem Maße, wie die deutschen Musterbetriebe durch die Agrarreform leistungsschwachen polnischen Kleinbauernwirtschaften weichen müssen.

Man kann nicht sagen, daß dieses oder jenes westpolnische Teilgebiet weniger oder mehr unter dem "Wojewodensystem" gelitten habe, auch nicht, daß hier oder dort die deutsche Stellung weniger gefährdet sei. Der
Das Deutschtum in Posen und Westpreußen im Jahre 1918 Das Deutschtum in Posen und Westpreußen im Jahre 1918
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landwirtschaftliche Privatbesitz der Deutschen in den Wojewodschaften Posen und Pommerellen ist durch die polnische Agrarreform in der einseitigen, rücksichtslosen Durchführung des Bodenraubes wie durch die Zerschlagung der gutfundierten ländlichen Genossenschaften in demselben Maße der Polonisierung ausgesetzt wie das industriell gebundene Deutschtum Ostoberschlesiens durch die Massenentlassungen der deutschen Arbeiter und Angestellten und die Vernichtung des hier besonders blühenden deutschen Kultur- und Vereinslebens. Tatsache ist, daß sich in Posen-Pommerellen das Deutschtum der Städte viel weniger gut gehalten hat als die dortige Landbevölkerung und als die Arbeiter- und Angestelltenschaft des ostoberschlesischen Industriereviers; sind doch seit 1919 über 85,5 v.H. der städtischen deutschen Bevölkerung und nur 55,4 v.H. der ländlichen deutschen Bevölkerung aus Posen/Pommerellen abgewandert, während das Deutschtum der Wojewodschaft Schlesien demgegenüber bis Ende 1938 nur einen Abwanderungsverlust von weniger als 40 v.H. zu beklagen hatte. Die gegenwärtige Zahl der Deutschen in Polen - von der polnischen Statistik mit 741.000 Köpfen,7 von volksdeutscher Seite mit 1.030.000 Köpfen angegeben8 - verteilt sich auf die Westgebiete wie folgt:

  Deutsche Schätzung         Polnische Schätzung   
Posen 325.000  (10,1 v.H.) 193.100  (9,2 v.H.)
Pommerellen 105.400  (9,8 v.H.)
Teschener Schlesien 50.000   90.600     (7 v.H.)
Ostoberschlesien 180.000  (13,8 v.H.)

555.000 389.100

[235=Karte] [236] Dieser Kopfbestand der Deutschen hat sich inzwischen weiter verringert, dürfte aber immerhin noch in den Westwojewodschaften über die Hälfte des gesamten, auf dem Gebiete der Republik Polens seßhaften Deutschtums ausmachen.

Als Schulbeispiel für die Warschauer Minderheitenvergewaltigung und Zwangspolonisierung kann das Olsaland gelten. Beim Übergang der beiden Bezirke Freistadt und Teschen in die polnische Staatshoheit hatte das Deutsche Reich im Zusammenhang mit der Besetzung dieses Gebietes durch die polnischen Truppen die Frage der Behandlung der im Olsaland ansässigen deutschen Volksgruppe offiziell in Warschau zur Sprache gebracht. Das Ergebnis des Meinungsaustausches zwischen Berlin und Warschau war ein deutsch-polnischer Notenwechsel vom 18./20. Oktober 1938, worin die Reichsregierung unter Bezugnahme auf die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Polen (Verständigungspakt von 1934) die Erwartung aussprach, daß die Angehörigen der deutschen Volksgruppe im Olsaland seitens der polnischen Behörden eine Behandlung erfahren, die den seinerzeit von deutscher und polnischer Seite abgegebenen Minderheitenerklärungen entspricht, und sie "demgemäß nicht nur ihren kulturellen Besitzstand aufrechterhalten können, sondern darüber hinaus im Rahmen des polnischen Staates
Das ländliche Fortbildungswesen in Polen Das ländliche Fortbildungswesen in Polen
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glücklichere Daseinsbedingungen finden werden, als sie ihnen bisher zuteil geworden waren." In ihrer Antwort machte sich die polnische Regierung den deutschen Standpunkt zu eigen, aber - welch politisches Teufelsspiel! - tags zuvor, also unmittelbar vor der deutsch-polnischen Vereinbarung, war ein Dekret des polnischen Staatspräsidenten erlassen worden, wonach der Mehrzahl der volksdeutschen Bewohner des Olsagebietes der Erwerb der polnischen Staatsangehörigkeit unmöglich gemacht wurde. Das Ergebnis dieser pfiffigen, wider Treu und Glauben getroffenen Regelung war, daß dem weitaus größten Teil der Olsaland-Deutschen entgegen dem klaren Sinn des deutsch-polnischen Notenwechsels die Rechte aus diesem nicht gewährt wurden. Ohne die Möglichkeit, die polnische Staatsangehörigkeit zu erwerben, andererseits aber auch nicht mehr als tschechische Staatsangehörige anerkannt, war nun auf einmal das Gros der Volksdeutschen im Olsaland staatenlos und ging aller Ansprüche verlustig, die ihnen die deutsche Regierung im Vertrauen auf die polnische Zusage gesichert zu haben hoffte. Auf solche "gesetzliche" Weise zum Freiwild
Zahlreiche Flüchtlinge kommen ins Reich
Zahlreiche Flüchtlinge kommen ins Reich.
polnischer Willkür gemacht, haben die Olsaland-Deutschen in den zehn Monaten polnischer Herrschaft einen Verdrängungsprozeß erlebt, der an Rücksichtslosigkeit gegenüber dem deutschen Element alles in den Schatten stellt, was Polen sich anderswo schon an Rechtsbrüchen und Gewaltakten gegen die polnischen Staatsbürger deutscher Nationalität geleistet hat. Wojewode Grazynski und seine Helfershelfer brauchten sich nun für das Olsaland nicht so viel Zeit zur Entdeutschung nehmen, wie sie in Ostoberschlesien gebraucht haben, um die Bastionen des Deutschtums dort zu
Deutsche Familien werden von Haus und Hof vertrieben Eine neue Welle der Austreibung von Deutschen 
hat begonnen.
Schwer leidet das Deutschtum in Polen unter dem Terror. Eine neue Welle der Austreibung von Deutschen hat begonnen. Deutsche Familien werden von Haus und Hof vertrieben. Uralte deutsche Gewerbeunternehmen, Einrichtungen des deutschen Genossenschaftslebens, deutsche Handwerksstätten werden willkürlich geschlossen und den Deutschen genommen.
Oben: Zahlreiche Flüchtlinge kommen ins Reich.
zerschlagen! Auf den Gruben und Werken des Olsalandes sind die deutschen Arbeiter und Angestellten wegen "ungesunder Zustände auf den Anlagen"(!) entlassen worden und haben ihre langjährigen Arbeitsplätze nur Polen zur Verfügung stellen müssen. Da bei diesen Entlassungen gleichzeitig die Werkswohnung verlassen werden muß, so ist die Verdrängung vom Arbeitsplatz gleichbedeutend mit der Verdrängung aus dem Lande, das heißt mit der Abwanderung. Diese Abwanderung ist das Ziel der Polonisierungspolitik, und deshalb werden die Kündigungen bis zur Säuberung der Betriebe von den letzten Deutschen planmäßig fortgesetzt, womit sich zugleich die einst blühenden deutschen Schulen des Olsalandes entleeren und Polen das ganze schulische und kulturelle Leben der deutschen Volksgruppe zum Absterben bringt. 41 deutsche Schulen mit 4.699 deutschen Schülern, die von 88 deutschen Lehrern unterrichtet wurden, sind im ersten Halbjahr der polnischen Herrschaft auf ganze sieben Schulen mit knapp [237] 1.000 Schülern (die von 15 deutschen und 25 polnischen Lehrern unterrichtet werden) zusammengeschrumpft. Das einzige deutsche Gymnasium im Olsaland wurde in Oderberg geschlossen und in eine polnische Mädchenschule verwandelt. Am tollsten ist die Schulnot des Deutschtums in Freistadt, das heute keine einzige Schule mehr hat, während es vor der polnischen Besetzung fünf Schulen und einen Kindergarten mit 570 Schülern besaß. Eine Zusage des zuständigen Kattowitzer Wojewoden Grazynski, daß auch diejenigen Erziehungsberechtigten ihre Kinder in bestimmten Schulen unterrichten lassen können, deren Staatsangehörigkeit noch
Der Bildungsstand in Polen Der Bildungsstand in Polen
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ungeklärt sei, wurde derart in die Praxis umgesetzt, daß die Deutschen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit ihre Kinder diesen Schulen beziehungsweise Schulklassen nicht zuführen konnten - das ist das Wojewodschaftssystem! Immerhin wirkt sich dieses System bei der eingesessenen schlonsakischen Bevölkerung dahin aus, daß einstige landverbundene Wortführer der olsaländischen Frage zugunsten Polens wie die Literariker Morcinek, Kubisz und Musiol heute offen die Zustände beklagen, die durch das Wojewodschaftsherrentum und die Überflutung des schlesisch ausgerichteten Olsalandes mit den Kreaturen der Verdrängungsinitiatoren in Teschen und Oderberg, in Karwin und Freistadt eingezogen sind. Die Sicherung des "polnischen Charakters" des Olsalandes durch die in Ostoberschlesien "erfolgreich" angewandten Methoden ruft den Widerspruch des die große Mehrheit des Landes bildenden altansässigen Schlonsakentums hervor und fügt dort ein neues Moment in das schlesische Problem, mit dem der polnische Staat so, wie er es angepackt hat, niemals fertig werden wird.

Was sich heute im Olsaland abspielt, das ist seit Jahren in Ostoberschlesien von dem Wojewoden Grazynski vorexerziert worden. Unter dem Vorwand der Notwendigkeit von "Betriebseinschränkungen" oder der "Reorganisation der Betriebe" sind im ostoberschlesischen Industriegebiet die ehemals fast durchweg in deutschem Besitz befindlichen Gruben und Werke nahezu restlos von den deutschen Arbeitern, Angestellten, Ingenieuren und Verwaltungsbeamten gesäubert worden. Wo sich dabei Hemmungen ergaben, half der Druck des Wojewoden nach, zögernde Betriebsdirektoren und Abteilungschefs zu beseitigen und schwankende Verwaltungen durch Entziehung oder Ausschaltung von Staatsaufträgen, Aufbürdung unaufbringbarer Steuerlasten und im Falle des Zahlungsverzuges Einsetzung polnischer, meist vom Wojewoden selbst unmittelbar beeinflußter Zwangsverwalter zur Entfernung der volksdeutschen Arbeitskräfte zu zwingen. Seit Mai 1939 treten wilde "Nationalkomitees" in den einzelnen Betrieben in Aktion, die die Herausgabe der Arbeiter-Verzeichnisse erwirken und daraus "Schwarze Listen" aufstellen und für die sofortige Beseitigung der dort aufgeführten Leute von ihren Arbeitsplätzen sorgen. Die Menschen, die so ohne jeden sachlichen Anlaß nur wegen ihrer Zugehörigkeit zum deutschen Volkstum um Lohn und Brot gebracht werden, oft aus Stellen, in denen sie pflichttreu, fleißig und diszipliniert jahre-, ja jahrzehntelang tätig waren und als anerkannte Facharbeiter oder bewährte Werkmeister früher für unersetzlich galten, müssen scharenweise die Arbeitsplätze räumen, weil sie den gesetzlich zugelassenen deutschen Gewerkschaften oder Angestelltenverbänden angehören oder ihr Kind zur deutschen Schule schicken! Fast immer rücken polnische, zumeist landfremde, aus Galizien oder Kongreßpolen nach Oberschlesien eingewanderte Arbeiter von viel tieferer Sozial- und Kulturstufe in die von den Deutschen (und neuerdings auch von den für ebenfalls "staatspolitisch unzuverlässig" gehaltenen und verdächtigten polnisch-oberschlesischen Arbeitern) gesäuberten Plätze nach. Daß die deutschen Arbeiter und Angestellten seit dem Ablauf des Genfer Abkommens praktisch keinen Kündigungsschutz genießen und den Rechtsweg für Einzel- oder Sammelklagen nicht [238] in Anspruch nehmen können, erklärt sich aus der für das ganze Verdrängungssystem bezeichnenden Tatsache, daß nach der Zwangsbeseitigung der durch ihre politische Isolierung mit der Zeit immer einflußloser gewordenen deutschen Betriebsratsmitglieder die polnischen Betriebsräte und sozialpolitischen Aufsichtsstellen unter dem Druck der gänzlich verpolten Werksleitungen den Deutschen jeglichen Schutz versagen und ihnen damit die gesetzlichen Voraussetzungen für die Wahrnehmung ihrer Rechte nehmen. Diese völlige Entrechtung der deutschen Berg- und Hüttenarbeiter und Angestellten in der Wojewodschaft Schlesien ist eines der betrüblichsten und härtesten Kapitel der Leidensgeschichte der deutschen Volksgruppe in Polen, nicht zuletzt deshalb, weil der Staat diese Schandakte einer gesetzwidrigen und unsozialen Haltung zuläßt und sanktioniert, derselbe Staat, dessen Existenz auf der ihm international vor der ganzen Kulturwelt auferlegten Verpflichtung zum Minderheitenschutz beruht.9 Die [239] Folgen dieser (heute meist fristlosen) Entlassungen der Deutschen sind eine unbeschreibliche wirtschaftliche Verelendung und seelische Peinigung. Der Ausweg bleibt die Flucht über die grüne Grenze, der Hungertod oder eine Verzweiflungsexistenz in den gefährlichen "Notschächten", kurz, der Niedergang, die Abwanderung oder das Absterben der Deutschen in Ostoberschlesien.




Anmerkungen

1Lloyd Georges Erklärung im Unterhaus am 13. Mai 1921: "Vom geschichtlichen Standpunkt hat Polen nicht das geringste Recht auf Oberschlesien." ...zurück...

2Die polnische Behauptung, die Behörden würden "von der öffentlichen Meinung des Landes gedrängt", den deutschfeindlichen Kurs immer weiter zu verschärfen, widerspricht der Tatsache, daß die Wojewoden als Träger der Verdrängungspolitik den Chauvinismus der nationalistischen Verbände in ihre Ziele einspannen und dadurch den Anschein erwecken, als handele es sich bei dem Kampf gegen das Deutschtum um eine allgemeine polnische Volksbewegung. ...zurück...

3Über "Die Entwicklung der Posener Landwirtschaft seit 1919" vergleiche Dr. agr. Albrecht Schubert (Posen 1928), der aufzeigt, wie Posens Erzeugung an Gerste, Roggen, Kartoffeln, Zuckerrüben bei weitem den landwirtschaftlichen Produktionsdurchschnitt Preußens überragte, die Posener Landwirtschaft sich aber im Rahmen der polnischen Staatswirtschaft sehr wechselvoll entwickelt hat. / Theodor Oberländer: Die Landwirtschaft Posen-Pommerellen vor und nach der Abtrennung vom Deutschen Reich (Berlin 1937). / Theodor Oberländer: "Die wirtschaftliche Notlage der früher preußischen Provinzen Posen und Westpreußen" (Jomsburg, Jhg. 1 [1937], S. 143ff.) / Imma Swart: Das polnische Genossenschaftswesen im polnischen Staat (Leipzig 1938). ...zurück...

4Daß durch die Zuteilung des größeren Teiles des oberschlesischen Industriegebietes an Polen Ostoberschlesien nicht nur wirtschaftspolitisch sondern auch rein politisch gesehen zu einem Teil des Korridorproblems geworden ist, zeigen: Werner: Weichselkorridor und Ostoberschlesien, Der weltwirtschaftliche Zusammenhang beider Probleme (Breslau 1932) und Carl Budding: Der polnische Korridor als europäisches Problem (Danzig 1932). Über "Die Auswirkungen der Grenzziehung auf die oberschlesische Montanindustrie" unterrichten Gerhard Wende, ferner Paul Deutsch: Die oberschlesische Montanindustrie vor und nach der Teilung des Industriebezirkes (Bonn 1926) und Konrad Rasch: Die Teilung Oberschlesiens und ihre Bedeutung für die Kohlen-, Eisen- und Zinkindustrie (Berlin 1926). Durch die Grenzziehung sind 49,1 Milliarden Tonnen Kohlenvorräte, das heißt 85 v.H. der Kohlenvorräte des deutschen Besitzanteils an Polen gefallen, während Westoberschlesien nur einen Kohlenvorrat von 8,7 Milliarden Tonnen (bis 1000 Meter Teufe) behielt; es erhielt ferner weitaus die Mehrzahl der Produktionseinrichtungen, die Bergwerksschächte, Verhüttungsanlagen, Stahl- und Walzwerke usw., so daß es verfügt über

    74,4 v. H. der Kohlenproduktion
    81 v. H. der Zinkblendeproduktion
    72,5 v. H. der Bleierzproduktion
    62 v. H. der Roheisenproduktion
    69 v. H. der Rohstahlproduktion
    78 v. H. der Walzwerkproduktion
Nahezu vier Fünftel der bergbaulichen und industriellen Werte Oberschlesiens wurden Polen zugeteilt. ...zurück...

5Vergleiche das Kartenwerk Oberschlesien-Atlas von Dr. Walter Geisler (Volk und Reich 1938) / Ferdinand Friedensburg: Kohle und Eisen im Weltkriege und in den Friedensschlüssen (München 1934), S. 273ff. / Th. Oberländer: Polen und seine Wirtschaft (Königsberg 1937). / Von der Kohlenförderung in ganz Polen in Höhe von 38 Millionen Tonnen entfiel auf Ostoberschlesien eine Förderung von 28,7 Millionen Tonnen, wovon rund 10 Millionen Tonnen im ostoberschlesischen Revier selbst verbraucht, 11,7 Millionen Tonnen exportiert und wenig mehr als 7 Millionen Tonnen vom polnischen Binnenmarkt aufgenommen wurden, das heißt knapp 25 v.H. wurden in Polen selbst verbraucht, aber über 40 v.H. ins Ausland ausgeführt. Auch für die anderen Erzeugnisse des Reviers, vor allem Zink, Eisen und Blei, ist in Polen selbst kein genügender Absatz. ...zurück...

6Diesen Namen gibt der Volksmund den aus Holz gebauten winzigen polnischen Bauernsiedlungen, die aus den durch die Agrarreformgesetze des Ministers Poniatowski aufgeteilten Gütern errichtet worden sind. ...zurück...

7Angaben nach Petit Annuaire Statistique de la Pologne 1938 (Warschau) S. 12, 22/23. ...zurück...

8Viktor Kauder: Das Deutschtum in Polen (Leipzig 1939); derselbe: Das Deutschtum in Polnisch-Schlesien (Plauen 1932). Nach Kauder hätte das Deutschtum in der Wojewodschaft Schlesien von 1921 bis 1931 durch Option und Abwanderung etwa 40.000 und von 1931 bis Anfang 1939 weitere 70.000 Seelen, insgesamt 110.000 Köpfe verloren, während Posen-Pommerellen in diesem Zeitraum an die 900.000 deutsche Menschen durch Massenabstrom eingebüßt hat. Die polnischen Zahlenangaben über den deutschen Besitzstand entbehren durchweg einer sachlichen Grundlage, sie sind willkürlich, in sich widerspruchsvoll und deshalb praktisch unbrauchbar. Die deutschen Ziffern dürften der Wirklichkeit sehr nahe kommen und richtig sein, weil sie auf sehr vorsichtigen und eingehenden Feststellungen beruhen. Durchweg gibt die polnische Statistik die Zahl der Deutschen in Polen zu niedrig an, während sie andererseits die Zahl der Polen in Deutschland mit "1½ bis 2 Millionen" um mehr als das Zehnfache zu hoch ansetzt (vergleiche Hans Schadewaldt: "Die Stärke der polnischen Minderheit im Reiche." Der Oberschlesier, April 1939). ...zurück...

9Seit der Erklärung des polnischen Außenministers Oberst Beck vor der Völkerbundsversammlung am 13. September 1934 über die Loslösung Polens von dem internationalen System der Behandlung von Minderheitenangelegenheiten erkennt Warschau als alleinige Grundlage der Behandlung von Beschwerden der Minderheiten die polnische Verfassung Artikel 110 ff. an, für den aber die angekündigten, doch bisher nicht erlassenen Durchführungsverordnungen fehlen, so daß, wie die tägliche Praxis lehrt, das innerstaatliche System des Minderheitenschutzes nicht als ausreichend angesehen werden kann. ...zurück...

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Deutschland und der Korridor