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Kampf um Berlin: Der 
Anfang.

Trotz Verbot nicht tot!       (Teil 1)

Die schwere organisatorische Krise, in die die nationalsozialistische Bewegung in Berlin durch das am 5. Mai 1927 gegen sie erlassene Polizeiverbot hineingestürzt wurde, war nunmehr geistig überwunden. Die Erschütterungen, die das Parteigefüge in schwere Bedrängnis geführt hatten, waren behoben, der gestörte Kontakt zwischen Führung und Gefolgschaft durch eine radikale und aggressive Wochenzeitung wiederhergestellt und die propagandistischen Möglichkeiten, die uns während der ersten Sommermonate vollkommen gefehlt hatten, neu geschaffen. Wir hatten zwar noch Sorgen die Menge, vor allem in finanzieller Beziehung. Aber hin und wieder zeigte sich auch ein Lichtstreifen im dunklen Gewölk, das über uns hing. Und wir verlangten ja schließlich gar nichts mehr als hier und da eine kleine Hoffnung, an die wir uns anklammern konnten.

Böse hatte das Schicksal uns mitgespielt, und wir hatten manchmal und oft Grund genug, zu verzweifeln und Kampf und Ziel schweigend aufzugeben. Der neue Kurs der Bewegung war in der Reichshauptstadt mitten in seinen hoffnungsvollsten Anfängen durch behördliche Maßnahmen unterbrochen worden, und es erschien ganz unmöglich, ihn auch nur in getarnter oder versteckter Form weiter fortzusetzen.

Dann griff der Angriff rettend ein. Mit ihm wurde die Partei wieder konsolidiert. In seinen Spalten hatten wir die Möglichkeit, nationalsozialistische Gedankengänge auch weiterhin in der Reichshauptstadt zu propagieren.

Wiederauferstehung!
Guten Tag! Alles noch munter!?
Totgesagte leben lange!
Das junge Unternehmen wurde von uns sozusagen aus dem Boden gestampft. Es erwies sich dabei wieder einmal mit aller Klarheit, daß, wo Mut und Selbstvertrauen und auch ein gut Stück Verwegenheit Pate stehen, selbst die verzweifelsten Unternehmen durchgeführt werden können. Es kommt nur darauf an, daß ihre Träger an ihre eigene Sache glauben und sich durch erste schwere Rückschläge nicht vom einmal als richtig erkannten Kurs abdrängen lassen.

Ein großer Zeitgenosse hat einmal von sich selbst gesagt:

"Drei Dinge sind es, die mich auf die Höhe des Lebens geführt haben: etwas Intelligenz, viel Mut und eine souveräne Verachtung des Geldes." Nach diesem Wort hatten wir gehandelt. Etwas Intelligenz konnte man der Führung der nationalsozialistischen Bewegung in Berlin nicht absprechen. Die SA. hatte viel Mut bewiesen in den schweren Kämpfen, die monatelang Abend für Abend um die Proletarierviertel ausgefochten wurden. Und eine souveräne Verachtung des Geldes erschien uns schon deshalb angebracht, als das Geld vollkommen und allenthalben fehlte und wir uns über seinen Mangel nur mit eben dieser souveränen Verachtung hinwegsetzen konnten.

Der Angriff hatte bereits in den ersten Monaten nach seiner Begründung eine schwere Personalkrise durchzumachen. Mitarbeiter, die am Anfang voller Begeisterung für unser Zeitungsprojekt eingetreten waren, ließen unsere Sache, als sie gefählich und aussichtslos zu werden schien, schnöde im Stich und stürzten damit unser junges Unternehmen in schwere und fast unüberwindliche Schwierigkeiten hinein. Wir waren zeitweilig vollkommen von fähigen Mitarbeitern entblößt und mußten uns dadurch durchhelfen, daß jeder der politischen Führer sich verpflichtete, ein Stück der Zeitung selbst zu schreiben. Damit war der größte Teil unserer Zeit auf Wochen hinaus mit journalistischer Arbeit ausgefüllt. Unter den verschiedensten Decknamen publizierten wir unsere Kampfartikel. Trotzdem hatte die Zeitung auch bei ewig sich gleichbleibenden Mitarbeitern selbst in dieser Aufmachung ein vielfältiges Gesicht, und die Leserschaft merkte kaum, mit wieviel Mühe und Sorge jedes einzelne Blatt zusammengestellt wurde.

Wir hatten dafür aber auch die freudige Genugtuung, daß der Angriff sich in der reichshauptsstädtischen Journalistik einer ständig wachsenden Bedeutung und Achtung erfreute. Er hatte einen anderen Werdegang gemacht als die großen kapitalistischen Zeitungsunternehmungen. Wir hatten keine Geldgeber, die uns die zur Gründung eines Presseorgans notwendigen Summen zur Verfügung stellten. Dann ist es leicht, Schriftleitung und Verlagspersonal zu engagieren, und so kann ein Unternehmen kaum fehlschlagen. Aber das Verhängnisvolle dabei ist, daß jede Zeitung, die von großen Geldgebern finanziert wird, damit auch gezwungen ist, die politische Meinung ihrer Hintermänner widerspruchslos zu vertreten. Es erscheint also auf diese Weise nicht eine neue Stimme im Konzert der öffentlichen Meinung. Nur kauft sich ein seriöser Finanzier eine eigene Zeitung, um die öffentliche Meinung in seinem Sinn beeinflussen zu können.

Das Gegenteil war bei uns der Fall. Was wir sagten, das war auch unsere Meinung, und da wir von keinem Geldgeber abhängig waren, konnten wir diese Meinung ganz ungeschminkt zum Ausdruck bringen. Wir waren damals schon in ganz Berlin vielleicht das einzige Blatt, das aus Gesinnung geschrieben wurde und dessen politische Haltung durch keinerlei geheime Geldquellen beeinflußt war. Das empfindet am klarsten und deutlichsten der Leser selbst. Wenn auch die jüdischen Organe in Millionenauflagen erschienen und das breite Publikum als Leser hatten, sie selbst besaßen doch meistens kein inneres Verhältnis zu ihren eigenen Abonnenten. Eine solche Zeitung wird nicht geliebt. Der Leser empfindet sie nur als notwendiges Übel. Er gebraucht sie zu seine täglichen Orientierung. Aber im tiefsten Herzen ist er doch davon überzeugt, daß sie ihn, auch wenn er das nicht im einzelnen feststellen kann, am Ende doch beschwindelt und hinters Licht führt.

Der blinde Glaube an das gedruckte Wort, der sich in Deutschland so oft und so verhängnisvoll für das öffentliche Leben ausgewirkt hat, ist allmählich im Schwinden begriffen. Das lesende Publikum verlangt heute mehr denn je von seiner Zeitung Gesinnung und Aufrichtigkeit der Meinung.

Die Massen sind seit 1918 in steigendem Maße hellhörig und hellsichtig geworden. In der Börsenrevolte, die den Krieg beendigte, hat die internationale Journaille als Schrittmacherin des Börsenkapitalismus ihren letzten großen Coup gelandet. Von da ab ist es mit ihr und mit ihm, zuerst unmerklich, dann aber in rasendem Absturz bergab gegangen. Die liberal-demokratische Weltanschauung ist heute geistig längst überwunden. Sie hält sich nur noch mit geschäftsordnungsmäßigen, parlamentarischen Tricks.

Für die Massen bedeutet das vorerst eine ungeheure Enttäuschung. Wir haben diese Enttäuschung vorausgesehen und ihr schon frühzeitig einen Damm entgegengebaut. Mit modernen Mitteln und einem absolut neuen und mitreißenden Stil haben wir von früh die öffentliche Meinung zu beeinflussen versucht. Gewiß, die Anfänge dazu waren primitiv und laienhaft. Aber man zeige uns einen Meister, der vom Himmel herabgefallen ist. Auch wir haben unser Lehrgeld bezahlen müssen, aber wir haben dafür etwas gelernt; und wenn man heute die nationalsozialistische Presse nur noch mit amtlichen Verboten niederhalten kann, so ist das der klassische Beweis dafür, daß unser Journalismus den Anforderungen der Zeit gewachsen ist, und daß man der Meinung, die dort vertreten wird, keine geistigen, sondern nur noch Brachial-Argumente entgegensetzen kann.

Wir hatten zwar nur kleine und zahlenmäßig bedeutungslose Vertretungen in den Parlamenten des Reichstags und des Landtags. Trotzdem besaß die verbotene Bewegung hinter ihnen eine Unterschlupfsmöglichkeit. Die Geschäftsstelle des Gaues war in ein Büro der Abgeordneten umgewandelt worden. In den Räumen, in denen ehedem die Parteibeamtenschaft gearbeitet hatte, residierten nun immune Volksvertreter. Es war nicht leicht, den ganzen Geschäftsgang auf dieses neue System umzubauen. Aber im Laufe der Monate lernten wir auch das. Allmählich wurde die ganze Parteiorgnisation auf den sozusagen illegalen Zustand eingestellt. Wir erfanden einen neuen, fast unkontrollierbaren Geschäftsgang für unser Büro, die wichtigsten Akten wurden verstreut in der ganzen Stadt bei zuverlässigen Parteigenossen untergebracht, eine Kartei nur für die alte Parteigarde geführt. Die aber stand für alle Notfälle bereit und zur Sache. Sie war über jeden Zweifel der Wankelmütigkeit erhaben. Man konnte Häuser darauf bauen.

Wir waren uns sehr bald klar darüber, daß das Verbot in absehbarer Zeit nicht aufgehoben würde. Wir gingen deshalb daran, die ganze Partei auf den Zustand des Verbots umzuorganisieren. Aus den ehemaligen Sektionen wurden wilde oder harmlose Vereine. Sie verfielen oft und oft wiederholten amtlichen Verboten. Aber aus einem aufgelösten Kegelklub wurde ein paar Tage später ein neuer Skatverein, und aus der verbotenen Schwimmabteilung eine Sparorganisation oder ein Fußballklub. Dahinter stand immer der Nationalsozialismus. Die Stützpunkte der Partei waren trotz des Verbots vollkommen intakt. Das Polizeipräsidium fühlte sich uns gegenüber im Unrecht und hütete sich deshalb wohl, mit schweren Strafen, zu denen ja auch keinerlei rechtliche Handhabe vorhanden war, gegen uns vorzugehen. Aus den Trümmern der zerschlagenen Organisation blühte allmählich neues Leben auf.

Die SA. war keinen Augenblick ins Wanken gekommen. Sie war zwar zahlenmäßig klein, aber fest diszipliniert und in zuverlässigen Kaders zusammengeschlossen. Die wenigen noch nicht gehärteten Elemente, die während der ersten Kampfmonate zu uns gestoßen waren, wurden nach und nach ausgeschieden. Der Kern der gesamten Formation erhielt sich unversehrt. Man kannte damals fast noch jeden Parteigenossen und SA.-Mann persönlich. Die kampfentschlossenen Gesichter, die man Woche für Woche und manchmal Abend für Abend in den großen Propagandaveranstaltungen der Partei vor Augen bekam, prägten sich unauslöschlich dem Gedächtnis ein. Die ganze Partei war eine Art große Familie, und es herrschte in ihr auch dasselbe Zusammengehörigkeitsgefühl. Die Parteigarde hatte damals ihre große Zeit, und ihr ist es zu verdanken, daß der Nationalsozialismus in Berlin nicht unterging.

Es wurde auch Vorsorge getroffen, daß die immer wieder künstlich von Außenstehenden in die Partei hineingetragene Nervosität das innere Leben der Organisation nicht bedrohen konnte. Jeder Provokationsversuch wurde meistens frühzeitig erkannt und dann rücksichtslos im Keime erstickt. Der Kern der Partei mußte unversehrt erhalten werden. Es war dann ein leichtes, nach einer kommenden Wiederaufhebung des Verbots die ganze Organisation neu aufzubauen.

Unser Hauptaugenmerk mußte sich darauf richten, der verbotenen Partei Aufgaben und Ziele zu geben, sie zu beschäftigen und damit zu verhindern, daß innerhalb der einzelnen Gruppen im Mangel an täglicher Arbeit Gelegenheit gegeben wurde, durch Stänkereien und künstlich gemachte Krisen den ruhigen Fortgang unserer Tätigkeit zu bedrohen.

Der Ring, den wir mit fest organisierten Stützpunkten rings um Berlin gelegt hatten, schloß sich zusehends zu einer festen Kette zusammen. Wir hatten die nähere Umgebung der Reichshauptstadt in einer großen Angriffsfront zusammengschmiedet; es war uns damit möglich gemacht, uns jederzeit, wenn der Boden in Berlin zu heiß wurde, in die Provinz zurückzuziehen.




Kritische Augenblicke
Kritische Augenblicke
Jede große Weltanschauung wird, wenn sie mit dem vermessenen Willen auftritt, einmal die geistigen und kulturellen und letzten Endes auch materiellen Grundlagen eines Volksdaseins abzugeben, in ihrer Entwicklung vier Etappen durchzumachen haben. Es wird von der Art und Weise, wie sie es fertig bringt, die Mächte zu überwinden, die sich ihr in diesen vier Etappen entgegenwerfen, abhängen, ob sie wirklich berufen ist. Gar viele Ideen tauchen in der Geschichte der Menschheit auf. Manche Männer stellen sich in das Rampenlicht der Öffentlichkeit mit dem Anspruch, etwas für das Volk zu bedeuten und ihm etwas sagen zu können. Viele kamen und viele vergingen. Die Nachwelt aber nimmt keine Notiz von ihnen. Einzelne nur sind berufen, den Völkern neue Ideale zu geben, und das Schicksal ist dann gnädig genug, diese einzelnen schon früh zu zwingen, vor aller Öffentlichkeit unter Beweis zu stellen, daß sie nicht nur auserwählt, sondern daß sie berufen sind.

Jede große Bewegung fängt in der Anonymität an. An ihrem Beginn steht die Idee, die dem Kopf eines einzelnen entspringt. Es ist nicht an dem, als wäre der einzelne etwa der geniale Erfinder dieser Idee. Der einzelne wird nur vom Schicksal begnadet, das zu sagen, was das Volk dumpf fühlt und sehnsüchtig ahnt. Er gibt einem unverstandenen Trieb der breiten Masse Ausdruck. Man hat das ja selbst empfunden beim Heranzug unserer jungen Idee. Es ist dann meisten so, daß der Mann aus dem Volk sagt: "Das hab' ich immer geglaubt, gedacht und gemeint. Das ist ja das, was ich suche, was ich fühle und ahne."

Der einzelne wird berufen, und er verleiht nun der Sehnsucht und Ahnung der breiten Massen Ausdruck. Dann beginnt aus der Idee Organisation zu werden. Denn der einzelne, der der Idee das erlösende Wort gibt, wird ganz zwangsläufig das Bestreben haben, andere für seine Idee zu gewinnen, Vorsorge zu treffen, daß er nicht allein steht, hinter sich eine Gruppe, eine Partei, eine Organisation zu bringen. Gruppe, Partei und Organisation werden damit zur Dienerin der Idee.

Selbstverständlich wird die Mit- und Umwelt ihn vorerst gar nicht verstehen können; denn er rast ja mit seiner Idee der Zeit um ein paar Jahre oder Jahrzehnte voraus. Das, was er heute als paradox verkündet, wird ja erst in zwanzig Jahren oder noch später Trivialität sein. Er weist einem Volk den Weg, er ist es, der die Mitwelt aus dumpfen Niederungen auf neue Höhen führen will. Es ist erklärlich, daß die Gegenwart ihn nicht verstehen will und letzten Endes auch nicht verstehen kann. Die erste Gruppe der Trägerin der neuen Idee verharrt vorerst in der Anonymität. Und das ist auch gut so; denn das kleine Eichenpflänzchen, das da zum erstenmal schüchtern und verschämt sein Krönchen aus dem lockeren Erdreich hervorsteckt, könnte von einem einzigen unbedachten Schritt zerknickt und zertreten werden. Es hat noch nicht die Kraft, Widerstand zu leisten. Die Kraft sitzt noch in den Wurzeln; sie liegt vorerst nur in den Möglichkeiten, die das Pflänzchen besitzt und nicht in dem, was das Pflänzchen augenblicklich darstellt. Selbstverständlich ist es kleiner, bescheidener, unansehnlicher als die große Unkrautstaude. Das aber ist kein Beweis dafür, daß dies auch nach zehn Jahren noch so sein wird. Nach zehn Jahren, da diese Unkrautstaude längst zu Humus geworden ist, wird ein mächtiger Eichenstamm mit breit ausladenden Zweigen alles um sich herum überschatten.

Das Schicksal hat es weise gefügt, daß die Umgebung vorerst von diesem Eichenpflänzchen gar keine Notiz nimmt. Denn damit gibt es ihm die Möglichkeit, das zu werden, was seine Bestimmung ist. Die Natur sorgt immer dafür, daß Lebewesen, Menschen und Organisationen nur den Prüfungen unterworfen werden, die sie überstehen können.

Es ist gewiß für die ersten Träger einer jungen Idee ein fast unerträglicher Zustand, daß die Mitwelt gar keine Notiz von ihnen nimmt. Wer eine kämpferische Gesinnung in sich trägt, der liebt es, dem Feind vor die Klinge zu kommen, dem kann es recht sein, mit ihm zu raufen und zu streiten. Aber daß der andere ihn gar nicht sieht, gar keine Notiz von ihm nimmt, dieses beleidigende Außerachtlassen, das ist das Unerträglichste, was einem heldenhaften Charakter geschehen kann.

Die ersten Vorkämpfer, die für die junge Idee eintreten, sind selbstverständlich in den Anfangsphasen der Bewegung genau dieselben, die sie einmal später sein werden, wenn sie die Macht erobert haben. Denn nicht sie ändern sich, sondern sie ändern ihre Umwelt. Nicht Hitler hat sich geändert, sondern das Deutschland hat sich geändert, in dem er lebt.

Das Schicksal nun überprüft in dieser ersten Phase der Entwicklung, ob jener Mensch, der da mit dem vermessenen Ehrgeiz auftritt, Geschichte zu machen, auch stark genug ist, auf eine gewisse Dauer die Anonymität schweigend zu ertragen. Überwindet er sie, ohne an seiner Seele Schaden zu nehmen, dann wird das Schicksal ihn für die zweite Prüfung reif befinden. Denn nach einer gewissen Zeit wird die Bewegung die innere Kraft gewinnen, den Eisblock des sie einengenden geistigen Boykotts zu zerschmelzen. Sie findet dann Mittel und Wege, um sich der Umgebung bekanntzumachen; wenn nicht in Güte, dann in Haß. Wenn sie mich nicht lieben, dann sollen sie mich fürchten, aber wenigstens sollen sie mich kennen. Und dann tritt sehr bald der Augenblick ein, da die Öffentlichkeit gezwungen ist, von Idee und Organisation Notiz zu nehmen. Dann kann man einfach nicht mehr schweigen. Wenn das schon zum öffentlichen Gespräch geworden ist, wenn es die Spatzen von den Dächern pfeifen, dann können die feigen Gazetten auch nicht weiter in ihrer vornehmen Reserve bleiben. Dann müssen sie Stellung nehmen, so oder so.

Sie tun das zuerst in der ihnen gemäßen Art; denn sie sind der Überzeugung, daß die Praktiken, die in ihrer politischen Ebene gang und gäbe sind, auch vorbehaltlos und ohne Änderung der neuen Bewegung gegenüber angewendet werden können. Allerdings unterliegen sie da einem fundamentalen Irrtum, indem nämlich die junge Bewegung auf einer ganz anderen politischen Ebene verharrt, indem sie von ganz anderen geistigen Beweggründen herkommt, einen ganz anderen Stil in sich trägt und einen ganz anderen Typ repräsentiert. Es ist schlechterdings undenkbar, ihr mit Mitteln beizukommen, die bei ihren vereinten Gegnern wirksam und Mode sind. Der Feind muß dann zu seinem Schrecken erleben, daß alles das, was er glaubte der Bewegung zum Schaden und zum Verhängnis antun zu können, die Bewegung nur stärkt und festigt. Ja, es ist nachgerade so, daß die Kraft, die man der Bewegung entgegensezt, in der Bewegung selbst wieder aufgeht. Zuerst glaubte man, sie verlachen zu dürfen. Man stellte sie auf dieselbe Stufe mit irgendwelchen kinderhaften und naiven Versuchen auf religiösem und kulturellem Gebiet. Wir alten Nationalsozialisten erinnern uns noch genau der Zeit, wo wir ungefähr in der gleichen Linie mit der Heilsarmee rangierten; wo das Urteil allgemein über uns lautete: sie sind von anständigem Charakter, man kann ihnen auf Grund des Strafgesetzbuches nichts nachweisen. Es sind harmlose Irren, die man am besten sich selbst und ihrer eigenen Beschränktheit überläßt.

Das ist die zweite Entwicklungsphase: man schimpft nicht mehr, man lacht. Und es ist gut, daß man lacht. Würde der Feind jetzt kämpfen, dann hätte er vielleicht die Möglichkeit, die Bewegung zu ersticken. Aber während er lacht und dabei untätig bleibt, wird sie größer und größer, gewinnt an Kraft, Ausmaß und Leidenschaft. Ja, die Verfechter der Idee fühlen sich erst durch das Lachen des Gegners gestärkt. Es kommt der Ehrgeiz dazu. Ein jeder ist nur noch von dem glühenden Wunsch beseelt: "Wir werden euch das Lachen vertreiben!" Die höhnische Arroganz des Gegners stachelt nur in dem Anhänger der jungen Bewegung den Eifer an. Er wird nicht seine Idee im Stich lassen, weil man über ihn lacht, sondern er wird dafür sorgen, daß den Gegnern das Lachen vergeht.

Das ist die zweite Etappe. Und hört das Lachen auf, dann fängt man endlich an, die Bewegung zu bekämpfen, und zwar zuerst durch Lüge und Verleumdung. Es bleibt dem Gegner ja auch nichts anderes übrig; denn er kann der Programmatik einer neuen Weltanschauung keine besseren Argumente entgegensetzen. Was sollte beispielsweise eine bürgerliche Partei der nationalsozialistischen Bewegung an Ideen entgegenhalten können? Wie könnte etwa die SPD. uns gegenüber bestehen, wenn wir geistig die Klingen kreuzten? Das wissen sie auch sehr wohl. Sobald wir uns auf dem Podium in einer sachlichen politischen Auseinandersetzung messen, dann sind wir die Jugend und sie das Alter. Sie suchen deshalb geistig den Kampf nach Möglichkeit zu vermeiden und führen ihn mit Verleumdung und Terror. Und so ergießt sich nun über die Bewegung und ihre Führer ein Meer von Schmutz und Spülicht. Nichts ist gemein genug, man sagt es ihr und ihnen nach. Der Gegner findet jeden Tag eine neue Schauermär. Er saugt sich die Lügen sozusagen aus seinen schmutzigen Pfoten. Selbstverständlich wird das vorerst bei einer blöden und urteilslosen Masse Eindruck machen. Aber nur solange, als die Gegenseite in der Lage ist, die Masse davon zurückzuhalten, in unmittelbaren, persönlichen Kontakt zu der Bewegung und ihren Führern zu kommen. Ist das nicht mehr möglich, dann ist der Feind verloren; in dem Augenblick, in dem nun die so oft belogenen und betrogenen Massen Gelegenheit haben, durch eigenen Augenschein Bewegung und Führer kennenzulernen, erkennen sie den Unterschied zwischen dem, was man ihnen bisher vorlog und was die Bewegung in der Tat bedeutet. Jetzt fühlt sich die Masse beleidigt. Denn nichts erträgt das Volk unwilliger, als wenn man es hinter das Licht zu führen versucht. Zuerst kommt man mit Vorbehalten und inneren Hemmungen in unsere Versammlungen, muß sich dann aber selbst davon überzeugen, daß der Gegensatz zwischen dem, was man log, und dem, was Wirklichkeit, so schreiend ist, daß die Lüge vernichtend auf den Lügner zurückfällt.

Damit wird in der dritten Entwicklungsphase sehr bald aus der Verleumdung Verfolgung. Man stellt die Bewegung unter den Terror der Ämter und der Straße. Man versucht das, was man mit Verleumdungen nicht fertigbrachte, mit der Gewalt. Aber es ist die Tragik des Systems, daß es seine Mittel immer zu spät anwendet. Hätte es früher so verfahren, dann wäre es vielleicht damit zum Erfolg gekommen. Aber die Männer, die sich in der Anonymität und Verleumdung unter den Fahnen der Bewegung zusammengefunden haben, sind keine feigen Memmen; sonst hätten sie das, was sie bisher erdulden mußten, nicht ertragen können. Nur ganze Kerle haben die innere Kraft, sich einer feindlichen Welt entgegenzuwerfen und ihr ins Gesicht hineinzusagen: Lacht nur - nur Männer werden das ertragen können; verleumdet nur - ein feiger Mensch wird da wankelmütig. Er wird bei der breiten Masse stehenbleiben, er wird spucken, höhnen, grinsen und sich dumm machen lassen.

Unterdes aber hat sich unter die Standarten der Idee ein Korps von disziplinierten Kämpfern gestellt. Die wissen nicht nur ihren Verstand, sondern - wenn man ihr oder ihrer Bewegung Leben bedroht - auch die Faust zu gebrauchen. Stellt man sie unter blutigen Terror, jagt man sie durch die Ämter und durch die Gerichte, schickt man ihnen rote Mordkolonnen auf den Hals - man sollte glauben, daß Männer, die der Verachtung und der Verleumdung getrotzt haben, die gegen Lüge und Lächerlichkeit standhielten, nun gegen Gewalt schwach werden. Ganz im Gegenteil: An der Anwendung dieser Mittel durch den Gegner erkennt der Träger einer neuen Idee erst recht, daß er auf dem richtigen Wege ist. Würde man diese Mittel gegen ihn nicht anwenden, dann könnte er vielleicht hier und da Gefahr laufen, sich selbst in Verdacht zu nehmen, daß er in die Irre ging. Der Terror aber ist ihm ein Beweis dafür, daß der Feind ihn erkannt hat, daß er ihn haßt, und das nur, weil er ihn erkannt hat und weil er ihn fürchtet. In Blut wird eine Bewegung nur enger aneinandergekettet. Führer und Mann werden zusammengeschweißt. Aus ihnen wird nun mit einem Male ein unzertrennliches Gemeinschaftskorps, eine Phalanx von revolutionärer Gesinnung, gegen die man im Ernst nichts mehr unternehmen kann.

So war es bei allen revolutionären Aufständen der Vergangenheit, und so ist es auch bei der revolutionären Bewegung, der wir dienen. Sie ist da. Sie kann nicht einfach weggeleugnet werden. Sie hat ihre eigene Kraft und Idee, sie hat ihre geschlossene und disziplinierte Gefolgschaft. Sie wird ihren Weg unbeirrt weiter fortsetzen, vor allem dann, wenn sie ihr Ziel kristallklar erkannt hat und es niemals aus den Augen verliert, welche Umwege dahin sie auch immer machen mag und machen muß. Und am Ende wird dann der Gegner erkennen, daß seine Mittel erfolglos geblieben sind.

Unterdes hat sich auch die Gesinnung des Volkes geändert. Die Bewegung ist in den Jahren ihres erbitterten Kampfes nicht spurlos an der Volksseele vorbeigegangen. Sie hat weitergewirkt, sie hat die Massen mobilisiert und aktiviert, das Volk in Bewegung gebracht. Das deutsche Volk von heute kann nicht mehr verglichen werden mit dem Volk von 1918. Die Autoritäten des an der Macht befindlichen Systems sind gesunken. Und in eben demselben Maße, wie sie sanken, sind die Autoritäten, die die Opposition aufstellte, hochgestiegen. Was soll das heißen, wenn man uns Nationalsozialisten heute vor die Gerichte stellt. Das würde Erfolg haben, wenn das Volk zu diesen Gerichten noch mit demselben kindlichen Vertrauen aufschaute, wie etwa jener Müller von Sanssouci zum Berliner Kammergericht. Wenn der kleine Mann sich noch sagen könnte, die Gerichte sind Horte der Gerechtigkeit, und man würde dann von diesen Gerichten die Männer der Opposition zu schweren Strafen verurteilen lassen, dann hätten diese Strafen für das Volksempfinden etwas Schmähliches und Diffamierendes an sich. Aber wenn ein Gericht, das einen Barmat sozusagen freispricht, einen Nationalsozialisten zu schweren Gefängnisstrafen verurteilt, so hat das Volk dafür kein Verständnis. Dann sagt sich der kleine Mann: "Ach, das muß ja so sein. Entweder steckt man die Schieber oder man steckt die anständigen Menschen hinter schwedische Gardinen. Denn ebenso, wie der Schieber einen anständigen Menschen bedroht, bedroht der anständige Mensch einen Schieber."

Die Autoritäten des Systems sind gesunken. Das will das System zwar nicht einsehen, aber es muß das von Tag zu Tag mehr erfahren. Es kommt der Augenblick, da das Schwergewicht auf die Seite der Opposition fällt, da bei der Opposition das Volk steht und die Regierung sich vom Volk isoliert sieht. Damit ist der Kampf geistig schon entschieden, und er wird sehr bald auch machtpolitisch entschieden werden.

Nun hilft keine Verleumdung mehr; denn so, wie man die Bewegung verleumdet, verleumdet man die besten Teile des Volkes. Schmäht man ihre Führer, dann werden Millionen aufstehen und erklären: "Diese Männer sind unsere Männer. Und wer sie beleidigt, der beleidigt uns. Die Ehre dieser Männer ist unsere Ehre."

Das Volk empfindet dann: wo man einen Nationalsozialisten hinter Schloß und Riegel steckt, wo man einen Nationalsozialisten zu nachtschlafender Zeit aus seiner Wohnung verhaftet, da widerfährt ihm dasselbe, was jedem im Volk widerfährt, der seine Steuer nicht mehr bezahlen kann.

Der Endkampf ist entbrannt. Man kann die Bewegung nicht mehr totschweigen, man kann sie nicht mehr totlügen, man kann sie auch nicht mehr totschlagen. Wo man sie schlägt, da schreit das Volk "ich bin getroffen", und wo man einen Mann der Bewegung verleumdet, rufen Millionen "das sind wir". Wird einer der Gefolgschaftsleute auf dunkler Straße niedergeschossen, dann stehen die Massen auf und erklären drohend: "Des Toten Gesicht tragen heut hunderttausend Mann und sind Gericht."

Dann bleibt nur noch ein letztes Mittel übrig, und das besteht darin, daß der Feind bedingungslos kapituliert vor der geistigen Vormachtstellung der Opposition und sich nicht mehr anders zu helfen weiß, als daß er sich ihrer Idee bemächtigt - zwar nicht, um diese Idee zur Durchführung zu bringen, sondern um sie ins Gegenteil umzubiegen. In jedem Kopf stecken immer nur die ihm gemäßen Ideen. Wenn einer ein Menschenalter lang dem Pazifismus diente, dann kann er nicht plötzlich von einer kriegerischen Gesinnung erfüllt sein. Wenn einer zwanzig Jahre für die Demokratie kämpfte, dann wird er nicht über Nacht Aristokrat. Wer jahrzehntelang den Staat unterhöhlte und unterwühlte, der kann nicht plötzlich zur verantwortlichen Stütze des Staates werden. Er kann so tun als ob. Er kann sich in eine falsche Maske kleiden. Mit einem Male stellt sich nun der Sozialdemokrat, der zwölf Jahre lang dafür sorgte, daß das deutsche Volk narkotisiert wurde, wild gestikulierend vor die breiten Massen hin und schreit: Deutschland erwache! Mit einem Male erinnern sich diese alten Klassen- und Interessenhaufen wieder des Volkes. Sie nennen sich dann Volkspartei. Das ist unsere deutsche Tragik: wir haben drei Volksparteien, aber kein Volk mehr. Sie alle setzen vor ihre Namen das Wort "Volk". Wo ihr alter Name lädiert und kompromittiert ist, da schaffen sie ihn überhaupt ab und legen sich einen neuen zu. Jahrzehntelang kämpften sie unter der Flagge der Demokratie - und hat die Demokratie keine Zugkraft mehr, dann heißen sie plötzlich Staatspartei.

Sie bleiben dieselben; sie möchten nur gern mit neuen Schlagwörtern ihre alte Politik fortsetzen. Es sind dieselben faulen Köpfe, und in ihnen steckt dasselbe überlebte Gedankengut. Aber beim Volk vermag das nicht mehr zu wirken. Die alten Namen sind kompromittiert, und wo sie sich einen neuen Namen zulegen, da vergleicht das Volk sie mit jenen Menschensorten, die, wenn es schwül um sie wird, auch mit Vorliebe ihren Namen ändern. Das tun die Hochstapler und die Juden. Wenn einer als Meier im Verbrecheralbum steht, dann heißt er mit neuem Namen Müller. Und wenn einer als Mandelbaum aus Galizien kommt, dann heißt er in Deutschland Elbau.

Zwölf Jahre lang haben sie die Nation mit Füßen getreten, haben sie auf der Ehre des Volkes herumgetrampelt, haben sie das Vaterland bespuckt und verhöhnt und besudelt; und nun plötzlich erinnern sie sich wieder des leidgequälten Duldervolkes, nun sind sie mit einem Male stramme Patrioten und laufen Sturm gegen Vaterlandsverrat und Pazifismus. Sie sind für den Panzerkreuzer, für die Wehrhaftmachung des Volkes und erklären mit dem Brustton der Überzeugung, so wie es bisher ging, so könne es nicht weitergehen. Man müsse der Nation geben, was der Nation ist. Sie segeln unter falscher Flagge und sind jenen Piraten zu vergleichen, die Konterbande mit sich führen. Sie haben gar nicht die Absicht, das Volk zu erlösen, sie wollen nur den Aufstand des Volkes ihrem eigenen Parteikadaver dienstbar machen.

Aber schon bald werden sie erkennen, daß auch das vergeblich ist. Und nun verlieren sie ihre Ruhe. Sie geben ihre Selbstsicherheit auf. Und wenn der Mensch, vor allem der Jude, einmal Ruhe und Selbstsicherheit verloren hat, dann fängt er an, Dummheiten zu machen. Man sieht es ihm an, wie schlecht es ihm geht, und wenn er auch erhaben tut, wie bittere Zähren er vergießt. Er möchte gern den Goliath vor der Öffentlichkeit spielen. Er tut so, als ginge es ihm gut. Einer sagt es dem anderen: nur keine Angst haben, nicht nervös werden, nur keine Hitlerpsychose, es ist alles halb so schlimm. Sie schreien: "Wir haben keine Angst", aber es ist ihnen genau so wie bei jenem Jungen, der nachts durch einen finsteren Wald gehen muß und laut ruft: "Ich bin nicht furchtsam!", und so nur seine eigene Angst herunterschreien will.

Auch die nationalsozialistische Bewegung hat diese verschiedenen Phasen in ihrer Entwicklung durchmachen müssen, und zwar die Bewegung als Ganzes, wie auch die Bewegung in ihren einzelnen Unterorganisationen. Allüberall hat man versucht, sie totzuschweigen, totzulügen und totzuschlagen. Und heute schon gibt es in Deutschland keine andere Möglichkeit mehr, mit dem Nationalsozialismus fertig zu werden, als seine Gedanken und Forderungen zu okkupieren und damit gegen ihn zu Felde zu ziehen.

Die nationalsozialistische Bewegung in Berlin stand im Herbst 1927 am Wendepunkt zwischen der zweiten und dritten Phase dieser Entwicklung. Zwar versuchte man noch, sie in der Presse totzulügen; aber das war doch allzu sichtbar ein untauglicher Versuch am untauglichen Objekt. Nun ging man daran, sie totzuschlagen; jedoch in einem dreimonatigen Abwehrkampf hatte die Bewegung auch die drohende Gefahr dieses Versuches niedergebrochen, und jetzt gab es im Siegesmarsch dieser Partei kein Halten mehr. Der Nationalsozialismus hatte sich durchgepaukt. Er konnte dazu übergehen, seine Positionen auszubauen und nach Sprengung seine parteipolitischen Beengtheit neues Terrain zu gewinnen.


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