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Das Jahr 1936     (Forts.)
 34. 
Instruktion der britischen Regierung an ihren Botschafter
in Berlin vom 6. Mai 1936 (Britischer Fragebogen)

Herr Botschafter! Euerer Exzellenz dürfte bekannt sein, daß die Regierung Seiner Majestät im Vereinigten Königreiche seit einiger Zeit die Denkschriften über die Wiederbesetzung der entmilitarisierten Zone und die Friedensvorschläge der Deutschen Regierung sorgfältigst erwogen hat, die mir von dem verstorbenen Herrn von Hoesch am 7. März 1936 und von Herrn von Ribbentrop am 24. März und am 1. April 1936 übermittelt worden sind.

2. Eine solche Erwägung war natürlich unerläßlich angesichts der Bedeutung, die Seiner Majestät Regierung, wie Eurer Exzellenz bekannt ist, der Aufrichtung eines wahren und dauernden Friedens in Europa beimißt, der sich auf die Anerkennung der Gleichberechtigung und Unabhängigkeit eines jeden Staates, wie auch darauf gründet, daß jeder Staat die von ihm eingegangenen Verpflichtungen beachtet. Es ist der Wunsch der Regierung Seiner Majestät, jegliche in ihrer Macht liegende Anstrengung zu machen, um an der Förderung des Zieles mitzuarbeiten, das die Deutsche Regierung in der Denkschrift vom 31. März als "das große Werk der Sicherung des europäischen Friedens" bezeichnet. In Verfolgung dieses Zieles und um den Weg zu ergebnisreichen Verhandlungen frei zu machen, richte ich diese Weisung an Sie mit der Bitte, eine Rücksprache mit dem Herrn Reichskanzler herbeizuführen. Ihren Ausführungen wollen Sie eine Erklärung in diesem Sinne vorausschicken.

3. Eine Reihe der Vorschläge der Deutschen Regierung behandelt, wie Eure Exzellenz wissen, vorläufige Maßnahmen in der entmilitarisierten Zone, die bis zur Beendigung des ersten Abschnittes der allgemeinen Verhandlungen für den europäischen Frieden in Kraft bleiben sollen, die die Deutsche Regierung vorgeschlagen hat. In dieser Weisung beabsichtige ich nicht, auf diese vorläufigen Maßnahmen einzugehen, wenn Eure Exzellenz ja auch darüber im Bilde sind, daß Seiner Majestät Regierung bedauert, daß die Deutsche Regierung nicht imstande gewesen ist, einen greifbareren Beitrag zur [102] Wiederherstellung des Vertrauens zu leisten, das eine so wesentliche Vorbedingung für die umfassenden Verhandlungen ist, die sie beide ins Auge gefaßt haben.

4. Im Laufe meiner Besprechung mit Herrn von Ribbentrop am 2. April habe ich Seiner Exzellenz mitgeteilt, daß Seiner Majestät Regierung die in der deutschen Denkschrift vom 31. März (die mir am 1. April übermittelt worden war) im Hinblick auf die Zukunft gemachten Vorschläge für sehr wichtig und einer ernsthaften Prüfung würdig erachtet. Diese Prüfung ist nun bereits weit vorgeschritten; aber Seiner Majestät Regierung stößt bei ihrer Fortsetzung auf Schwierigkeiten, solange sie nicht mit der Deutschen Regierung (wie bereits in dem Genfer Kommuniqué vom 10. April angedeutet worden ist) eine Reihe von Punkten der drei Denkschriften eingehender erörtern kann, vor allem der Denkschriften vom 24. und 31. März. Seiner Majestät Regierung ist davon überzeugt, daß die Deutsche Regierung ihre Ansicht teilt, daß die größtmögliche Klarheit erwünscht ist, ehe allgemeine Verhandlungen beginnen können, damit nicht später etwa Mißverständnisse das vertrauensvolle Zusammenarbeiten der europäischen Mächte beeinträchtigen. Denn es ist die aufrichtigste Hoffnung Seiner Majestät Regierung, daß das vertrauensvolle Zusammenwirken durch die vorgeschlagenen Verhandlungen gefördert werden möge, und sie ist davon überzeugt, daß die Deutsche Regierung diese Hoffnung teilt.

5. In den deutschen Denkschriften vom 24. und 31. März kommt eine Reihe von Stellen vor, die Seiner Majestät Regierung in einem gewissen Zweifel darüber lassen, wie sich die Deutsche Regierung die Grundlage denkt, auf der die zukünftige Regelung fußen soll.

6. Der erste Punkt, dessen Klarstellung wünschenswert ist, ist die Frage, ob sich das Deutsche Reich nunmehr in der Lage sieht, "wirkliche Verträge" abzuschließen.

In Abschnitt 1, Absatz 2 der Denkschrift der Deutschen Regierung vom 24. März 1936 sind Stellen enthalten, die offenbar andeuten, daß die Deutsche Regierung der Ansicht ist, durch ihr Vorgehen im Rheinland diese Lage geschaffen zu haben. Andererseits sind in Abschnitt 2 der Denkschrift vom 24. März Stellen enthalten, die anders ausgelegt werden könnten, was die Regierung Seiner Majestät von sich aus aber nicht tun möchte. Es ist selbstverständlich klar, daß Verhandlungen über einen Vertrag zwecklos wären, wenn eine der Parteien später die Freiheit für sich in Anspruch nähme, die von ihr eingegangene Verpflichtung mit der Begründung zu verleugnen, sie sei damals nicht in der Lage gewesen, einen bindenden Vertrag abzuschließen. Die Regierung Seiner Majestät wird eine klare Stellungnahme der Deutschen Regierung begrüßen, die jede Ungewißheit über diesen Punkt ausräumt.

7. Wenn die in Abschnitt 6 der Denkschrift der Deutschen Regierung vom 31. März angeführte Folgerung allgemein gelten soll, so könnte dies zu Zweifeln darüber Anlaß geben, wie die Deutsche Regierung über das weitere Inkraftbleiben der übrigen noch gültigen [103] Bestimmungen des Vertrages von Versailles und schließlich auch aller Vereinbarungen denkt, von denen gesagt werden könnte, daß sie auf die Bestimmungen des Vertrages von Versailles zurückgehen. Die Regierung Seiner Majestät möchte über die in dem erwähnten Abschnitt enthaltene historische Auslegung der Ereignisse nicht streiten und will deshalb ihre eigenen Ansichten hier nicht aussprechen. Sie muß aber natürlich klar zum Ausdruck bringen, daß es ihr nicht möglich ist, den von der Deutschen Regierung in dem erwähnten Abschnitt ausgesprochenen Ansichten zuzustimmen.

8. Abschnitt 4 der Denkschrift vom 31. März bietet einen weiteren Anlaß zu Zweifeln. Es heißt in diesem Abschnitt, "die Deutsche Regierung habe vom deutschen Volk ein feierliches Generalmandat erhalten zur Vertretung des Reiches und der deutschen Nation" zur Durchführung einer Politik, die unter allen Umständen "seine Freiheit, seine Selbständigkeit und damit seine Gleichberechtigung" wahrt. Anscheinend wird zwischen Reich und deutschem Volk ein Unterschied gemacht. Die Frage ist in Wirklichkeit die, ob Deutschland der Ansicht ist, daß nunmehr ein Abschnitt erreicht ist, an dem es erklären kann, daß es die bestehende gebietsmäßige und politische Ordnung Europas anerkennt und zu achten beabsichtigt, soweit diese nicht später im Wege freier Verhandlung und Übereinkunft abgeändert werden sollte.

9. Ich gehe nunmehr zu anderen Dingen über. Die Denkschrift vom 31. März erwähnt in Abschnitt 22, Ziffer 13 "den Abschluß eines Luftpaktes als Ergänzung und Verstärkung dieser (westeuropäischen) Sicherheitsabmachungen". Im Frühjahr 1935 glaubte man, die Deutsche Regierung vertrete die Ansicht, daß die Verhandlungen über einen Luftpakt nicht durch den Versuch erschwert werden sollten, gleichzeitig ein Abkommen zur Begrenzung der Luftstreitkräfte abzuschließen. Seitdem scheint sich eine etwas widerspruchsvolle Lage ergeben zu haben. In der Reichstagssitzung vom 21. Mai 1935 erwähnte Herr Hitler die Möglichkeit eines Abkommens zur Begrenzung der Luftwaffe auf der Grundlage einer Parität der Großmächte im Westen, unter der Voraussetzung, wie wir annahmen, daß die Entwicklung der Luftwaffe Sowjetrußlands keine Änderung nötig machen wird.

Die Rede des Herrn Reichskanzlers vom 21. Mai 1935 wurde nach der Unterzeichnung des französisch-sowjetrussischen Vertrages gehalten, und doch teilte er Eurer Exzellenz im Dezember 1935 mit, daß dieser Vertrag eine Begrenzung der Luftwaffe unmöglich gemacht habe. Eine Entscheidung, die dahin ginge, eine regionale Begrenzung der Luftstreitkräfte nicht gleichzeitig mit dem Abschluß eines Luftpaktes im Westen zu versuchen, würde von Seiner Majestät Regierung sehr bedauert werden. Die in Abschnitt 2 der deutschen Denkschrift enthaltene Erklärung, daß die Ergebnisse des unlängst auf dem engeren Gebiete der Seerüstung abgeschlossenen Vertrages die Deutsche Regierung beeindruckt haben, ermutigt Seiner Majestät Regierung zu der Hoffnung, daß die Deutsche Regierung ihr in diesem Punkte beipflichten wird.

[104] 10. Seiner Majestät Regierung begrüßt es, daß die Deutsche Regierung in der Denkschrift vom 31. März, Abschnitt 22, Ziffern 10 und 14 den Abschluß von Nichtangriffspakten zwischen Deutschland einerseits und Frankreich, Belgien und möglicherweise Holland andererseits vorschlägt. Seiner Majestät Regierung nimmt Kenntnis davon, daß die Deutsche Regierung damit einverstanden ist, daß diese Pakte von Garantieverträgen begleitet werden. Die genaue Fassung dieser Verträge muß den Verhandlungen über die Einzelheiten vorbehalten bleiben.

Seiner Majestät Regierung nimmt auch Kenntnis von dem in Abschnitt 22, Ziffer 17 gemachten Vorschlage von Nichtangriffsverträgen zwischen Deutschland und den an der deutschen Südost- und Nordostgrenze gelegenen Staaten. Seiner Majestät Regierung erlaubt sich, an die allgemeine Grundlinie für solche Verträge zu erinnern, wie sie von Freiherrn von Neurath am 26. März 1935 in Berlin Sir John Simon dargelegt worden ist. Sie würde es begrüßen zu erfahren, ob nach Ansicht der Deutschen Regierung die erwähnten Pakte sich im allgemeinen an diese Grundlinie halten sollen, und ob sie damit einverstanden ist, daß diese Pakte ebenfalls durch Abmachungen über gegenseitige Unterstützung garantiert werden können.

Die Erklärung, die die Deutsche Regierung hinsichtlich der Bereitschaft Deutschlands zum Wiedereintritt in den Völkerbund abzugeben in der Lage war, ermöglicht der Regierung Seiner Majestät die Annahme, daß die Frage der Übereinstimmung der vorgeschlagenen Nichtangriffspakte mit den Verpflichtungen als Völkerbundmitglieder keinen Anlaß zu Schwierigkeiten bieten wird, und daß die Durchführung dieser Verträge sich im Rahmen der Völkerbundsatzung vollziehen wird.

Noch zwei weitere Punkte erfordern Aufmerksamkeit. Der erste betrifft die Bedeutung der Worte "Staaten an Deutschlands Südost- und Nordostgrenze". Die Regierung Seiner Majestät kann sich dem Eindruck nicht verschließen, daß die allgemeine Regelung sehr erheblich erleichtert werden würde, wenn es der Deutschen Regierung möglich wäre, diese Worte so aufzulegen, daß sie neben den unmittelbar an Deutschland angrenzenden Staaten mindestens auch die Sowjetunion, Lettland und Estland einschließen. Seiner Majestät Regierung gestattet sich, in diesem Zusammenhang daran zu erinnern, daß die Deutsche Regierung sich in ihrer Denkschrift vom 26. März 1935 bereit erklärt hat, mit den "an den osteuropäischen Fragen interessierten Mächten" Nichtangriffspakte zu schließen.

Der zweite Punkt betrifft Nichteinmischung in die Angelegenheiten anderer Staaten im Gegensatz zu Nichtangriff. Seiner Majestät Regierung erinnert sich mit Befriedigung der Erklärung des Herrn Reichskanzlers im Reichstag am 21. Mai 1935, daß die Deutsche Regierung "jederzeit bereit sei, einer internationalen Vereinbarung zuzustimmen, die in einer wirksamen Weise alle Versuche einer Einmischung von außen in andere Staaten unterbindet und unmöglich macht".

11. In Abschnitt 22, Ziffer 19 "schlägt Deutschland vor, ein inter- [105] nationales Schiedsgericht zu bilden, das für die Einhaltung dieses Vertragswerkes zuständig sein soll". Vermutlich sind hiermit die in Abschnitt 22, Ziffern 9, 10, 11, 12, 13, 14 und 17 erwähnten Vereinbarungen gemeint. Es wäre wünschenswert zu erfahren, welches ganz allgemein die Aufgaben und die Zusammensetzung des vorgeschlagenen Schiedsgerichtes sein sollen, und in welcher Beziehung seine Aufgaben zu denen des Völkerbundrates und des Ständigen Internationalen Gerichtshofes stehen sollen.

Angesichts der Ankündigung von Deutschlands Bereitschaft zur Rückkehr in den Völkerbund wird die Deutsche Regierung gewiß bereit sein anzugeben, wie ihre künftige Einstellung gegenüber dem Ständigen Internationalen Gerichtshof sein wird (besonders in bezug auf die Fakultativklausel) und gegenüber den verschiedenen Bestimmungen über Schiedsgerichtsbarkeit, Schlichtungsverfahren oder gerichtliche Regelung, die in Verträgen enthalten sind, an denen Deutschland beteiligt ist.

12. Ich bitte Eure Exzellenz, wenn Sie mit dem Herrn Reichskanzler sprechen, die in dieser Weisung aufgeworfenen Fragen mit ihm zu erörtern und ihm einen Abdruck davon zu übergeben. Euer Exzellenz wollen dabei bemerken, daß diese Ausführungen nicht erschöpfend sind. Es liegen noch andere Fragen vor, die zu einem späteren Zeitpunkt zur Sprache gebracht werden müssen; und bevor Deutschlands Rückkehr in den Völkerbund zur Erörterung kommt, wird die Deutsche Regierung es gewiß auch für wünschenswert halten, die Worte "Trennung des Völkerbundstatutes von seiner Versailler Grundlage" in Abschnitt 22, Ziffer 18 näher zu erläutern. Für den Augenblick hält Seiner Majestät Regierung es für besser, nur die Punkte zu behandeln, die unbedingt geklärt werden müssen, bevor die allgemeinen Verhandlungen eröffnet werden, die sie, wie oben dargelegt worden ist, aufrichtig zu fördern wünscht.

(E: Cmd. 5175. Nr. 3. - D: DNB. vom 8. Mai 1936.)

Die Reichsregierung hat es selbstverständlich nicht für nötig befunden, Fragen zu beantworten, die zum Teil nur als eine bewußte Herausforderung verstanden werden konnten, zum weiteren Teil in den Reden des Führers bereits mehrfach in bündigster Form beantwortet worden waren. Infolgedessen kamen die Westpaktverhandlungen mit der Übergabe des britischen Fragebogens zunächst ins Stocken.

Noch einmal kam es im Jahre 1936 zu einer deutsch-englischen Auseinandersetzung über Bestimmungen des Versailler Diktates. Durch eine an die in den internationalen Stromkommissionen für Rhein, Donau, Elbe und Oder vertretenen Regierungen gerichtete Note vom 14. November 1936 erklärte die Reichsregierung, daß sie die im Versailler Vertrag enthaltenen Bestimmungen über die auf deutschem Gebiet befindlichen Wasserstraßen und die auf diesen Bestimmungen beruhenden internationalen Stromakte nicht mehr als für sich verbindlich anerkenne. Sie führte in ihrer Note aus, daß in Versailles im Widerspruch mit dem Grundgedanken der Freiheit der Schiffahrt auf allen Wasserstraßen und der gleichen [106] Behandlung aller im Frieden lebenden Staaten auf diesen Wasserstraßen einseitig zum Nachteil Deutschlands ein künstliches und den praktischen Bedürfnissen der Schiffahrt zuwider laufendes System geschaffen worden sei, das Deutschland eine dauernde internationale Überwachung seiner Wasserstraßen aufzuzwingen suchte, indem es die deutschen Hoheitsrechte mehr oder weniger auf internationale Kommissionen unter weitgehender Mitwirkung von Nichtuferstaaten übertrug. Sie betonte, daß Deutschland sich auf das ernsthafteste bemüht habe, diese unerträgliche Regelung durch anderweitige Vereinbarungen zu beseitigen. Die deutschen Bevollmächtigten in den Kommissionen hätten in langwierigen Verhandlungen versucht, spätestens bis zum 1. Januar 1937 einen Zustand herzustellen, der mit dem deutschen Standpunkt verträglich gewesen wäre. Ein Erfolg sei diesen Bemühungen versagt geblieben, weil die anderen beteiligten Mächte sich nicht hätten entschließen können, ein System aufzugeben, das in seinen Grundlagen mit den deutschen Hoheitsrechten unvereinbar sei.

Die britische Antwort auf diesen deutschen Schritt entsprach wiederum ganz der auch in der Frage der Wiederbesetzung des Rheinlandes angewandten Taktik: Man konnte die innere Berechtigung des deutschen Vorgehens nicht leugnen, glaubte sich aber über die dabei angewandten Methoden beschweren zu müssen. Diese für die britische Politik bezeichnende Grundhaltung hat viel dazu beigetragen, daß auch bei der Liquidierung derjenigen Fragen des Versailler Vertrags, in denen englische Interessen nicht oder kaum berührt wurden, eine freundschaftliche Regelung mit England nicht möglich war.


 35. 
Unterhauserklärung des britischen Außenministers Eden
vom 16. November 1936

Am 14. November ging eine Note von der deutschen Botschaft ein, in der erklärt wurde, daß die deutsche Regierung sich nicht länger gebunden erachte an diejenigen Artikel des Versailler Vertrages, die sich auf die Internationalisierung der Flüsse und die Verwaltung des Nordostseekanals beziehen, noch an irgendwelche internationalen Abkommen, die daraus abgeleitet sind. Die Note rechtfertigt diesen Schritt damit, daß die fraglichen Artikel Deutschland aufgezwungen und nicht frei verhandelt worden seien. Die Note schließt aber mit der Feststellung, daß in Zukunft die Fahrzeuge aller Staaten, die mit Deutschland in Frieden leben, auf deutschen Wasserstraßen unter der Voraussetzung der Gegenseitigkeit die gleiche Behandlung erfahren werden wie die deutschen; die deutschen Strombehörden würden bereit sein zur Erörterung und zum Abschluß eines Abkommens mit den entsprechenden Behörden der anderen Uferstaaten über Angelegenheiten von allgemeinem Interesse. Die deutsche Regierung führt auch Klage darüber, daß ihre Vertreter seit dem Kriege noch nicht wieder zu der Europäischen Donau-Kommission, die die Mündung dieses Flusses kontrolliert, zugelassen worden seien.

[107] Folgende Stromkommissionen werden von dieser Erklärung berührt: die Internationale Donau-Kommission, die Zentralkommission für den Rhein, die Internationale Kommission für die Elbe und die Internationale Kommission für die Oder. Die Regierungen Seiner Majestät und Frankreichs sind ebenso wie die Uferstaaten in allen diesen Kommissionen vertreten, und Italien in allen außer in der Oder-Kommission.

Die deutsche Regierung hat seit der Unterzeichnung des Vertrages von Versailles bei vielen Gelegenheiten zum Ausdruck gebracht, daß sie in zahlreicher Hinsicht mit der durch die Friedensverträge eingesetzten internationalen Stromverwaltung unzufrieden sei; aber am 21. Mai 1935 erklärte der deutsche Reichskanzler öffentlich in bezug auf die verbleibenden Artikel des Vertrages, einschließlich derjenigen, die sich auf die internationalen Flüsse und den Nordostseekanal beziehen: "Die deutsche Regierung wird die im Wandel der Zeiten unvermeidlichen Revisionen nur auf dem Wege einer friedlichen Verständigung durchführen." Diese Erklärung wurde dem britischen Botschafter in Berlin am 31. Mai 1935 bestätigt.

Seit vielen Jahren haben langwierige Verhandlungen stattgefunden, die zum Ziele hatten, die deutschen Wünsche mit den Interessen der anderen in Betracht kommenden Mächte auszusöhnen. Die Verhandlungen führten zu beachtenswerten Erfolgen, z. B. wurde im letzten Mai ein Abkommen von allen in Betracht kommenden Mächten, einschließlich Deutschlands, aufgesetzt, das die Schiffahrt auf dem Rhein regulierte; die Niederlande, die noch gewisse Bedenken rein technischer Art hatten, schlossen sich aus. Das Abkommen würde trotz des Fernbleibens der Niederlande am 1. Januar in Kraft getreten sein, vermöge des modus vivendi, den Deutschland jetzt gekündigt hat. Weiterhin führten direkte Verhandlungen zwischen der deutschen und der tschechoslowakischen Regierung kürzlich zu einem Abkommen über die Elbe, das, wie man gehofft hatte, in aller Kürze in Kraft treten sollte.

Unter diesen Umständen bedauert die Regierung Seiner Majestät, daß die Deutsche Regierung zu einem Zeitpunkt, in dem Verhandlungen stattfanden, und trotz ihrer im letzten Jahre gegebenen Versicherungen wiederum den Weg der Verhandlungen verlassen hat zugunsten einer einseitigen Aktion. Dieses Bedauern entspricht nicht der Furcht, daß irgendwelche britischen Handelsinteressen durch den Schritt der deutschen Regierung gefährdet worden sind, sondern wird veranlaßt durch die Tatsache, daß derartige Handlungen die Handhabung der internationalen Beziehungen schwieriger gestalten müssen.

(E: Parliamentary Debates. House of Commons. Bd. 317, Sp. 1334f. - D: Berber, Versailles, S. 1480ff.)

Als ein weiterer, häufig nicht genügend beachteter deutscher Beitrag zur Flottenverständigung erfolgte im November 1936 der Beitritt Deutschlands zum Londoner U-Boot-Protokoll vom 6. November 1936. Es ist ganz offensichtlich, daß dieses Protokoll, das eine weitgehende Einschrän- [108] kung der U-Boot-Kriegführung zur Folge haben mußte, eine Vereinbarung darstellte, die am weitesten den Interessen Englands - des geschworenen Feindes der U-Boot-Waffe - entgegenkam. Wie nicht anders zu erwarten war, ist dieser wichtige deutsche Beitrag zum Werk der Flottenverständigung mit England jedoch kaum jemals in einem seiner Bedeutung entsprechenden Maße gewürdigt worden.


 36. 
Note der Reichsregierung vom 23. November 1936
über den Beitritt Deutschlands zum U-Boot-Protokoll

In einer Mitteilung vom 9. d. M. hat der Königlich Britische Botschafter in Berlin dem Reichsminister des Auswärtigen Abschrift eines am 6. November 1936 in London unterzeichneten Protokolls über die Regeln der Unterseebootkriegführung gemäß Teil IV des Londoner Vertrages vom 22. April 1930 übersandt und dabei namens seiner Regierung der Hoffnung Ausdruck verliehen, die Deutsche Regierung werde den genannten Regeln beitreten. Diese Regeln lauten:

"1. Bei ihrem Vorgehen gegen Handelsschiffe müssen Unterseeboote sich nach den Bestimmungen des Völkerrechts richten, welchen Überwasserschiffe unterworfen sind.

2. Insbesondere darf, mit Ausnahme des Falles der fortgesetzten Weigerung zu stoppen, nachdem die ordnungsmäßige Aufforderung hierzu ergangen ist, oder des tatsächlichen Widerstandes gegen Besichtigung oder Untersuchung, ein Kriegsschiff, ob Überwasserschiff oder Unterseeboot, ein Handelsschiff nicht versenken oder zur Seefahrt untauglich machen, ohne vorher die Passagiere, die Bemannung und die Schiffspapiere an einen sicheren Ort gebracht zu haben. Für diesen Zweck werden die Boote des Schiffes nicht als ein sicherer Ort angesehen, es sei denn, daß die Sicherheit der Passagiere und der Bemannung bei den herrschenden See- und Wetterverhältnissen durch die Nähe von Land oder durch die Anwesenheit eines anderen Schiffes, welches in der Lage ist, sie an Bord zu nehmen, gewährleistet ist."

Die Deutsche Regierung hat anläßlich der deutsch-englischen Flottenverhandlungen in der Zusammenfassung den Besprechungen zwischen den deutschen und englischen Flottensachverständigen am 23. Juni 1935 ihre Bereitwilligkeit erklärt, den Bestimmungen über den Unterseebootkrieg des Teiles IV des Londoner Seerüstungsvertrages beizutreten.

Demgemäß beehre ich mich, im Auftrage meiner Regierung zu erklären, daß die Deutsche Regierung den oben wiedergegebenen Regeln beitritt und diese als vom heutigen Tag ab für sie verbindlich annimmt.

von Ribbentrop
(DNB. vom 23. November 1936.)

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Deutschland-England 1933-1939
Die Dokumente des deutschen Friedenswillens
Hg. von Prof. Dr. Friedrich Berber