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Bd. 8: Die Organisationen der Kriegführung, Dritter Teil:
Die Organisationen für das geistige Leben im Heere

[328] Kapitel 6: Fürsorge für die Gefallenen und die Kriegsgräber
Regierungsrat Major a. D. Rudolf Schumacher

Ehrung der in den Tod für das Vaterland gegangenen Helden war von jeher deutsche Sitte. Die Vorfahren errichteten in der Urzeit den gefallenen Kriegern gewaltige Bauten, und noch jetzt leuchten die Hünengräber der norddeutschen Tiefebene, aus riesigen Findlingsblöcken getürmt, weithin ins Land. Die Steinbeile und andere Feuersteinwaffen, die sich in den Begräbnisstätten finden, künden den kriegerischen Geist der Führer und Vorkämpfer, die so geehrt werden sollten. Erst nachdem unter dem Einfluß der römischen Legionen römische Kultur in deutschen Gauen Eingang gefunden hatte, erstanden die ersten künstlerisch ausgeführten Grabsteine deutscher Krieger. Diese Art der Kriegerehrung erschien den rauhen Germanen aber noch lange Zeit als reichlich unwürdig und als eine nicht hinreichende Ehrung ihrer großen Führer. Für Alarich leiteten die Goten den Busento ab, um seine Leiche im Flußbett zu versenken, dem König Theoderich errichteten sie auf den Katalaunischen Feldern einen gewaltigen Hügel. Als sich dann in den Landsknechten ein eigentlicher Soldatenstand herausbildete, kamen allmählich die Formen des einen jeden im Kampf gefallenen tapferen Krieger ehrenden Soldatenbegräbnisses auf. Es war nicht mehr lediglich Heldenehrung, die nur den Tapfersten und den Führern gezollt wurde. So entstanden auf einzelnen Schlachtfeldern der Vergangenheit die ersten prächtigen Kriegerfriedhöfe. Bei Prag und bei Leipzig bewahren noch heute sorgsam gepflegte Grabanlagen das Andenken an die gefallenen Krieger aus dem Siebenjährigen und dem Befreiungskriege. Immerhin waren noch in jener späteren Zeit derartige reinen Kriegerfriedhöfe eine Seltenheit. Im umfangreichen Maße ist die Anlegung von großen Kriegerfriedhöfen erst auf den Schlachtfeldern nach 1870 erfolgt.

Der kulturellen Bedeutung, wie sie dem deutschen Kriegergrab nach dem Weltkriege beizumessen ist, wurde jedoch auch nach 1870 noch wenig Beachtung geschenkt. Niemand hatte an eine solche Dauer des Krieges und eine so ungeheure Ausdehnung des Kriegsschauplatzes gedacht, niemand derartig erschreckende [329] Zahlen der Opfer für möglich gehalten. So kam es, daß die Mobilmachungsvorarbeiten wie auch der Unterricht zur Vorbereitung der Truppe für den Krieg dem Kriegergrab und der Frage nach allem dem, was mit den toten Kriegern zu geschehen habe, vor Ausbruch des Weltkrieges verhältnismäßig wenig Beachtung geschenkt haben.

Gemäß Bestimmung der Kriegssanitätsordnung wurde bei der Mobilmachung zur Sammlung und Mitteilung von Nachrichten über Verwundete, Kranke, Tote und Vermißte das "Zentralnachweisbureau" als eine selbständige Abteilung des preußischen Kriegsministeriums errichtet. Im "Genfer Abkommen" vom Jahre 1906 war die internationale Übereinkunft erreicht, durch welche die kriegführenden Nationen zum Nachrichtenaustausch über das Schicksal der in Kriegsgefangenschaft geratenen Heeresangehörigen verpflichtet waren. Jede Kriegspartei sollte danach sobald als möglich die bei den Gefallenen aufgefundenen militärischen Erkennungsmarken und Beweisstücke der Identität sowie ein Namenverzeichnis der von ihr aufgenommenen Verwundeten und Kranken deren Landesbehörden oder den Dienstbehörden ihres Heeres übermitteln. Sie sollten sich über die vorkommenden Sterbefälle gegenseitig auf dem laufenden halten. Ferner sollten sie alle zum persönlichen Gebrauch bestimmten Gegenstände, Wertsachen, Briefe usw., die auf dem Schlachtfelde gefunden oder von den in Sanitätsanstalten und -formationen sterbenden Verwundeten und Kranken hinterlassen wurden, sammeln, um sie durch deren Landesbehörden den Berechtigten übermitteln zu lassen.

Über die Bestattung der Toten besagten die Friedensbestimmungen im wesentlichen lediglich in der Kriegssanitätsordnung und in der Krankenträgerordnung, daß jeder Truppenteil nach dem Gefecht ohne höhere Anordnung dazu verpflichtet sei, das Schlachtfeld nach Verwundeten abzusuchen und für die Beerdigung der Toten zu sorgen. Personal der Sanitätskompagnien solle beigegeben werden können.

Diese Maßnahmen erwiesen sich in der Praxis bald als nicht ausreichend und nur zum Teil durchführbar bei der noch in keinem Kriege dagewesenen Zahl der Toten und der ungeheuren Geschwindigkeit der vorrückenden deutschen Truppen.

In der ersten Zeit des Bewegungskrieges war es der fechtenden Truppe selbst nur sehr vereinzelt möglich, den eigenen Toten die letzte Ehre zu erweisen. Hart war es, den zu Tode getroffenen Kameraden seinem Schicksal überlassen zu müssen, ihm nicht den letzten Freundschaftsdienst, die letzte Ehre erweisen zu können. "Kann dir die Hand nicht geben, dieweil ich eben lad', bleib du im ew'gen Leben mein treuer Kamerad." Manchem sterbenden Krieger hat die im Volkslied besungene alte Soldatenpflicht die letzten Stunden schwer gemacht, wenn das Vorwärtsgehen des Gefechts ihm den Trost und letzten Liebesdienst des treuen Kriegsgefährten vorenthielt. Dort, wo der Tod sie auf dem Schlacht- [330] feld traf, wurden sie, gleich ob Offizier oder einfacher Soldat, bestattet, meist von den Sanitätsformationen, vielfach erst später bei dem Durchqueren der Schlachtfelder von den nachfolgenden Kolonnen unter Heranziehung der Ortseinwohner. Ein einfaches Kreuz, aus Holzlatten roh gezimmert, darüber der Helm, von der Hand eines Kameraden mit Bleistift der Name. Das war das übliche Bild. Blieb in jener ersten Zeit des unaufhaltsamen Vordringens den nachfolgenden Kolonnen nur einige Zeit zur Rast, so galt es gleich als selbstverständliche Liebespflicht, die in der Nähe gelegenen Grabstätten zu festigen und zu sichern, die Namen und Inschriften zu verstärken.

Erst der Stellungskrieg gab die Möglichkeit, dem Kriegergrab größere Sorgfalt zukommen zu lassen. Der ruhende Teil der fechtenden Truppe erhielt jetzt Gelegenheit, die Gräber seines Bezirks selbst zu betreuen. Im engeren Truppenverbande gewann die Mühewaltung für die Toten und ihre Ruhestätten ein viel persönlicheres Gepräge. Bis in die kleinsten Verbände hinab suchten die Soldaten jetzt ihren Kameraden in nächster Nähe ihres Standortes oder ihrer Stellung eine möglichst schöne Gräberanlage zu schaffen. Gewärtig, täglich selbst das Los der vorangegangenen Kameraden zu teilen, war es ihnen ein Trost, zu wissen, daß auch ihnen treue Freundeshände ein Ehrenmal errichten würden. Der Gedanke war ihnen eine Beruhigung, daß die Kameraden und Vorgesetzten Berichte in die Heimat schicken würden, die den Eltern, der Frau, der Braut oder den Kindern Kunde brachten über die letzten tapferen Taten. Es wurde ihnen zum stolzen Bewußtsein, daß ihr Grab dort draußen im Feindesland dem Heimatdorfe eine bleibende Ehrenstätte bedeuten würde. Keiner hatte damals den Wunsch, in die Heimat zurückgeführt zu werden. Sie waren stolz in dem Gedanken, am Ort der Ruhmestat ihres tapferen Regiments vereint ein Ehrenmal zu erhalten, das in der Geschichte bleibende Erwähnung finden würde, und das nach siegreicher Beendigung des Krieges die Angehörigen und Bekannten in Treue und Stolz besuchen würden.

Kriegergrab in den Dünen von Ostende.
[328a]      Kriegergrab in den Dünen von Ostende.

So entstanden in jener Zeit, als noch die Eigenart jedes einzelnen sich in der Herrichtung unbeeinflußt auswirkte, die ergreifendsten Kriegergedenkstätten. Natürlich war die Art der Bestattung und die Ausschmückung der Gräber sehr verschieden und abhängig von der Nähe des Feindes und seinem Feuer. Doch vermochte die Gefahr weder Führer noch nächste Kameraden abzuhalten, selbst dicht am Schützengraben unter dem Schutze des Dunkels der Nacht an das offene Grab heranzutreten, um den Toten mit stillem Gebet der Erde zu übergeben. Die Fürsorge für die Gräber fand die mannigfaltigsten Ausdrücke der Treue und Kameradschaft über das Grab hinaus. Jeder wollte nach seinem Können und seinem Geschmack sein Bestes dazu beitragen. Welcher Kriegsteilnehmer wird sich nicht derartiger Beweise rührender Anhänglichkeit und Sorge um die Gräber in jener ersten Zeit entsinnen? Sie sind niedergelegt in zahllosen Feldbriefen an die Heimat. Ein Beispiel aus dem Briefe eines höheren Offiziers über seine [331] Beobachtung der Soldatentreue:

      "Im siegreichen Gefecht bei ...... starb unter andern auch der Unteroffizier Ch. Br. den Heldentod. Nach jenem Gefecht begegnete mir öfters auf der Chaussee ein Soldat mit blühenden Blumentöpfen im Arm. Nun habe ich auch gefunden, wohin dieser stille, treue Mann sie trug. Dicht am nördlichen Dorfrande liegt ein einsames, mit rührender Liebe und Sorgfalt gepflegtes Grab. Ein festes Kreuz trägt die Inschrift

Unteroffizier Ch... Br.....
2......
gefallen am 5. Oktober 1914.

Der Grabhügel ist dicht besetzt mit Blumentöpfen, in denen noch jetzt die Herbstblumen teilweise in voller Blüte stehen. Die Seitenwände sind mit kleinen Brettern versteift und sorgsam mit Grasboden belegt. Auf dem Fußboden liegt ein ziemlich großer vergoldeter Bilderrahmen, das Bild darin ist umgedreht, so daß die weiße Rückseite unter der Glasseite liegt. Auf dieser Rückseite ist mit klarer Schrift folgendes Gedicht geschrieben:

      Am Bachbett brennt die bitt're Beere
      In ihrer Reife tiefem Rot.
      Mir ist's, als wenn es Herzblut wäre
      Von Kameraden wund und tot.

      Da ruh'n die Treuen still beisammen,
      Gebettet all zum letzten Schlaf,
      Verklärt im Glanz der Sonnenflammen
      All die, die heut die Kugel traf.

      Und auch mein Freund ruht in der Erden,
      Mein Herz, was schlägst du laut und jach?
      Auch du mußt balde stille werden,
      Drum still mein Freund! Ich komme nach!"

Kein Zweifel, daß derartige Berichte und Nachrichten wie kaum etwas anderes geeignet waren, den Herzen der trauernden Angehörigen daheim Trost zu bringen, ganz besonders aber auch das Grauen über das Schicksal der Toten bei den noch in Furcht Bangenden zu bannen. In Wechselwirkung ließ eine zuversichtliche Stimmung im Brief aus der Heimat wiederum den Krieger leichteren Herzens in den Kampf ziehen.

Bald erkannte die Heeresverwaltung, daß eine planmäßige Nacharbeit zur dauernden und würdigen Erhaltung der Gräber nötig sei. Im preußischen Kriegsministerium wurde bei der Unterkunftsabteilung eine besondere Stelle zur Leitung der Kriegergräberfürsorge geschaffen, die sich in gleicher Weise auf die Angelegenheiten der eigenen, verbündeten und feindlichen Armeen erstrecken sollte. Im Frühjahr 1915 ergingen die ersten Erlasse zur Sicherstellung und Aufnahme aller auf den Schlachtfeldern sowie auf den Kirchhöfen im besetzten Gebiet beerdigten deutschen und feindlichen Soldaten. Gräber- und Totenlisten [332] sollten baldmöglichst dem Zentralnachweisbureau im Kriegsministerium eingereicht werden. Die Feststellung der Gräber und der Bestatteten wurde im Operationsgebiet durch den fortgesetzten Wechsel der Truppen sehr erschwert. Durch Erlaß vom Juli 1916 wurde daher die Organisation einer regelrechten bodenständigen Gräberverwaltung angeordnet. In jedem Armeegebiet wurde die Gräberverwaltung in die Hand der Etappeninspektion gelegt, während in den Verwaltungsgebieten die Generalgouvernements und im Inlande die stellvertretenden Generalkommandos für sie verantwortlich waren. Die Dienstgeschäfte der Kriegergräberfürsorge sollten die Feststellung der Gräber, die Führung der Gräberlisten, die Umbettung von Kriegergräbern und deren Zusammenlegung, die Instandsetzung der Gräber und die Ausgrabung und Rückführung von Leichen von Gefallenen nach der Heimat umfassen. Das gesamte Gebiet wurde in Gräberverwaltungsbezirke eingeteilt. Auch die Gräberverwaltungsbezirke im Operationsgebiet unterstanden unmittelbar dem Etappenkommando.

Die erste und wichtigste Aufgabe der Gräberverwaltungsoffiziere wurde die Ermittelung sämtlicher in ihren Bezirken befindlichen Kriegergräber und die Feststellung der in ihnen bestatteten Krieger. Hierzu hatten die Gräberverwaltungsbezirke Gräberlisten im Anschluß an die Kreiseinteilung des Landes anzulegen. Die Friedhöfe und die einzeln liegenden Gräber waren in Pläne einzuzeichnen, Photographien waren beizulegen. Bei Ermittelung der Gräber war darauf zu achten, daß einmal aufgefundene Gräber sofort in einer Weise gekennzeichnet wurden, die ihr Wiederauffinden sicherstellte. Inschriften, die sich auf den alten, noch von der Truppe gesetzten Kreuzen befanden, sollten sofort beim Auffinden der Gräber mit dem Messer nachgeritzt werden, damit sie nicht bis zur Instandsetzung durch Witterungseinflüsse verwischt würden. Die Entzifferung verblaßter Inschriften sollte auf photographischem und chemischem Wege versucht werden. Als von größtem Wert beim Auffinden der Gräber und Feststellen der Toten wurde auf die von den Truppen aufgestellten Totenlisten verwiesen. An Hand dieser Truppenlisten sollte die Richtigkeit und Vollständigkeit der Gräberlisten nachgeprüft werden. Um die Vollständigkeit der Gräberlisten zu sichern, wurde die Truppe angewiesen, jede Beerdigung auf dem Dienstwege an die höhere Kommandobehörde zu melden. Diese sollte dann die Unterlagen an den zuständigen Gräberverwaltungsbezirk weitergeben. Als ein weiteres Mittel zur Feststellung unbekannter Toter wurde auf die Notwendigkeit einer Anfrage bei den Formationen, die die Beerdigung vorgenommen oder das Schlachtfeld aufgeräumt hatten, verwiesen. Als letztes Mittel wurde die Öffnung der Gräber bezeichnet, für die aber in jedem Falle die Genehmigung des Etappenkommandos einzuholen sei.

Ohne Zutun der Heeresverwaltung hatten bereits in den rückwärtigen Gebieten aller Fronten zunächst die zur Etappe gehörigen Landwehr- und Landsturmformationen, dann allmählich fortschreitend die nächsthöheren Befehls- [333] stellen der Besatzung sich mit der systematischen Ausgestaltung und Sammlung der Kriegergräber befaßt. Es ist begreiflich, daß nicht alle auf diese Weise ohne einheitliche Richtlinien getroffenen Maßnahmen zweckdienlich genannt werden können, sowohl hinsichtlich Anlage der Friedhöfe und Monumentalbauten als auch in bezug auf Erhaltung der Identität. Gerade in dieser Hinsicht machte sich ein gewisser Mangel an Richtlinien des Friedensunterrichts geltend. So manche Grabstätte mit der Kreuzinschrift: "Hier ruht ein unbekannter deutscher Krieger", hätte vermieden werden können. Die mehrfache Umbettung zahlloser Toter hätte eingeschränkt werden können, die Errichtung mancher wenig geschmackvoller Monumentalbauten wäre unterblieben, wenn entsprechende Richtlinien durch den Friedensunterricht von vornherein Gemeingut der Truppe gewesen wären.

Die Anregung in der Heimatpresse und in Feldzeitungen, Beratung der Fachleute, wie Bildhauer, Gartenarchitekten, bewirkten dann in Verbindung mit den Meldungen über die Erfahrungen der Truppe und Etappe die Herausgabe weiterer einheitlicher Bestimmungen und Richtlinien seitens des Kriegsministeriums. Grundsätzlich sollte das Grab an Ort und Stelle erhalten bleiben. "Der Soldat liegt dort am besten, wo er für das Vaterland gefallen", heißt es in dem Erlaß. Insbesondere sollten Umbettungen von Gräbern, mit denen die Erinnerung an eine hervorragende Heldentat verbunden war, nach Möglichkeit vermieden werden.

Es wurde aber nicht verkannt, daß in Gebieten, durch die der Krieg schnell durchgezogen war und in denen die Gräber vielfach in Sümpfen und dem Hochwasser ausgesetztem Gelände, am Rande der Wege, auf Äckern und Wiesen und in den Wäldern zerstreut lagen, trotzdem Umbettungen in größerem Umfange erforderlich sein würden. Auch die Umbettung vereinzelt innerhalb der Ortschaften und in Gehöften liegender Gräber war zu erwägen. Den Bewohnern unwillkommen und hinderlich, mußten sie der Gefahr der Zerstörung in besonders hohem Maße ausgesetzt sein.

Den Gräberverwaltungsbezirken wurde es jedoch zur Pflicht gemacht, von Fall zu Fall zu prüfen, ob eine Umbettung angezeigt sei. Sie bedurfte jedesmal der Genehmigung des Etappenkommandos. Die umzubettenden Gräber sollten bei Anlage von Sammelfriedhöfen grundsätzlich in Gestalt von Einzelgräbern vereinigt werden; Umbettungen in Massengräbern aus Einzelgräbern durften nur erfolgen, wenn die Namen der einzelnen Toten mit Sicherheit nicht mehr festzustellen waren. Bei Umbettungen von Unbekannten waren die körperlichen Erkennungsmale schriftlich niederzulegen. Die den Toten abgenommenen Sachen sollten in einem besonderen Beutel mit Nummer als spätere Erkennungsmittel aufbewahrt werden. Eine Photographie der früheren Grabstätte sollte der Gräberliste beigefügt werden. Alle diese letztgenannten Unterlagen waren der dem Kriegsministerium unterstehenden "Zentralstelle für Nachlaßsachen" zu [334] senden. Die Umbettungen sollten, soweit diese ohne erhebliche Verzögerungen der Arbeiten durchzuführen waren, im Beisein eines Kriegsgerichtsrats, Offiziers oder Feldgeistlichen vorgenommen werden, wobei letzterer ein Protokoll aufzunehmen hätte. Es ist bekannt, daß die Ansprüche des Krieges für die Lebenden die letztgenannte weitgehende Bestimmung hinsichtlich Beteiligung eines Kriegsgerichtsrats und Feldgeistlichen undurchführbar gemacht hat.

In der Sorge für eine würdige Ausgestaltung der Kriegergräber hatte die Heeresverwaltung im Zusammenwirken mit den Ministerien der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten eine Anzahl hervorragender Künstler, Architekten, Bildhauer ehrenamtlich gewonnen. Unter weiterer Hinzuziehung von Gartenarchitekten und Baumschulbesitzern fanden Bereisungen der verschiedenen Kriegsschauplätze statt, um Erfahrungen zu sammeln und die verschiedenen Ansprüche und Ansichten zu klären. Die Ergebnisse dieser Reisen und Aussprachen wurden dann grundlegend für die Anordnungen der Heeresverwaltung. So entstanden zunächst unter dem Titel: Kriegergräber, Beiträge zu der Frage: Wie sollen wir unsere Kriegergräber würdig erhalten? mehrere Einzelschriften, die allen Truppenteilen und den mit der Gräberfrage betrauten Stellen zugänglich gemacht wurden. Behandelte die erste Schrift die rein künstlerischen Grundlagen, so gab ein zweites Heft mit gleichem Titel die Richtlinien für die Bepflanzung der Einzelgräber und der Gräberanlagen. Um die fachmännische Anwendung dieser Grundsätze zu sichern, wurde eine Anzahl zur Zeit dem Heere angehörender Gartenarchitekten mit der Leitung der Ausgestaltung der Gräber betraut. Die nötigen Pflanzen wurden in opferwilliger Weise kostenlos zur Verfügung gestellt.

In dem Bestreben, die bisher gewonnene Erfahrung immer mehr zu einer möglichst einheitlichen Anwendung zu bringen und sie durch Austausch noch zu erweitern, wurden vom Kriegsministerium Mitte März 1916 alle in Betracht kommenden Behörden und die beteiligten Kreise zu einer gemeinsamen Besprechung zusammenberufen. Bei dieser waren das Feldheer, die Generalgouvernements, die deutschen Heimatsbehörden, das verbündete Kaiserreich, die Künstlerschaft und die deutsche Gesellschaft für Gartenkunst vertreten. Alle schwebenden Fragen wurden nochmals eingehend beraten. Durch Gründung von "Landesberatungsstellen" wurde die dauernde Mitarbeit hervorragender Künstler, im Einvernehmen mit dem Kultusministerium und den Bundesministerien unter Angliederung an diese Zentralbehörden, gesichert. So wurde geschaffen: in Preußen die "Staatliche Beratungsstelle für Kriegerehrungen"; in Bayern "die Bayerische Landesberatungsstelle für Kriegergräber beim kgl. Staatsministerium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten"; in Sachsen die "Sächsische Landesberatungsstelle für Kriegergräber beim kgl. Ministerium des Innern"; in Württemberg der "Württembergische Landesausschuß für Natur- und Heimatschutz".

[335] Nachdem die allgemein leitenden Gesichtspunkte dieser Stellen für die praktische bautechnische Gräberfürsorge die Billigung auch eines weiteren Kreises von Künstlern aus dem ganzen Deutschen Reich gefunden hatten, wurden sie in "Leitsätze" zusammengefaßt, die an Hand von Skizzen und Abbildungen zeigten, wie mit einfachen Mitteln bei der Herrichtung von Grabstellen auch den künstlerischen Anforderungen voll genügt werden könne. Die kulturelle Bedeutung, die man inzwischen an allen maßgebenden Stellen in der Heimat, im Heer und der Marine einer würdigen Ausgestaltung der ja vornehmlich im Feindesland liegenden Kriegergräber beimaß, erhellt die nachstehende kaiserliche Kabinettsorder vom 28. Juli 1917.

Betreff: Kriegergräber.

      Die Frage nach der würdigen Ehrung der Gräber der vielen im Kampfe für Thron und Vaterland gefallenen Helden bewegt in Wort und Bild, im Beraten und Schaffen, je länger je mehr aller Gedanken und Herzen im Heer und im Volke draußen und daheim. Auch die Heeresverwaltung ist um Beantwortung dieser Frage im Verein mit den heimatlichen Behörden und mit berufenen Künstlern und Fachmännern seit langem bemüht gewesen. Das Ergebnis hierzu ist in grundlegenden Erlassen, in Leitsätzen und in vorbildlichen Formen für Grabzeichen und für Friedhofanlagen zum Ausdruck gekommen, auch den leitenden Stellen im Heere zugänglich gemacht wurden.
      Es ist Mein Wille, daß diese in Wort und Bild gegebenen Grundlagen überall auch in die Tat umgesetzt werden: Indem sie für Kriegergräber und Soldatenfriedhöfe tunlichste Anlehnung an die Natur, schlicht soldatische Einfachheit - bei möglichster Erhaltung des von treuen Kameradenhänden Geschaffenen -, gleiche Grabzeichen für alle auf einem Friedhof, Vermeidung aufdringlichen Prunks und Aufschub großer Denkmalsanlagen verlangen, entsprechen sie, des bin Ich gewiß, sowohl dem Geiste derer, die im Kampf ihr Leben gelassen haben, wie auch dem gesunden Empfinden der überlebenden Kameraden.
      Ich bestimme daher, daß bei den Etappeninspektionen und bei den Generalgouvernements der besetzten Gebiete im Benehmen mit einer staatlichen Beratungsstelle ein ständiger Beirat von anerkannten, im Heeresdienste stehenden Künstlern und Gartenarchitekten berufen wird, der bei allen allgemeinen und bei wichtigeren Einzelfragen in bezug auf die Gestaltung der Kriegergräber und Kriegerfriedhöfe zu Rate zu ziehen ist. Zu diesem Beirat sind auch Vertreter der Feldgeistlichkeit heranzuziehen.

Großes Hauptquartier, den 28. Februar 1917.
Wilhelm.
An das Kriegsministerium. v. Stein.

[336] Diese Kabinettsorder läßt neben der organisatorischen Anordnung zugleich anschaulich erkennen, in welcher Weise und in welchem Geiste die Gestalt schaffende Arbeit der Fürsorge im Felde sich bewegen sollte. Es darf hier aber nicht unerwähnt bleiben, daß die auf diese Weise hauptsächlich durch Künstler und Architekten entstandene Beeinflussung - und zwar nicht nur nach Ansicht eines überwiegenden Teils der Angehörigen des alten Heeres - in kultureller Hinsicht oft zu nicht immer einwandfreien Erfolgen geführt hat. Vielfach wäre es durchaus nicht nötig gewesen, so manches schlichte, naive und darum künstlerisch einfache Kriegerdenkmal der Truppe zu beseitigen, um es durch andere Bauten zu ersetzen, über deren Kunstwerk man sehr geteilter Ansicht sein kann, und die vielfach einen geringeren kulturhistorischen und Dauerwert haben. Diesem Gesichtspunkt ist bis in die neueste Zeit leider nicht immer Beachtung geschenkt worden. Es war leider nicht immer lediglich die Rücksicht auf das angeblich zu dauernder Erhaltung nicht geeignete Material des Denkmals, wenn manche unter tätiger Mithilfe der Truppe entstandene, von ihr mit Freude begrüßte, sicher nicht unschöne Schöpfung zerstört wurde, um sie durch zunftmäßige Kunst zu ersetzen.

Ebenso wie den Kriegergräbern im Felde hat die Heeresverwaltung auch den letzten Ruhestätten der in der Heimat ihren Wunden und Krankheiten ehrenvoll erlegenen Kriegern ihre Fürsorge angedeihen lassen. Während sich die Kriegergräber auf den Schlachtfeldern zunächst schon aus ihrer örtlichen Lage unschwer als solche erkennen ließen, war dies bei denen in der Heimat, die größtenteils in den vorhandenen Friedhöfen angelegt wurden, nicht in gleichem Maße der Fall. Es schien deshalb gerade hier besonders geboten, daß sich das Kriegergrab in seiner Eigenschaft als solches ausspräche. Wiederum unter Beteiligung der bundesstaatlichen Kultusministerien, der staatlichen Beratungsstellen und sonstiger Künstler wurden deshalb auch besonders für die Gräber in der Heimat allgemeingültige Richtlinien aufgestellt.

Auch für die auf verbündetem und feindlichem Gebiet liegenden deutschen Gräber sorgte die Heeresverwaltung. So wurde mit Österreich-Ungarn ein Abkommen getroffen, wonach die Fürsorge für die Gräber, gleichgültig ob eigene, verbündete oder feindliche Heeresangehörige in Frage kamen, von dem Staat übernommen wurde, in dessen Verwaltungsgebiet die Gräber lagen. Die k. u. k. Heeresverwaltung verpflichtete sich zugleich, für den Schmuck der in ihrem Bereich liegenden Gräber zu sorgen. Zu ihrer Unterstützung bei der Feststellung deutscher Kriegergräber wurde eine größere Anzahl deutscher Offiziere zu den k. u. k. Dienststellen kommandiert. Viele tausend Gräber sind auf diese Weise vor der Vergessenheit und Vernichtung bewahrt worden. Ein ähnliches Abkommen wurde auch mit der kgl. bulgarischen Regierung für das bulgarische Verwaltungsgebiet Serbiens getroffen.

Nachdem im Westen schon bei dem großen Rückzuge zahlreiche Kriegerfriedhöfe einem ungewissen Schicksal hatten überlassen werden müssen, brachte [337] der Abschluß des Waffenstillstandes in dem besetzten Gebiet fast überall die überstürzte Einstellung der mit soviel Sorgfalt vorbereiteten und eingeleiteten, aber naturgemäß noch nicht abgeschlossenen Arbeiten. Sie bedeutete den schmerzlichen Verzicht auf die Vollendung mancher mit großer Mühe und Hingabe geschaffenen Gräberehrung.

Immerhin war aber damals doch schon erreicht, daß der weitaus grüßte Teil der riesigen Aufgabe der Kriegergräberfürsorge (abgesehen von dem Gebiet der Westfront, in dem bis zuletzt die schweren Kämpfe tobten), im wesentlichen als bewältigt angesehen werden konnte. Unter der Einwirkung des Verlustes des Krieges und der Besetzung des bisher deutscherseits verwalteten Gebiets durch die Feinde ließ sich aber schon bald diese verhältnismäßig günstige Auffassung über den Stand der deutschen Kriegergräberfürsorge nicht mehr aufrechterhalten. In einer kaum wieder gutzumachenden Weise wurde zunächst gleich der Gräbernachweis betroffen. Zahllose Grabkreuze standen noch in den Werkstätten der Etappen mit fertiggebrannter Grabinschrift bereit, konnten aber nicht mehr auf den nach sorgfältiger Umbettung fertiggestellten Friedhöfen aufgestellt werden. Den Gräberverwaltungsoffizieren waren die Inhaber vieler dieser noch unbezeichneten Gräber wohlbekannt, sie waren auch in Listen und Plänen eingetragen. Es bedurfte nur noch geringer fachkundiger Arbeit, um die Gräber der Gefahr zu entziehen, als "unbekannte Gräber" behandelt zu werden. Werden die Feinde aber sich die Mühe gemacht haben, diese Grabkreuze richtig aufzustellen und zu ergänzen? Wahrscheinlich nicht! Erschwert wird ihnen diese Arbeit jedenfalls dadurch, daß viele der hierzu unbedingt erforderlichen Akten mit den Belegungsplänen und namentlichen Gräberlisten beim Rückzug verlorengingen. Nur die wichtigsten Akten konnten damals bekanntlich gerettet und mitgeführt werden. War so bereits die Grabfeststellung gefährdet, so schwanden mit den fortschreitenden Ereignissen bald die Hoffnungen auf eine ordnungsmäßige Vollendung der weiteren, noch unfertigen praktischen Arbeiten im Sinne der deutschen Kriegergräberfürsorge. Die gehässigen und maßlosen Ausfälle des im geistigen Leben Frankreichs eine führende Rolle spielenden Henri Labedan, der in seiner Schrift L'autre occupation zur direkten systematischen Zerstörung und Vernichtung der auf Frankreichs Boden errichteten deutschen Friedhofsanlagen und -denkmäler aufforderte, ließen noch darüber hinaus das Schlimmste fürchten. Seine Ausführungen sind kennzeichnend für die Empfindungen, mit denen weite Kreise der französischen und belgischen Bevölkerung auf die, Freund und Feind in gleich liebevoller Weise behandelnde, deutsche Gräberpflege blickten. Über die Beweggründe der deutschen Kriegergräberfürsorge schreibt er unter anderem z. B.:

      "Unseren Boden herabzuwürdigen, zu entehren, zu verunstalten, zu unterdrücken, zu demütigen, ihn selbst nach dem Rückzug noch besetzt zu halten, und zwar in jeder nur möglichen Weise durch seine beleidigende Kunst und seine aggressive Ästhetik, durch seinen Stil, seine Monu- [338] mente, die Unverschämtheit seiner Embleme und die Heuchelei seiner Grabschriften, die Herausforderung seiner Statuen und beleidigenden Allegorien - das ist das Endziel des Deutschen, sein Kriegsplan in der Niederlage.
      Häuser und Schlösser sind zerstört, verbrannt, aber die letzten Ruhestätten der Herren Brandstifter recken ihre weißen turmähnlichen Portale ruhig in die Luft. Die Keller sind leer, die Gräber Frankreichs geschändet, seine Särge aufgebrochen, aber die sterblichen Überreste der Säufer und Schänder ruhen friedlich in ihren schönen Gewölben.
      Was werden wir angesichts dieser klugen Organisation, dieser Ausnutzung ihrer Toten seitens der Deutschen tun?...
      Werden wir den Einwohnern, die nicht einmal mehr den Platz ihrer in Asche liegenden Häuser auffinden konnten, die Marter auferlegen, stets auf die weiße kleine, soeben erst erbaute und geschmückte Stadt der feindlichen Toten zu blicken, geschmückt mit unseren Blumen, beschattet von unseren Bäumen, den einzigen, die man nicht umgehauen hat?
      Ich stelle diese notwendige Frage und überlasse es unseren Soldaten, darauf zu antworten.
      Wir werden die Toten nicht anrühren, die da ruhen. Da sie nun einmal hergekommen sind, um hier zu sterben, lassen wir ihnen unseren Boden. Mögen sie ihn düngen. Aber nichts weiter. Die sechs Fuß Erde, auf welche sie wie jeder Mensch ein Anrecht haben, gelten aber nur für die Länge, nicht auch für die Höhe. Lassen wir ihnen ein einfaches kleines Holzkreuz, niedrig und gut, so sind wir schon mehr als freigebig. Und was den Rest anbetrifft... nieder mit ihm. Pickel und Mauerbrecher herbei. Nieder mit den stierköpfigen Engeln, mit den Luzifern von der Spree, den geflügelten Siegesgöttinnen, den zweiköpfigen Adlern, den Trophäen aus Zement."

Nun ist nicht zu leugnen, daß unter den zahlreichen Grabmälern, die in der ersten Zeit des Krieges pietätvoller Eifer und hochgehende Begeisterung den Kameraden errichteten, manche den Ansprüchen ruhigen gereiften Kunstverständnisses nicht standhielten. Die Organisation der deutschen Kriegergräberpflege, vor deren Zustandekommen übrigens die meisten angefochtenen Denkmäler entstanden sind, war aber gerade zur Verhütung von Entgleisungen geschaffen worden. Und was Labedan als besonderes Kennzeichen deutscher Barbarei bezeichnet hat, wurde ja von der deutschen Heeresverwaltung und den deutschen Behörden in Einmütigkeit mit den vornehmsten Künstlern erfolgreich bekämpft.

Die Folgen der allgemeinen Verhetzung konnten nicht ausbleiben, und so ist es tatsächlich dazu gekommen, daß namentlich die Franzosen, aber auch andere ihnen nahestehende Nationen, sich auf den wiedergewonnenen Friedhöfen nicht nur mit der Beseitigung von größeren Denkmälern begnügten, sondern in ihrem sinnlosen Haß auch an den einzelnen schlichten Grabzeichen vergriffen.

[339] Nach Abschluß des Waffenstillstandes blieb der deutschen Regierung nur übrig, bei der Waffenstillstandskommission ("Wako") Einspruch zu erheben. Einen unmittelbaren Einfluß auf die Kriegergräber im Auslande hatte von jetzt ab die deutsche Regierung nicht mehr. Inmitten schmachvoller Bedrängnis und schwerer Sorge um die Zukunft des Vaterlandes, hat die alte Heeresverwaltung die einmal übernommene Pflicht und Dankbarkeit gegen die opfermutigen Streiter im Daseinskampf des Vaterlandes jedoch nicht vergessen. Durch Vermittlung der "Wako" wurden sogleich die Verbindungen erneut aufgenommen, um zunächst wenigstens die Auskunftserteilung, die Grabnachforschung und vorläufige Erhaltung der Gräber im Auslande in die Wege zu leiten. Im Vertrag von Versailles wurde dann als Ergebnis der Verhandlungen mit den Ententemächten die von ihnen als ein besonderes Entgegenkommen bezeichnete nachstehende Vereinbarung erreicht:

            Artikel 225.
      Die alliierten und assoziierten Regierungen und die deutsche Regierung werden dafür Sorge tragen, daß die Grabstätten der auf ihren Gebieten beerdigten Heeres- und Marineangehörigen mit Achtung behandelt und instandgehalten werden.
      Sie verpflichten sich, jeden Ausschuß, der von irgendeiner der alliierten oder assoziierten Regierungen mit der Feststellung, der Verzeichnung, der Instandhaltung dieser Grabstätten oder der Errichtung würdiger Denkmäler auf ihnen betraut wird, anzuerkennen und in der Erfüllung seiner Aufgaben zu unterstützen.
      Sie kommen ferner überein, Wünsche wegen Überführung der irdischen Reste ihrer Heeres- und Marineangehörigen in die Heimat, vorbehaltlich der Bestimmungen der Landesgesetze und der Gebote der öffentlichen Gesundheitspflege, gegenseitig nach Möglichkeit zu erfüllen.

            Artikel 226.
      Die Grabstätten der in Gefangenschaft verstorbenen, den verschiedenen kriegführenden Staaten angehörenden Kriegsgefangenen und Zivilinternierten sind nach Maßgabe der Bestimmungen im Artikel 225 des gegenwärtigen Vertrages würdig instandzuhalten.
      Die alliierten und assoziierten Regierungen einerseits und die deutsche Regierung andererseits verpflichten sich, weiter einander zu übermitteln:
      1. Eine vollständige Liste der Verstorbenen mit allen zur Feststellung der Personen dienlichen Angaben;
      2. alle Auskünfte über Zahl und Ort der Gräber sämtlicher Toten, die ohne Feststellung der Person beerdigt worden sind.

Bald entsandten dann die Westmächte der Ententestaaten sowie Italien besondere "Militärkommissionen für die Vermißtennachforschung" nach Berlin, [340] die in erster Linie die Aufgabe hatten, die ungeheure Zahl ihrer in der deutschen Kampfzone belassenen Toten und Vermißten nach den sorgfältigen deutschen Aufzeichnungen aufzustellen. Sie traten hierzu in direkte Verbindung mit dem Zentralnachweisbureau des Kriegsministeriums, das seinerseits die Militärkommissionen benutzte, um die sich aus dem Vertrag von Versailles für die deutsche Regierung in dieser Beziehung ergebenen Forderungen im unmittelbaren Benehmen zu regeln.

Der Zwang zur Auflösung des alten Heeres und zur Verringerung des Heeresetats veranlaßte die Regierung, die zukünftige Regelung aller das alte Heer betreffenden bleibenden Verpflichtungen nicht dem neugebildeten Reichswehrministerium zu übertragen, sondern sie auf die anderen Ministerien zu verteilen. Bei der Neuorganisation war es (leider jetzt erst) möglich, alle, die Angelegenheiten der Toten des Feldheeres und die Kriegergräber bearbeitenden, amtlichen Stellen in einer Behörde enger zusammenzufassen. Die geeignete Stelle war das Zentralnachweisbureau des Kriegsministeriums, das entsprechend der nicht geahnten Ausdehnung des Krieges allmählich einen ungeheuren Umfang erreicht hatte. Unter Einbeziehung des Nachweisebureaus des Marineamts, der Nachweisebureaus der Kriegsministerien in Bayern, Sachsen und Württemberg und unter Hinzuziehung der Zentralstelle für Nachlaßsachen, sowie des beim Unterkunftsdepartement des Kriegsministeriums bestehenden Referats für Kriegergräber entstand am 1. Oktober 1919 das "Zentralnachweiseamt für Kriegerverluste und Kriegergräber" ("Z. A. K.") als eine dem Reichsministerium des Innern nachgeordnete Behörde. Unter ausdrücklicher Anerkennung der Verpflichtung des Staats für die Sorge um die Erhaltung und Pflege der Kriegergräber aus dem Weltkriege wurde durch Kabinettsbeschluß mit dieser Aufgabe das Reichsministerium des Innern betraut, das diese wiederum dem "Z. A. K." übertrug.

Dem Bedürfnis zur Beteiligung der Öffentlichkeit an der Kriegergräberfürsorge Rechnung tragend, wurde in jener Zeit des Übergangs durch einige bis dahin im Zentralnachweisebureau des Kriegsministeriums tätige ehemalige Gräberverwaltungsoffiziere der groß angelegte "Volksbund für deutsche Kriegsgräberfürsorge" mit dem Sitz in Berlin ins Leben gerufen. Er hatte sich als Aufgabe gestellt, unabhängig von den Behörden, jedoch im Einvernehmen mit ihnen, die Herrichtung, den Schmuck und die Pflege der Kriegergrabstätten dem Volksempfinden entsprechend zu fördern, den Angehörigen der Gefallenen und Verstorbenen in allen Angelegenheiten der Kriegergräberfürsorge behilflich zu sein und die internationale Fürsorge für die Kriegergräber zu betreiben.

Auch in anderen Staaten war inzwischen die Allgemeinheit an der Kriegergräberfürsorge praktisch interessiert worden. In England hatte sich unter Beteiligung des königlichen Hauses "The Imperial War Graves Commission" gebildet; in Rumänien wurde durch das Kriegsministerium die "Societatea mor- [341] mintele eroilor cazuti in rasboiju" (Verein zum Gedächtnis der im Kriege gefallenen Helden) ins Leben gerufen. In Italien und Polen entstanden ähnliche Organisationen. Alle diese Vereinigungen hatten halbamtlichen Charakter und ressortierten zunächst vom Kriegsministerium ihres Landes. Auch mit dieser Art der Organisation hatten sie, dem deutschen Volksbund gegenüber, den Vorzug, über das für eine zweckmäßige Betätigung hinsichtlich Auskunftserteilung, Grabfeststellung usw. unentbehrliche amtliche Aktenmaterial unmittelbar verfügen und sich durch die amtlichen Beziehungen leichter bei den Behörden, insbesondere im Ausland, durchsetzen zu können. Weiter ist es diesen Organisationen durch ihren gleichzeitig privaten Charakter ermöglicht, Geldmittel zu sammeln und in den Dienst der staatlichen Aufgabe zu stellen, was einer rein staatlichen Behörde als solcher kaum möglich ist. Schließlich wird dadurch, daß bei diesen Organisationen die Ziele und Bemühungen aller Kräfte des Landes, der Behörden und der Öffentlichkeit einheitlich straff zusammengefaßt sind, einer Zersplitterung mit ihren stets unerfreulichen Erscheinungen und Nachteilen vorgebeugt.

Für die Richtung, in der sich die Arbeiten beim "Z. A. K." in der Gräberfrage zu bewegen hatten, wurden die Bestimmungen des Versailler Vertrages ausschlaggebend. Die Grundlage für alle Arbeiten mußte die auch deutscherseits eingegangene Verpflichtung zu gegenseitiger dauernder Erhaltung aller Kriegergräber bilden, der mit nachstehendem Reichsgesetz Rechnung getragen worden ist:

Gesetz über die Erhaltung der Kriegergräber aus dem Weltkrieg.
Vom 29. Dezember 1922.

      Der Reichstag hat das folgende Gesetz beschlossen, das mit Zustimmung des Reichsrats hiermit verkündet wird:
      § 1. Die Gräber der im Reichsgebiet bestatteten deutschen Krieger (Kriegergräber) werden dauernd erhalten.
      § 2. Die Sorge für die Erhaltung der Kriegergräber obliegt in Ergänzung einer Pflege von anderer Seite dem Reiche und den Ländern.
      Die Reichsregierung erläßt mit Zustimmung des Reichsrats Ausführungsbestimmungen, in denen besonders die Grundsätze über die Feststellung und die Erstattung der entstehenden Kosten durch das Reich sowie die Richtlinien für die Pflege der Gräber aufzustellen sind.
      § 3. An Grundstücken, die nicht im Eigentum des Reichs oder der Länder stehen, besteht für die darin liegenden Kriegergräber zugunsten des Landes das dauernde Ruherecht; werden Grundstücke, die im Eigentum des Reichs oder der Länder sind, veräußert, so entsteht das dauernde Ruherecht mit der Veräußerung.
      Das dauernde Ruherecht ist eine öffentliche Last, die allen öffentlichen und privaten Rechten im Range vorgeht und der Eintragung im Grundbuch nicht [342] bedarf. Sie besteht in der Verpflichtung des jeweiligen Eigentümers des Grundstücks, die Gräber dauernd bestehen zu lassen, sie zugänglich zu erhalten und den Ländern eine Einwirkung auf ihre Instandsetzung und Erhaltung zu gestatten.
      Dem Eigentümer kann aus Reichsmitteln eine Entschädigung für die Belastung des Grundstücks mit dem Ruherecht soweit gewährt werden, als es unter Berücksichtigung des Umfanges der Belastung und nach seinen Vermögens- und Erwerbsverhältnissen der Billigkeit entspricht.
      § 4. Aus besonderen Gründen können Kriegergräber, die auf reichseigenen oder in der Verwaltung des Reichs stehenden Grundstücken liegen, mit Zustimmung der obersten Reichsbehörde, die anderen Kriegergräber mit Zustimmung der obersten Landesbehörde verlegt werden. Die Zustimmung soll erteilt werden, wenn ein öffentliches Interesse vorliegt und wenn eine andere Ruhestätte für die sterblichen Überreste gesichert ist.
      § 5. Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten für die Gräber aller Personen, die bei ihrem Tode Angehörige des ehemaligen deutschen Heeres oder der ehemaligen deutschen Marine oder des Heeresgefolges waren und deren Überreste seit dem 1. August 1914 innerhalb des Reichsgebiets bestattet worden sind. Gleichgestellt sind ihnen die Angehörigen der nach dem Waffenstillstande gegründeten deutschen Truppenverbände mit Ausnahme der Reichswehr, ferner die in der Gefangenschaft gestorbenen deutschen Zivilinternierten, deren Überreste in Deutschland bestattet worden sind.
      Dieses Gesetz gilt auch für die im Reichsgebiete bestatteten Heeres- und Marineangehörigen der während des Weltkrieges mit dem Deutschen Reiche verbündeten Mächte. Es gilt ferner für die im Reichsgebiete bestatteten Heeres- und Marineangehörigen und Zivilinternierten der im Weltkrieg feindlichen Mächte.
      Über die Frage, ob ein Grab im Einzelfalle als Kriegergrab im Sinne des Gesetzes anzusehen ist, entscheidet unter Ausschluß des Rechtsweges die oberste Landesbehörde nach Anhörung des Reichsministeriums des Innern.

Berlin, den 29. Dezember 1922.
Der Reichsminister des Innern                               Der Reichspräsident
      Oeser. Ebert.

Nachdem bereits im Kriege eingehende Richtlinien für die Herrichtung der Gräber in der Heimat, die ja mit Ausnahme von Ostpreußen fast ausschließlich auf Garnison- oder Gemeindefriedhöfen errichtet waren, Beachtung gefunden hatten, war die Vollendung dieser Arbeiten sowie die dauernde Pflege der Grabstätten verhältnismäßig einfach. Für die große Zahl der Feldgräber aus der Zeit der ersten Kämpfe in Ostpreußen waren dort schon während des Krieges besondere Gräberbauämter geschaffen, die inzwischen ihre Aufgabe in mustergültiger Weise mit Hilfe der Landesberatungsstelle den schon genannten Richtlinien entsprechend zu Ende geführt haben.

[343] Die Zahl der deutschen Kriegergräber im Reichsgebiet, auf die sich eine unmittelbare deutsche Fürsorge nach dem Kriege im wesentlichen beschränken mußte, ist verhältnismäßig gering, wie die nachstehende Berechnung zeigt:

    Deutsche Kriegergräber Zahl der
    Kriegergräber
    A. In Deutschland 210 000 
    B. Im Auslande
         Frankreich 840 000 
         Belgien 190 000 
         England 6 000 
         Tschechoslowakei 1 000 
         Deutsch-Österreich 200 
         Ungarn 2 000 
         Rumänien 23 000 
         Serbien 12 000 
         Bulgarien 800 
         Griechenland 200 
         Italien 5 000 
         Polen (einschließl. Galizien) 17 000 
         Litauen 25 000 
         Lettland 18 000 
         Estland 300 
         Finnland 350 
         Rußland (einschließl. Ukraine) 64 0001
         Türkei 3 000 
         Neutrale u. Überseeländer 2 000 

    1 572 850

Die Zahlen sind das Ergebnis der letzten Berechnung des "Z. A. K." Eine ganz genaue Zahlenangabe wird sich niemals ermöglichen lassen. Die Berechnung gibt zudem die Zahlen der einst vorhanden gewesenen Gräber; es ist schon heute mit einer wesentlich geringeren Gesamtsumme der noch erhaltenen Gräber zu rechnen. Wenn man der im "Z. A. K." zusammengestellten Berechnung über die Toten des Weltkrieges mit

    1 814 851 Tote des Landheeres
    35 770   "     der Marine
    1 133   "       "   Schutztruppe

    zusammen 1 851 754 Tote

[344] die errechnete Zahl der Gräber gegenüberstellt, so ergibt sich ein Unterschied von ca. 20%. Dieser Prozentsatz muß als das Mindestmaß des Unterschieds angenommen werden bei Berücksichtigung der Massengräber, der nicht mehr aufzufindenden Gräber und der recht erheblichen Zahl jener Toten, die infolge von Verschüttung oder anderen Kriegseinflüssen nie bestattet werden konnten.

Die Entwicklung der Kriegergräberfürsorge im Auslande nach dem Kriege hatte im allgemeinen gezeigt, daß fast alle in Frage kommenden Staaten dieser Angelegenheit immer mehr Bedeutung beilegen und sie als eine Kulturaufgabe und damit Ehrensache ansehen, in der keine Regierung hinter einer anderen zurückstehen möchte. Dem Beispiele der Westmächte folgend, hatten auch die Regierungen der Ententemächte des Ostens und Südostens durchweg ein besonderes Amt geschaffen, das mit der Organisation einer geordneten systematischen Gräberfürsorge beauftragt wurde und dem in Ausführung des Vertrages von Versailles auch die Instandhaltung der deutschen Gräber obliegen sollte. Es lag auf der Hand, daß die fremden Behörden damit ein direktes Eingreifen der deutschen Regierung ablehnen würden.

Die Erkenntnis, daß vor allem in den östlichen Staaten infolge der überall vorhandenen Geldknappheit selbst bei tatsächlich vorhandenem guten Willen der fremden Behörden mit einer beschleunigten Erledigung und Abstellung von Mißständen nicht immer zu rechnen ist, ließ es für die deutsche Regierung erwünscht erscheinen, sich in den amtlichen Erfordernissen der Gräberfürsorge nicht allein auf die verantwortlichen fremden Organe zu verlassen. Wenn nicht Sorge getragen wurde, die einzelnen Grabstellen als solche kenntlich zu erhalten, so bestand Gefahr, daß sie verschwinden, bevor die amtlichen Herrichtungsarbeiten der fremden Regierungen vollendet sind. Ein beschränktes amtliches Eingreifen von deutscher Seite erschien daher wenigstens in allen östlichen Ländern, auch in den durch Vertrag von Versailles gebundenen Staaten, nötig und möglich durch Zusammenfassung der deutsch gesinnten Kreise in jenen Ländern im Interesse der Feststellung und Erhaltung deutscher Gräber. In Verfolgung dieser Gesichtspunkte hat das Zentralnachweiseamt daher im Benehmen mit den Auslandsvertretungen sich mit Erfolg bemüht, in allen östlichen und südöstlichen beteiligten Staaten einen größeren Kreis von Vertrauensleuten zu gewinnen, die durch einen besonderen Beauftragten bei der Gesandtschaft im Interesse der deutschen Kriegergräberfürsorge zusammengefaßt werden.

Nachstehend eine kurze Skizze über die Verhältnisse der deutschen Kriegergräberfürsorge in den einzelnen fremden Staaten.

Frankreich und Belgien. In großzügiger Organisation wurde gleich nach Kriegsschluß die systematische Instandsetzung der Kriegergräber aller Nationen nach einheitlichen für alle Krieger gleichen Richtlinien begonnen. Nachdem zunächst Zusammenlegungen der Einzelgräber stattgefunden hatten, [345] wurde später angestrebt, die Zahl der Kriegerfriedhofsanlagen zu verringern. Zahlreiche kleine Kriegerfriedhöfe wurden zu großen Begräbnisplätzen zusammengelegt. Über die Art der Durchführung der Fürsorge wurden den deutschen Behörden nur die wichtigsten allgemeinen Grundsätze amtlich mitgeteilt. Inwieweit diesen bei den Arbeiten selbst Beachtung geschenkt wird, entzieht sich der amtlichen Kenntnis. Haben doch Frankreich und Belgien der deutschen Regierung nicht einmal gestattet, sich über den Zustand der Friedhöfe usw. durch persönliche Inaugenscheinnahme orientieren zu dürfen. Sicher ist, daß dem deutschen Empfinden für Friedhofsgestaltung nur in sehr geringem Maße Rechnung getragen wird. Über die Grabschändungen am Schluß des Krieges ist bereits berichtet. Es soll nicht verkannt werden, daß wenigstens von seiten der zuständigen französischen und belgischen Behörden seinerzeit ernste Schritte getan wurden, um dem Unwesen zu steuern. Sicher ist, daß sich die Zahl der unbekannten deutschen Gräber durch die wiederholten Umbettungen ganz außerordentlich erhöht hat.

England. Nach den amtlichen Erklärungen sorgt die britische Regierung für die meist auf geschlossenen Gefangenenfriedhöfen liegenden deutschen Gräber in derselben Weise wie für ihre eigenen. Sämtliche Gräber sind beim "Z. A. K." listlich erfaßt; nach Mitteilung - auch von privater Seite - befinden sich die Anlagen in gutem Zustande.

Italien. Die Fürsorge liegt in der Hand des "Nationalkomitees für die Kriegsgefallenen" in Udine. Nach dem Muster der Westmächte sind in der oberitalienischen Kampfzone durch Umbettungen großzügige Friedhofsanlagen geschaffen worden.

Finnland. In Finnland sind alle deutschen Gräber auf Staatskosten instand gesetzt. Zahlreiche Denkmäler sind von Städten, Gemeinden und Bürgern gestiftet. Mit tätiger Hilfe durch den "Verein der Finnlandkämpfer" ist auch für die Zukunft die Pflege der Kriegergräber durch den Staat gewährleistet.

Estland. Neuerdings ist ein Abkommen getroffen, nach dem die estnische Regierung auf Grund der Gegenseitigkeit sich verpflichtet, die deutschen Gräber instand zu setzen und zu erhalten. Die Gräber sind im wesentlichen listenmäßig erfaßt.

Lettland und Litauen. Die Regierungen haben erklärt, daß sie Mittel für die deutschen Kriegergräber nicht bereitstellen können, die deutschen Arbeiten jedoch unterstützen und für den Schutz der Gräber sorgen werden. Umfangreiche Instandsetzungsarbeiten sind auf deutsche Rechnung unter Leitung der Organe des "Z. A. K." im Gange. Das "Z. A. K." unterhält bei beiden deutschen Vertretungen einen besonderen Beauftragten. Zahlreiche Vertrauensleute sind im Lande gewonnen. Da seitens der Regierungen keinerlei Gräberarbeiten für [346] die eigenen Toten ausgeführt werden, findet die deutsche Gräberfürsorge allseitige Beachtung im Lande zur Hebung des deutschen Ansehens.

Polen. Nächst Frankreich enthält Polen die weitaus größte Zahl an deutschen Kriegergräbern. Ein besonderes Gräberamt ist in Warschau gebildet, erhebliche Etatsmittel sind bereitgestellt. Gräberschändungen haben stattgefunden, die Pressemeldungen haben sich jedoch vielfach als übertrieben erwiesen. Besonders in der Zone der Kämpfe mit der Sowjetarmee befinden sich die Gräber vielfach noch in sehr schlechtem Zustande. In den Gebieten aller Generalkommandos befinden sich besondere Gräberkommandos, die fortlaufend an der systematischen Instandsetzung auch der deutschen Gräber arbeiten. Für die Auskunftserteilung über die deutschen Gräber und ihre vorläufige Erhaltung sind Vertrauensleute gewonnen, mit denen die deutsche Gesandtschaft in Verbindung steht.

Tschechoslowakei. Die Kriegergräberfürsorge wird nach französischem Muster durchgeführt und durch eine besondere Behörde, "das Zentralinspektorat für Kriegergräber", geleitet.

Deutsch-Österreich. Sämtliche deutschen Gräber befinden sich in gutem Zustande und werden gut gepflegt.

Ungarn. Die deutschen Gräber werden auf ungarische Staatskosten instand gesetzt. Ein Beauftragter bei der Gesandtschaft hält gute Verbindung mit den amtlichen Behörden und veranlaßt die Auskunft, gestützt auf Vertrauensleute.

Serbien. Die praktische Durchführung der Kriegergräberfürsorge liegt unter Leitung des Kultusministeriums amtlich in den Händen der Geistlichkeit. Die amtliche Auskunftserteilung ist unter Berücksichtigung der kulturellen Verhältnisse des Landes dank der fortgesetzten Bemühungen der Gesandtschaft in Verbindung mit Vertrauensleuten gut zu nennen. Infolge des späten Einsetzens der staatlichen Fürsorge, insbesondere der Maßnahmen zum Schutze der Gräber, wird eine große Zahl nicht mehr feststellbar sein.

Rumänien. Die Gräberfürsorge ist unter staatlicher Verantwortung in die Hände der vom Kriegsministerium angeregten privaten "Vereinigung zum Gedächtnis der gefallenen Helden" gelegt. Die rumänischen Arbeiten beginnen auch für die deutschen Kriegergräber Fortschritte zu machen. Auch für die deutschen Kriegergräber besteht das "Ewige Ruherecht". Die Grabstätten unbekannter deutscher Krieger in der ehemaligen Kampfzone, bei denen eine Identifizierung vollständig ausgeschlossen ist, werden mit den gleichen Grabstätten unbekannter rumänischer Krieger vereinigt. In Siebenbürgen haben sich deutsche Kolonisten, insbesondere der sächsische Frauenverein, mit großer Hingabe der deutschen Kriegergräberfürsorge gewidmet.

Bulgarien. Bisher ist in Bulgarien leider nur sehr wenig, auch für die Gräber der eigenen Krieger, getan. Erst sehr spät hat die Regierung die Kriegergräberfürsorge organisiert und Mittel bereitgestellt. Die Auskunftserteilung wird [347] durch gutes Zusammenarbeiten des Beauftragten bei der deutschen Gesandtschaft mit den bulgarischen Stellen erleichtert, andererseits wesentlich dadurch erschwert, daß keinerlei amtliche Statistik über die deutschen Kriegergräber im Lande bisher vorhanden war.

Türkei. Angesichts der eigenartigen Lage des ausgedehnten Kampfgebiets (in Syrien, Palästina, Suezfront usw.) ist es wahrscheinlich, daß infolge des verspäteten Einsetzens der Gräberfürsorge die Mehrzahl der Gräber nicht mehr auffindbar sein wird. An einzelnen Stellen des Landes sind Reichsdeutsche für die Organisation der deutschen Kriegergräberfürsorge gewonnen.

Japan. Die in Japan gestorbenen Gefangenen sind verbrannt und die Urnen meist nach Deutschland überführt worden. Die Leichen der im Gebiet von Tsingtau gefallenen Deutschen sind auf die dortigen Friedhöfe umgebettet und werden von den noch ansässigen Deutschen gepflegt.

Der Tatsache Rechnung tragend, daß eine wirksame Gräberfürsorge im Auslande dem deutschen Interesse entsprechend nur durch tatkräftige Mitwirkung der deutschen Auslandsvertretungen erfolgreich durchgeführt werden kann, wurde im Herbst 1922 durch Kabinettsbeschluß bestimmt, daß von der bisher dem Zentralnachweiseamt obliegenden Kriegergräberfürsorge ab 1. April 1923 die Pflege der deutschen Gräber im Auslande zur Zuständigkeit des Auswärtigen Amts gehören soll. Die Aufgaben der Grabnachforschung, der Gräbernachweis sowie die Auskunftserteilung hierüber, die Fragen der Leichenüberführung und Leichenumbettung sollen dagegen dem Zentralnachweiseamt verbleiben.

Mit dieser Änderung hat die organisatorische Entwicklung der deutschen Kriegergräberfürsorge dann hoffentlich die abschließende und erfolgreiche Form erreicht, die es der deutschen Regierung ermöglichen wird, ihre Ehrenpflicht gegen die Toten in der Weise zu erfüllen, die dem allgemeinen deutschen Volksempfinden entspricht. In diesem Volksempfinden wirkt sich die gleiche seelische Bewegung aus, der schon während des Krieges die Fürsorge um die gefallenen Helden und ihre Ruhestätten entsprang, die den Willen zur Hingabe für das Vaterland in stärkster Weise beeinflußte und die Vorstellung von der Möglichkeit des eigenen Todes leichter ertragen ließ.


1 [1/343]Die in Rußland befindlichen Gräber können nur schätzungsweise nach der Zahl der in Rußland Vermißten und Toten angegeben werden, da nur aus Sibirien Nachrichten über Gräber vorhanden sind. ...zurück...


Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte