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Bd. 7: Die Organisationen der Kriegführung, Zweiter Teil:
Die Organisationen für die Versorgung des Heeres

  Kapitel 1: Die Heeresverpflegung   (Forts.)
Ministerialrat Konrad Lau

9. Die Organe des Verpflegungsdienstes.

Eine Fülle neuer Aufgaben, an die bei den Friedensvorbereitungen gar nicht hatte gedacht werden können, hat so der Krieg auch auf dem Gebiet der Heeresverpflegung gebracht. Manche Um- oder Neuorganisation mußte vorgenommen werden. Die der planmäßigen Organisation zugrunde gelegten Leitgedanken haben sich aber voll bewährt und ebenso die Gliederung der Organe des Verpflegungsdienstes.

[84] Bei Besprechung der Friedensvorbereitungen ist darauf hingewiesen, daß nach den Erfahrungen aus früheren Kriegen enges Zusammenarbeiten zwischen Kommandostelle und Feldverwaltungsbehörde Grundbedingung für ein ungehemmtes Arbeiten des Verpflegungsdienstes war. Deshalb hatte nicht nur die planmäßige Organisation der Dienststellen, sondern auch die Ausbildung der Verwaltungsbeamten für den Dienst im Felde das Ziel einer solchen reibungslosen Zusammenarbeit vor Augen gehabt.

Im Kriege zeigte sich dann noch weit mehr als in früheren, wie sehr von dieser Zusammenarbeit des Generalstabes und der Feldverwaltungsbehörde, des Offiziers und des Beamten, der glatte Lauf der Verpflegung des Heeres abhängig war. Ihr standen aber Schwierigkeiten entgegen, die besprochen werden müssen, damit nicht als selbstverständlich hingenommen wird, was nicht immer ohne Überwindung recht erheblicher innerer Widerstände durchführbar war.

Im Frieden war es Aufgabe des Beamten gewesen, mit vollem Verständnis für das Bedürfnis der Truppe, die Befriedigung von deren Wünschen in den durch Wirtschaftlichkeit und Verfügbarkeit der Mittel gezogenen Grenzen zu halten. Daß der Beamte dabei oft in Widerspruch mit dem Offizier kam, der gern auch das nur Wünschenswerte im Interesse der Truppe als notwendig ansah, und daß dieser daher geneigt war, im Beamten das überall hemmende Element zu sehen, war erklärlich. Vom Erlaß des Mobilmachungsbefehls an schien es nur einen Maßstab für das, was zu geschehen hatte, zu geben: die Kriegsnotwendigkeit - ein immerhin recht dehnbares Maß!

"Gingen auch Millionen unnütz verloren, die aufgewendet werden mußten, um den Unterhalt des Heeres für alle möglichen Fälle zu sichern, so wäre dies ein geringfügiger Schaden im Vergleich zu dem, der entstehen würde, wenn aus Mangel an Lebensmitteln auf einen Erfolg verzichtet werden müßte, oder wenn gar ungenügende Ernährung der Truppen zur Niederlage führte", sagte die Anleitung zur Verpflegung des Feldheeres und gab in einer anderen Bestimmung den Armee-Oberkommandos, Generalkommandos und Führern selbständiger Divisionen das Recht, "auf eigene Verantwortung alle Maßregeln und Ausgaben eintreten zu lassen, die geeignet erscheinen, zum Ziele zu führen". Den diesen Kommandostellen als Berater in Verwaltungsangelegenheiten beigegebenen Intendanten aber legte sie die Pflicht auf, "die Rücksicht auf die Reichskasse nicht außer acht zu lassen", zugleich allerdings den Hinweis gebend, daß sie ebensowenig Anstand nehmen dürften, diese Rücksicht den Forderungen unterzuordnen, welche das Wohl der Truppe und die Erreichung des Kriegszwecks stellte.

In diesen Bestimmungen ist die schwierige Stellung des guten Beamten gekennzeichnet, für den die Reichskasse ebensowenig eine unerschöpfliche Geldquelle war, wie - und das war noch wesentlicher, - die Heimat eine unerschöpfliche Nachschubquelle für Verpflegung. Zwei Wege konnte er gehen. Entweder [85] konnte er die Prüfung, was Wohl der Truppe und Erreichung des Kriegszwecks forderten, allein der Kommandostelle überlassen und sich unbedenklich und rückhaltlos für die Erreichung des von ihr Gewünschten einsetzen; das war der bequemere und ungefährlichere Weg, der auch meistens zu einer guten Beurteilung durch die Kommandostelle führte, oder der Beamte konnte selbst prüfen, und Bedenken zur Sprache bringen. Dann wurde er wieder wie im Frieden hemmendes Element und fand Stein auf Stein auf seinem Wege. Nicht die untüchtigsten Beamten sind über solche Steine gestolpert.

Man darf nicht vergessen, daß auch im Frieden Kriegsnotwendigkeit der Maßstab gewesen war, an dem der Generalstab gemessen hatte; daß die Rücksicht auf die Reichskasse aber das Kriegsministerium gezwungen hatte, einen kleineren Maßstab zu wählen. Jetzt sahen die Stellen, in deren Händen die Truppenführung lag, sich ledig der Fesseln, die sie gehindert hatten, schon im Frieden das zu erreichen, was nach ihrer pflichttreuen und peinlich gewissenhaften Prüfung zum Wohl des Vaterlandes notwendig war. Jetzt durften sie nicht wiederum und nun endgültig am "fiskalischen Standpunkt" scheitern lassen, was sie zur Erreichung des Kriegszwecks, das Vaterland zu erhalten, für unerläßlich hielten. Dazu gehörte nicht zuletzt das Wohl der Truppe.

Nicht daß der Generalstabsoffizier Verschwender, der Beamte der verständige Staatsbürger, oder daß jener allein Kenner der Truppenbedürfnisse, dieser nur Mann vom grünen Tisch gewesen wäre! Man braucht überhaupt keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Offizier und Beamten anzunehmen, muß sich nur vergegenwärtigen, daß zwei Menschen aus verschiedenen Gedankenwelten plötzlich zusammenkamen, um zu verstehen, welche inneren Widerstände sie zu überwinden hatten, um zu einem gedeihlichen Zusammenarbeiten zu kommen.

Die Durchführung des Verpflegungsdienstes wies den einen auf den anderen an, einer war dabei so unentbehrlich wie der andere. Sache der einzelnen Persönlichkeiten war es, einander Verständnis entgegenzubringen. Der Beamte mußte sich dessen stets bewußt sein, daß sein Dienst sich auf jeden Fall in einen von der Kommandostelle gegebenen Rahmen einzupassen hatte; daß es seine Sache war, sich das Rüstzeug zur Erledigung seiner Aufgabe zu verschaffen. Dazu gehörte auch die Kenntnis der taktischen Lage und der beabsichtigten Maßnahmen, die nicht immer auf dem üblichen Geschäftsgang zu erlangen waren. Taktgefühl und Selbstverleugnung gehörten für ihn dazu, auch unbeachtet der unentbehrliche Ratgeber zu bleiben und zur rechten Zeit am rechten Platze zu sein. Vom Generalstabsoffizier aber mußte verlangt werden, daß er die Grenzen seiner Amtsbefugnis hielt, die Aufgaben und Pflichten des Beamten nicht unterschätzte, und daß er in dem Beamten nicht sein Werkzeug, sondern seinen Mitarbeiter sah, der, ihn selbst ergänzend, mit derselben Pflichttreue wie er demselben großen Zweck diente. Nur wo zwei Männer zusammenkamen, die sich verstanden oder nötigenfalls durch offene und ehrliche Aussprache [86] alle persönlichen Hemmungen aus dem Wege räumten, gab es eine "glückliche Ehe"! Daß nur wenige Ehen geschieden zu werden brauchten, ist gleich rühmlich für beide Teile.

Besondere Erwähnung hat das vortreffliche Zusammenarbeiten von Feldverwaltungsbehörden und Feldeisenbahnbehörden verdient. Oft mögen Feldverwaltungsbehörden den Eindruck gewonnen haben, daß von seiten der Eisenbahn der Verpflegungsnachschub stiefmütterlich behandelt wurde, wenn er zwischen Proviantdepots und Etappe steckenblieb. Nur in eingehender Kenntnis der gesamten Eisenbahntransportlage kann man aber solche Fälle richtig beurteilen: sie zwang in besonders kritischen Augenblicken, jede Art Nachschub bis zum äußersten zu unterbrechen. Immer haben im letzten Augenblick die Feldeisenbahndienststellen allen Schwierigkeiten zum Trotz das Notwendigste herangeschafft. Ihnen muß ein nicht geringes Verdienst um die Aufrechterhaltung des Verpflegungsnachschubs zuerkannt werden. Der Generalintendant wäre oft ohne die verständnisvolle und eifrige Mitarbeit der Dienststellen des Feldeisenbahnchefs nicht in der Lage gewesen, Katastrophen abzuwenden; nur auf Grund des vortrefflich ausgestalteten Meldewesens der Eisenbahn war es ihm oft möglich, ein klares Bild vom Verpflegungsnachschub zu bekommen.

Am Eingang ist auch darauf hingewiesen, daß als Niederschlag von Kriegserfahrungen in der Organisation der Heeresverpflegung eine scharfe Abgrenzung zwischen den Aufgaben der heimischen Behörden und der Feldstellen vorgenommen war. Wenn demgegenüber wiederholt gezeigt ist, wie der Generalintendant sich in Ernährungsangelegenheiten unmittelbar in der Heimat betätigte, so bedeutet das durchaus kein Aufgeben jener Abgrenzung. Sie hat sich als unbedingt zweckmäßig erwiesen. Nur die mit allen Vorgängen des Wirtschaftslebens dauernd in Berührung stehenden heimischen Dienststellen können in enger Zusammenarbeit mit den Behörden der allgemeinen Ernährungswirtschaft den Heeresbedarf an Verpflegung sichern. Sie über den Bedarf des Feldheeres eingehend unterrichtet zu halten, ist Sache der Feldstellen. Durch ständige persönliche Aussprache des Generalintendanten mit dem Direktor des Armeeverwaltungsdepartements des preußischen Kriegsministeriums, ergänzt durch fast tägliche Ferngespräche, Entsendung von Verbindungsoffizieren und Beamten ist das voll erreicht worden.

Daß darüber hinaus der Generalintendant auf gewisse Vorgänge in der Ernährungswirtschaft unmittelbar Einfluß zu erlangen versuchte, findet nur in den eigenartigen Verhältnissen dieses Krieges seine Begründung, insbesondere darin, daß die Oberste Heeresleitung sich gezwungen sah, durch persönliche Einwirkung Heimat und Heer fest zusammenzuhalten zu engstem Zusammenarbeiten auf das eine Ziel hin, dem Vaterlande einen erträglichen Frieden zu erkämpfen. Bei Beurteilung dieses Bestrebens muß man [87] sich daran erinnern, daß weite Kreise in der Heimat, die daheim die einheitliche Führung vermißten, solche Einwirkungen der Obersten Heeresleitung geradezu erbaten.

Ob der eingeschlagene Weg der rechte war, ob er nicht sogar im Interesse der Sache hätte weiter ausgebaut werden müssen, wie von mancher Seite behauptet wird, ist wohl heute noch nicht vorurteilslos zu übersehen. Die Gefahr aber, daß die Feldstellen sich in ihrem Sorgen allzusehr zersplittern, wenn sie es auch auf die Heimat ausdehnen, ist wohl kaum von der Hand zu weisen. Sie ist um so größer für Stellen, deren Aufgaben durch ihre wechselvolle Vielseitigkeit, ihr plötzliches Auftreten und ihre Unübersehbarkeit schärfste Aufmerksamkeit und angespanntes Verfolgen der Vorgänge an der Front verlangen.

Nicht ganz so klar wie das Arbeitsgebiet der Feldstellen gegen das der heimischen Behörden waren die Befugnisse des Generalquartiermeisters gegenüber dem Generalintendanten abgegrenzt. Dem Generalquartiermeister war mit der ihm obliegenden Verwaltung der besetzten Gebiete ein großer Arbeitskreis zugefallen, innerhalb dessen er Anfang 1917 auch die Leitung der landwirtschaftlichen Angelegenheiten vom Generalintendanten übernahm. Vornehmlich hieraus, aber auch sonst, ergaben sich Überschneidungen der Tätigkeit beider Stellen, die gewisse Unklarheiten brachten. Hier wäre eine klare Trennung sehr erwünscht gewesen.

Vielleicht hätte es sich empfohlen, den Geschäftskreis des Generalintendanten möglichst eng auf die Versorgung des Feldheeres mit Verpflegung zu begrenzen, ihn dann aber dem Chef des Generalstabs unmittelbar zu unterstellen, wie ja auch der Munitionsersatz nach Fortfall des Feldmunitionschefs im Jahre 1916 bei der Operationsabteilung selbst bearbeitet wurde. Es wäre dann wahrscheinlich möglich gewesen, ihn räumlich der Leitung der Operationen näher zu bringen und dadurch den Gedankenaustausch beider Stellen, der für die rechtzeitige Anordnung der Verpflegungsmaßnahmen gar nicht rege genug sein konnte, zu erleichtern.

Tatsächlich war auch der Aufgabenkreis des Generalintendanten erheblich gewachsen, dem planmäßig außer dem Verpflegungsdienst die Leitung der auf das Besoldungs-, Kassen- und Rechnungswesen bezüglichen Verwaltungsangelegenheiten oblag, und der oberster Verwaltungsvorgesetzter des gesamten Feldverwaltungspersonals war. Im Hinblick auf die Fülle von Verwaltungsaufgaben war ihm (General) ursprünglich ein Beamter (der Abteilungschef der Kriegsverpflegungsabteilung des preußischen Kriegsministeriums) als Armeeintendant mit Verwaltungsreferenten (Beamten) zur Beratung in diesen Angelegenheiten beigegeben. Als dieser anderweit verwendet werden mußte, blieb die Stelle wegen Personalmangels unbesetzt.

Die Verwaltungsangelegenheiten wurden, wie bisher die militärischen, unmittelbar unter Leitung des Generalintendanten durch die Referenten bearbeitet.

[88] Inzwischen war der Stab des Generalintendanten um mehrere Offiziere zur Erfüllung von Sonderaufträgen, zu Kontrollreisen und zur Aufrechterhaltung der persönlichen Verbindung mit der Front vermehrt; auch hatten durch Zentralisierung der Nachschubsleitung beim Generalintendanten die hier zu lösenden generalstabsdienstlichen Aufgaben an Bedeutung gewonnen. Die Zusammenfassung dieser Arbeitsgebiete unter einem Chef des Stabes (Regimentskommandeur) schien im Frühjahr 1918 angezeigt, damit auch wieder ein über alles dauernd unterrichteter ständiger Vertreter des immer häufiger durch Dienstreisen zur Abwesenheit aus dem Großen Hauptquartier gezwungenen Generalintendanten vorhanden wäre.

Auf dem östlichen Kriegsschauplatz war bei Ernennung des Feldmarschalls von Hindenburg zum Oberbefehlshaber Ost ihm zur Leitung des Verpflegungsdienstes in seinem Befehlsbereich ein Armeeintendant beigegeben. Er blieb zwar dem Generalintendanten unterstellt; ihm wurden aber gewisse Aufgaben des Generalintendanten auf dem östlichen Kriegsschauplatz von diesem zur selbständigen Lösung übertragen. Ihm lag vor allem die große Aufgabe ob, den Verpflegungsausgleich zwischen den Armeen anzuordnen, die von den verschiedenen Verwaltungen des Oberostbereiches aufgebrachten Landeserzeugnisse auf die Armeen zu verteilen und in Verbindung mit den Landesverwaltungen durch vermehrte Ausnutzung des Landes die Versorgung der Ostfront immer unabhängiger vom heimischen Nachschub zu machen. Über die Verpflegungsverhältnisse im Osten eingehend unterrichtet, war er dem Generalintendanten eine wertvolle Stütze. Eine unmittelbare Einwirkung des Generalintendanten auf die Armeeintendanten der Ostfront, wie es im Westen geschah, wäre bei der viel ungünstigeren Nachrichtenübermittlung recht schwierig gewesen.

Von der Tätigkeit der Armeeintendanten hatte man sich im Frieden nur recht unklare Vorstellungen machen können. Kaisermanöver, Generalstabsreisen und Übungsarbeiten gaben ihnen nicht die rechte Gelegenheit, sich zu betätigen; und es hat deshalb nicht an Stimmen gefehlt, die sie als entbehrlich bezeichneten und meinten, daß ihre Aufgabe mit denen der Etappenintendanten zusammen in einer Person gelöst werden könnten. Der Krieg hat schnell ihre Unentbehrlichkeit erwiesen und die Armee-Oberkommandos als verantwortliche Leiter des Verpflegungsdienstes in die Erscheinung treten lassen. Trotz vielfach ins einzelne gehender Regelung durch den Generalintendanten darf nicht verkannt werden, daß auf den Armeeintendanten letzten Endes die Verantwortung ruhte. Ihre Sache blieb es, zu beurteilen, ob die Verpflegungslage der Armee den operativen Absichten des Armee-Oberkommandos und den von ihm erwarteten Ereignissen entsprach, und rechtzeitig die Anordnungen zu treffen, die das Armee-Oberkommando in seinen Entschlüssen unabhängig von Rücksichten auf die Verpflegungslage machen konnte. Es hat sich vollauf bewährt, daß diesen ver- [89] antwortungsreichen Dienststellen nicht auch die Sorge um die Durchführung des Nachschubes oblag.

Diesen hatten unter voller Verantwortung die Etappenintendanten nach den Weisungen der Armeeintendanten über Ort, Menge und Zeitpunkt der bereitzustellenden Verpflegungsmittel zu bewirken. Durch ständige Fühlungnahme mit den Korpsintendanten einerseits, mit den Proviantdepots anderseits, übersahen die Etappenintendanten frühzeitig und am besten, wie der Nachschub einzurichten war. Ihre Pflicht war es auch, für alle die wirtschaftlichen Einrichtungen zu sorgen, die der äußersten Ausnutzung des Etappengebiets für die Verpflegung der Armee dienten. Wenn sie auch zum Teil von besonderen, dem Intendanten nicht unterstehenden Abteilungen der Etappeninspektion betrieben wurden, blieb es doch Sache des Etappenintendanten, alle irgendwie vorhandenen Möglichkeiten für eine solche Ausnutzung frühzeitig zu erkennen und ihre Verwirklichung bei der Etappeninspektion anzuregen und durch verständnisvolle Unterstützung zu fördern.

Die Korpsintendanten gelangten im Stellungskriege zu ganz besonderer Bedeutung dadurch, daß sie als bodenständige Gruppenintendanten die Anordnungen und Einrichtungen zu treffen hatten, die den oft in schneller Folge wechselnden Divisionen die Verpflegung in ihren Abschnitten sicherten. Sie hatten die von den Divisionen in den Abschnitten gesammelten Erfahrungen auszunutzen und die in den vielen bodenständigen Einrichtungen hervorgetretenen Mängel abzustellen. Das Fehlen des zweiten höheren Beamten und des eigenen Kraftwagens, die beide ursprünglich zur Verfügung gestanden hatten, erschwerten ihnen die restlose Erfüllung ihrer Aufgabe ungemein.

Die Divisionsintendanten, denen bei selbständig verwendeten Divisionen (insbesondere im Osten und bei den Kavalleriedivisionen) ganz besonders reiche Gelegenheit zur Entfaltung ihrer Organisationstalente und ihrer schöpferischen Tatkraft gegeben war, blieben, mit der Truppe eng verbunden, deren eigentliche Fürsorgestellen, denen die Aufgabe des "Tischlein deck dich!" zufiel, wenn sie dabei auch auf die vorausschauende Hilfe der höheren Verwaltungsstellen angewiesen waren. Da, wo diese aufhörte, begannen aber die vielen kleinen, oft auch recht großen Reibungen, zu deren Beseitigung keine Hilfsmittel vorgeschrieben oder vorbereitet waren. Hier hieß es, immer wieder neue Wege zu finden, mit praktischem Blick zu erkennen, wie der Truppe zu helfen war und dann mit rücksichtslosester Tatkraft zu handeln. In dauerndem persönlichen Verkehr mit Truppe, Kommandeuren und Verpflegungsoffizieren hatten die Divisionsintendanten sich von den Bedürfnissen der Truppe zu unterrichten und davon, ob die zu ihrer Befriedigung getroffenen Anordnungen zweckmäßig waren und richtig durchgeführt wurden.

Die Friedensausbildung der Beamten, die Bestrebungen, nur voll felddienstfähige Beamte für die Besetzung von Feldstellen in Aussicht zu nehmen [90] und die Beamten im Frieden felddienstfähig zu erhalten, haben sich voll bewährt. Während im Kriege 1870/71 von sämtlichen preußischen Korpsintendanten nur drei in Feldstellen verwendet wurden (zwei als Armee-, einer als Korpsintendant) blieben jetzt nur ebenso viele daheim, und auch von den übrigen Friedensbeamten zeigte sich die größte Mehrzahl den nicht geringen Anstrengungen, die gleich der Anfang des Krieges ihnen brachte, durchaus gewachsen. Sie haben auch in der überwiegenden Mehrzahl die Kriegsjahre durchgehalten. Die Abgänge an Krankheit hielten sich in sehr engen Grenzen.

Trotzdem noch von den am Anfang als zu alt und nicht voll felddienstfähigen daheim gebliebenen Beamten ein Teil nachträglich mit gutem Erfolge im Felde Verwendung fand, machte sich insbesondere beim Intendanturpersonal, bei dem ja nicht, wie beim Proviantamtspersonal, ein Beurlaubtenstand herangebildet war, schnell Personalmangel recht empfindlich bemerkbar. Insbesondere fehlte es an höherem Personal zur Besetzung der Intendantenstellen bei neu aufgestellten Divisionen. Die Korpsintendanten mußten die ihnen beigegebenen Feldintendanturräte hergeben, die Armeeintendanten die bei ihnen Dienst tuenden Feldintendanten.

Das war ein Eingriff, dessen schädliche Folgen schon erwähnt sind. Bei den Armeeintendanten mußte später die Maßnahme rückgängig gemacht und der planmäßige Zustand wiederhergestellt werden.

Bald reichten die höheren Intendanturbeamten überhaupt nicht mehr aus und in immer größerer Zahl mußten Intendantursekretäre als Vorstände der Divisionsintendanturen verwendet werden. Wenn sie auch, im Frieden gut vorgebildet, im Felde mit dem Verpflegungsdienst voll vertraut gemacht, ihre Stelle zumeist gut ausgefüllt und wärmste Anerkennung ihrer Kommandeure gefunden haben, so fehlten sie doch in ihren alten Stellen, wo sie um so dringender gebraucht wurden als ohnehin zur Verstärkung Hilfspersonal in großer Zahl hatte eingestellt werden müssen, zu dessen Anleitung und Beaufsichtigung das aktive Personal schwer und nicht ohne Schädigung der Sache entbehrt werden konnte.

Sowohl in der Heimat als auch beim Feldheer war frühzeitig in Erkenntnis des bevorstehenden Mangels mit der Ausbildung von Hilfspersonal begonnen worden. Mit anerkennenswertem Eifer und gutem Erfolg war es bemüht, seine aus den bürgerlichen Berufen mitgebrachten Kenntnisse und Erfahrungen für den Feldverwaltungsdienst nutzbar zu machen und sich die unerläßliche Kenntnis von Bestimmungen und deren Anwendung anzueignen. In manchem Sonderdienst, insbesondere bei der Etappe, konnten sie den aktiven Beamten bald entbehrlich machen, ja vielleicht übertreffen. Die an den Intendanturbeamten gestellten Anforderungen sind aber zu vielseitig, als daß die lange und harte Friedensschule durch eine Schnellpresse ersetzt werden konnte.

Ähnlich lag es bei den Hilfsbeamten des höheren Dienstes, die fast ausschließlich den Kreisen der Juristen entnommen wurden, also dem Stande, [91] der auch einen großen Teil der Anwärter für die Laufbahn des aktiven höheren Intendanturbeamten gestellt hatte. Sie konnten bald in Vorstandsstellen der Etappenintendanturen Verwendung finden, wo ihr Aufgabenkreis begrenzt war, in einzelnen Fällen auch als Divisionsintendanten, wenngleich hier eine eingehendere Bestimmungskenntnis und Verwaltungserfahrung nötig war.

Zur Ergänzung des gut geschulten und vortrefflich bewährten aktiven Magazinpersonals, das nicht annähernd zur Besetzung aller Stellen ausreichte, stand zunächst das im Frieden ausgebildete Personal des Beurlaubtenstandes zur Verfügung, das aber schon für die erste Stellenbesetzung bei Beginn des Krieges aufgebraucht wurde. Weiterhin fanden sich für den Magazindienst, insbesondere für gewisse Sonderstellungen, Persönlichkeiten, die durch ihren Friedensberuf gut vorgebildet waren und sich bald in die neuen Aufgaben einarbeiteten. Der Frontsoldat hätte Anlaß, manchem Hilfsbeamten und Beamtenstellvertreter, in dem er gern nur den "Drückeberger" sah, für seine fürsorgende, aufopfernde und durchaus nicht immer gefahrlose Arbeit dankbar zu sein.


10. Schluß.

Will man die Frage erschöpfend untersuchen, ob die mit der Leitung des Verpflegungsdienstes betrauten Stellen ihre Aufgaben erfüllt haben, will man ein klares Bild von dem gewinnen, was sie geleistet haben, so muß man, den Operationen der einzelnen Armeen, Armeekorps und Divisionen nachgehend, die Durchführung des Verpflegungsdienstes in den verschiedenen Verpflegungslagen prüfen. Nur eine umfangreiche "Geschichte des Verpflegungsdienstes" könnte das tun. In dem hier gegebenen engen Rahmen, worin ein Überblick über die "Organisation der Heeresverpflegung" zu geben war, war das nicht möglich.

An harten Urteilen über die Verpflegung im Felde hat es nicht gefehlt; und auch heute noch hört man Klagen, vielleicht heute sogar in noch höherem Maße, wo in weiten Kreisen, die vor dem Kriege einfach und bescheiden gelebt haben, gerade im Essen und Trinken ein übertriebener Aufwand sich breit macht und wo der Maßstab, der im Kriege an die Verpflegung anzulegen war, vergessen ist. Das Bestreben, sich interessant zu machen, spielt heute, wie im Kriege, dabei keine geringe Rolle. Untersuchungen, die auf Grund jämmerlicher Klagebriefe im Kriege angestellt worden sind, haben immer wieder bestätigt, daß sie Ausflüsse augenblicklicher Stimmungen waren, noch häufiger Versuche, in der Heimat Mitleid zu erregen, ja daß sie nicht selten in einem Augenblick verfaßt waren, wo durchaus kein Grund zur Klage gegeben war.

So liefen bei einem Bataillon Infanterieregiments Nr. 72 im September 1914 einem Feldwebel täglich Feldpostkarten durch die Hand, in denen über Hunger geklagt wurde, während die Verpflegung gerade damals beim Bataillon [92] überreichlich war. Der Schwiegersohn eines Zeitungsverlegers schrieb einen Klagebrief nach Hause und war entsetzt, als er ihn in der Zeitung seines Schwiegervaters veröffentlicht las, da er seine eigenen Übertreibungen sofort erkannte. Sie mußten widerrufen werden. Ähnliche Fälle sind in großer Zahl festgestellt.

Auch die Behauptungen, daß die Mannschaftsverpflegung oft zugunsten der Offizierverpflegung verschlechtert wäre, müssen in diesem Zusammenhang erwähnt werden. Auch ihnen liegen nicht Tatsachen zugrunde, sondern in den meisten Fällen Klatsch, Gerüchte und - Aufhetzungen. Gewiß hätte hier und da, wo besondere Offizierküchen eingerichtet waren, manches unterlassen werden können, damit auch der Schein vermieden wäre, als ob dem Manne irgend etwas vorenthalten würde, um den Offizier besser zu verpflegen. Schon das Zahlenverhältnis der Teilnehmer an der Offizierküche zu den aus der Mannschaftsküche Gespeisten schloß eine bemerkenswerte Schädigung der Mannschaften aus, selbst, wenn die Offizierküche besser als die Mannschaftsküche abgefunden worden wäre. Die bessere Verpflegung der Offiziere beruhte aber einmal darauf, daß bei einer Zubereitung für eine geringere Teilnehmerzahl aus denselben Zutaten etwas anderes hergestellt werden konnte, als bei einer Massenzubereitung in der Feldküche, ferner darauf, daß die Offiziere dieses oder jenes zur Verbesserung der Kost hinzukauften, ohne es dadurch der Mannschaftsverpflegung zu entziehen. Was für 20 - 30 Personen zu beschaffen war, war oft nicht für mehrere hundert aufzutreiben. An strenger Kontrolle der gleichmäßigen Verteilung der Verpflegung auf Offiziere und Mannschaften hat es nicht gefehlt.

Es kann und soll nicht bestritten werden, daß gehungert ist. Selbst im Überfluß läßt sich bei vortrefflichster Organisation nicht vermeiden, daß in gewissen Gefechtslagen gehungert wird. Herrscht aber im Rücken des kämpfenden Feldheeres so schreiender Mangel, wie in der deutschen Heimat in den letzten Kriegsjahren, so muß trotz aller Anstrengungen auch der Frontsoldat allgemein seine Ansprüche herabschrauben und kann nicht mehr das ihm Gebotene an dem guten Leben in besseren Zeiten messen, sondern muß sehen, wie man daheim lebt. Auf die Dauer aber reichte die Ernährung (abgesehen davon, daß sich eine fast unerträgliche Eintönigkeit nicht vermeiden ließ) nicht aus, den Frontsoldaten bei den ungeheuren seelischen Erregungen, der fieberhaften Anspannung der Nerven und den großen körperlichen Anstrengungen widerstandsfähig zu erhalten. Es unterliegt auch keinem Zweifel, daß bei besserer Ernährungslage jenen Bohrwürmern, die unsere Front von innen zernagten, ihre Arbeit erheblich erschwert, vielleicht unmöglich gemacht wäre.

Das war aber nicht Schuld des Heeresverpflegungsdienstes, sondern eine notwendige Folge der Hungerblockade. Dieser Erfolg muß dem mörderischen Kampfmittel der Feinde zugestanden werden; heimische und Feldbehörden haben aber mit Zähigkeit und Erfolg gerungen, die Wirkung der Blockade [93] hinauszuschieben und nicht zu einer Katastrophe für das mit der Waffe siegreiche Heer werden zu lassen.

Es ist auch nicht Schuld der Leitung des Verpflegungsdienstes, wenn siegreiche Angriffsbewegungen trotz des Weichens des Feindes nicht unaufhaltsam weitergetragen werden konnten, sondern zur Ordnung der rückwärtigen Verbindungen zeitweise angehalten werden mußten. In solchen Augenblicken fehlte der gesamte Nachschub, da die Verkehrsmittel nicht mehr ausreichten.

Wird einstmals eine Geschichte der Heeresverpflegung im einzelnen die Leistungen des Verpflegungsdienstes werten, wird sie ihm volle Anerkennung nicht versagen können. Schon diese kurzen Betrachtungen haben aber gezeigt, daß die im Frieden geplante Organisation der Heeresverpflegung sich mit geringen Änderungen den vielgestaltigen Verhältnissen, die der Weltkrieg brachte, ohne weiteres anpassen konnte. Wo die besonderen Umstände Änderungen erheischten, waren es solche, die eben diesen Sonderverhältnissen Rechnung tragen mußten, ohne daß sie grundlegende Bedeutung hatten. Die schon mehrfach erwähnte Anleitung zur Verpflegung des Feldheeres, in der Hauptsache ein Werk des langjährigen Abteilungschefs der Verpflegungsabteilung des preußischen Kriegsministeriums, Wirklichen Geheimen Rats Weidemann, hatte sich vollauf bewährt. Die in ihr niedergelegten Grundsätze und Fingerzeige hatten die Organe des Verpflegungsdienstes befähigt, ihre in ungeahnter Weise gewachsene Aufgabe bis zum letzten Tage des Bestehens des ruhmreichen alten Heeres zu erfüllen.


[94-95] Anlage 1

Darstellung des Verpflegungs-Nachschubs der 6. Armee.
[94-95, Anlage 1 zu Bd. 7]      Darstellung des Verpflegungs-Nachschubs der 6. Armee (Stand am 9. April 1917).
[Vergrößern]


[96] Anlage 2

Vergleichende Übersicht der Lebensmittelportionen in Feldheer und Heimat
(Stand November 1917).

A. Feldheer (mobile Formationen).

Tagessätze.
 

Brot (Grundportion) 600 g 

Fleischa
(Rauchfleisch, Speck, Kon-
serven 150 g, Klippfisch 200 g)
250 g 

Gemüseb
Reis, Graupen, Grütze,
Grieß, Hirse, Haferflocken
125 g 
oder Hülsenfrüchte 250 g 
" Dörrgemüse 60 g 
" Nudeln 200 g 
" Sauerkohl 450 g 
" Backobst 125 g 
" Speiserüben 1200 g 
" Kartoffeln 1500 gb
" Kartoffelflocken 250 gb
" Dörrkartoffeln 300 gb

Fettc
An 3 Tagen im Monat Butter
        und Marmelade
55 g
30 g
An 12 Tagen im Monat Schmalz
        und Marmelade
55 g
30 g
An 10 Tagen im Monat Wurstkonserven 125 g

Zucker
Zu jeder Teeportion 17 g, zu jeder Kakao-
portiond 25 g, sonst als Zulage,
insgesamt rund 35 - 40 g pro Tag.

Das sind Nährwerteinheiten:e
a) Fechtende Truppen
b) Etappentruppen
2500
2300
—————
aFleisch nur an 6 Tagen in der Woche. Für den 7. fleischlosen Tag
      konnte an jedem Tage der Woche ein Weizenmehlzuschuß
      bis zu 20 g gegeben werden.

bDa es nur 500 g Kartoffeln oder entsprechende Teile der Kartoffelflocken-
      oder Dörrkartoffelportion als 1/3 des Tagessatzes gab, wurden daneben
      noch 2/3 einer anderen Gemüseportion gewährt; bei weiterer
      Verringerung der Kartoffelportion entsprechend größere Teile
      einer anderen Gemüseportion.

cDie Verteilung auf die Tage war nicht bindend, richtete sich nach den
      Beständen. Im allgemeinen gab es schon 1917 häufiger Marmelade.

dKakao wurde nur auf ärztliche Verordnung verabfolgt.
eGetränkeportionen, Tabakportionen sind hier nicht berücksichtigt,
      weil sie für den Vergleich keine Rolle spielen.


[97] B. Zivilbevölkerung in der Heimat.

Wochensätze.

Verpflegungsmittel Zeitraum Jugendliche von 12 - 18 Jahren Normalsatz Schwer-
arbeiter
Schwerst-
arbeiter

g g g g

Mehla wöchentlich  1750  1400  2100  2800
Das ist Brot rund "  2440  1950  2925  3900
Fleischb "     250c     250c     300c     350c
Fett "      62,5      62,5      62,5   125
Fettzulage für Rüstungswerke
      mit Massenspeisung "     40     40
      ohne       " "     25     25
Kartoffeln "  2625  2625  5250  5250
oder Kartoffeln "         1500      1500  1500   1500
und Kohlrüben " 2250e      2250e  2250e  2250e
Zucker monatlich 750-800f
Nährmittel: Grieß,
      Teigwaren, Graupen,
      Haferflocken, Suppen
" 250-1250
Das sind Nährwerteinheiten 1580 1400 1730 2130
—————
a700 g Mehl Wochenzulage nur bei Leistung von Über- und Nachtschichten.
bFür Kranke waren Zusatzkarten zulässig.
cOder an Stelle von 75 g Fleisch = 150 g Wurst.
dMindestsatz.
eMindestsatz
fZulage an Kommunalverbände in Industrie- und Bergwerksgebieten bis höchstens
      150 g monatlich auf den Kopf der Industriearbeiter und deren Angehörigen.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte