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Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung, Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden Organisationen

  Kapitel 10: Nachrichtenwesen und Aufklärung   (Forts.)
Oberst Walter Nicolai

3. Die Propaganda.

Im Gegensatz zu Deutschland verfügte der Feindbund bereits vor dem Kriege über eine Organisation, die der politischen Propaganda diente. Sie unterhielt Vertreter besonders in den nicht dem Feindbund angeschlossenen, im Fall eines Krieges also neutralen Staaten und verstand es, auf das Organ der öffentlichen Meinung in diesen Ländern, die Presse, einen ausschlaggebenden Einfluß sich zu verschaffen. Als der Krieg ausbrach, wurde die Organisation der politischen Propaganda mit der des militärischen Nachrichtendienstes vereinigt. Wo dieses nicht vollständig geschah, erfolgte wenigstens eine gemeinsame Leitung und gegenseitige Ergänzung: was der Nachrichtendienst aus Deutschland berichtete, nutzte die Propaganda aus, was die Propaganda in Deutschland zeitigte, wurde vom Nachrichtendienst beobachtet. Dieses Wechselspiel zwischen Nachrichtendienst und Propaganda gedieh auf feindlicher Seite zur Vollendung, weil militärische und politische Leitung ein gemeinsames Ziel hatten: den Sieg.

Auf deutscher Seite fehlte es dagegen vor dem Kriege der Politik an jedem propagandistischen Werkzeug. Einen Einfluß auf die öffentliche Meinung des Auslandes durch die auswärtige Presse besaß die deutsche Regierung nicht. Er wurde nur gesucht durch deutsche Blätter, die es infolge der hinter ihnen stehenden Finanzkräfte verstanden hatten, vor anderen deutschen Blättern sich im Ausland Verbreitung zu sichern. Es waren dies vorzugsweise die Frankfurter Zeitung, das Berliner Tageblatt und der als Organ der internationalen Sozialdemokratie auch im Ausland verbreitete Vorwärts. Als der Nachrichtendienst des Generalstabs im Jahre 1912 begann, mit Auslandsdeutschen in Verbindung zu treten, um sie für den Fall eines Krieges zu seinen [487] Zwecken in den Dienst der Heimat zu stellen, wie dieses der Feindbund im großen Umfang vorbereitete, fanden die Bestrebungen des Generalstabs in bezug auf ihren Erfolg ungläubige Zweifel und Widerstand durch die diplomatischen und konsularischen Vertreter und keine Nachahmung auf dem Gebiete der politischen Propaganda. Allerdings sind diese Zweifel bestätigt worden. Die Auslandsdeutschen haben weder im Nachrichtendienst noch in der Propaganda irgendeinen erheblichen Nutzen für ihr kämpfendes Vaterland bringen können. Dies lag aber nicht an ihrem mangelnden Willen, sondern daran, daß ihnen im Frieden ausreichende Anlehnung an die amtlichen Stellen und im Kriege die rechtzeitige Leitung fehlte.

Der Generalstab stellte Jahr für Jahr Mobilmachungsarbeiten auf. Jedes Frühjahr wurde das Ergebnis der Arbeit des abgelaufenen Jahres verbrannt, um neuen, der Zeit angepaßten Vorarbeiten für die Mobilmachung und den Aufmarsch Platz zu machen. Damit arbeitete der Generalstab nicht auf den Krieg hin; aber er sah und wußte, daß einmal die Stunde kommen würde, wo es für das deutsche Volk hieß, das in fleißiger Arbeit des werktätigen Volkes und im ruhmreichen Aufstieg seiner Geschichte Errungene mit den Waffen zu verteidigen.

Von dem politischen Leben ängstlich ferngehalten, blieb seine Arbeit auf die Vorbereitung des Kampfes mit den Waffen beschränkt. Hieraus machen ihm nach dem Kriege besonders diejenigen Parteien einen Vorwurf, die vor dem Kriege eine umfassende und im Geiste einheitliche Kriegsvorbereitung verhinderten und selbst im Kriege der militärischen keinen Einfluß auf die politische Kriegführung zubilligen wollten. Die Vorbereitungen, die der Generalstab auf seinem Arbeitsgebiet im Frieden getroffen hatte, zeigten sich als vollendet. Mobilmachung und Aufmarsch des deutschen Heeres verliefen ohne jede Störung, und die Führerausbildung des Generalstabs bewährte sich in siegreichen Anfangsschlachten auf beiden Fronten. Die militärischen Erfolge trugen den Krieg in Feindesland, ersparten der Heimat die Schrecken des Kriegschauplatzes und legten die ganze Last des Krieges besonders Frankreich und Rußland auf. Die deutschen Siege waren das einzige Mittel, das in dem Werben um den Anschluß der Neutralen für Deutschland wirkte. Im Vertrauen auf sie vereinten Türkei und Bulgarien ihr Schicksal mit dem Deutschlands. Die Stärke der deutschen Waffen und des deutschen Siegeswillens, nicht aber ein gemeinsames politisches Ziel, wie beim Feinde die Vernichtung Deutschlands, wurde das einzige Band um den Bund der Mittelmächte.

Ganz beschäftigt mit den gewaltigen Aufgaben zur Behauptung in dem aufgezwungenen Kampf beschränkte sich der zur Obersten Heeresleitung gewordene Generalstab, wie im Frieden, zunächst auf die rein militärischen Fragen des Krieges. Dieser hatte aber schon mit Handlungen von weittragen- [488] der politischer Bedeutung eingesetzt. Die deutsche Kriegserklärung an Rußland gab dem Feindbund und seiner politischen Propaganda die Möglichkeit, vor der Welt die Schuld am Ausbruch des Krieges von sich und ihrem Beauftragten Rußland auf Deutschland abzuschieben. Der deutsche Einmarsch in Belgien, von dem nachzuweisen war, daß er nur dem der Entente und dem geplanten Anschluß Belgiens an den Feindbund zuvorkam, wurde vom deutschen Reichskanzler als Unrecht an Belgien hingestellt und gab hierdurch der feindlichen Propaganda eine über Erwarten günstige Gelegenheit, den deutschen Verteidigungskrieg als einen auf Bruch des Völkerrechts und auf Unrecht beruhenden Eroberungskrieg erwiesen hinzustellen. Die vorbereitete Teilnahme der Bevölkerung in Belgien am Krieg zwang zu rücksichtslosem Einschreiten im Interesse der Sicherheit der deutschen Truppen. Auch dieses nutzte der Feind unwidersprochen aus, um die Deutschen Barbaren und Verbrecher gegen die Gesetze der Menschlichkeit zu nennen. Der feindlichen Propaganda war in den Sattel geholfen.

Sieg folgte auf Sieg der deutschen Waffen und wandte das Vertrauen des deutschen Volkes immer mehr der militärischen Führung zu. Beim Feinde aber weckte der Krieg im eigenen Lande und die bedrohliche Lage auf den Kriegsschauplätzen ein immer stärker werdendes Werben um neue Bundesgenossen, und der Erfolg dieser politischen Arbeit vertiefte in den gegen Deutschland kämpfenden Völkern Ansehen und Macht der politischen Staatsleitung. Diese Entwicklung muß gewürdigt werden, wenn richtig verstanden werden soll, wie die feindliche Propaganda als Kampfmittel wuchs und Erfolg hatte.

Der Ausbruch des Krieges und das Einsetzen der feindlichen Propaganda auf dem Gebiet der politischen Kriegführung ließ auch in Deutschland die Erkenntnis reifen, daß das im Frieden Versäumte nachgeholt werden müsse. Das Auswärtige Amt nahm das Angebot des schon im Frieden außerordentlich rührig hervorgetretenen Abgeordneten Erzberger an, eine deutsche Propaganda, verbunden mit einem politischen Nachrichtendienst, einzurichten und stattete ihn hierzu mit umfangreichen personellen und materiellen Mitteln aus. Daneben unternahmen es zahlreiche Privatverbände und einzelne Persönlichkeiten, im In- und Auslande für die deutsche Sache propagandistisch einzutreten. Mangels planvoller Vorbereitung und Leitung führte dieses Vorgehen zur Zersplitterung und zu Erscheinungen, die die Sympathie des Auslandes eher von Deutschland ab-, als ihm zuwandten. Der ausbleibende Erfolg ließ eine Unternehmung nach der anderen eingehen. Der vom Abgeordneten Erzberger geleitete amtliche Propagandadienst konnte vor allem deshalb nicht zum Ziele führen, weil mit diesem Abgeordneten eine Persönlichkeit an die Spitze getreten war, der jede Kenntnis des Auslandes abging, die auch im nationalen Sinne nicht dasjenige Vertrauen besaß, das notwendig war. Deshalb wurde er nur zurückhaltend betrieben und die Persönlichkeit ihres Leiters, [489] auch der Obersten Heeresleitung gegenüber, niemals amtlich genannt. Noch bedenklicher aber war es, daß mit dem Abgeordneten Erzberger ein ausgesprochener Parteipolitiker die Leitung der deutschen Propaganda erhalten hatte, der von Anfang an deutlich erkennbare eigene politische Wege ging, die nicht immer mit denen der verantwortlichen politischen Reichsleitung übereinstimmten, und der von Anfang an nicht die Notwendigkeit, sich gegen den feindlichen Vernichtungswillen zu behaupten, vertrat. Der deutsche Propagandadienst ist auf diesem Wege von vornherein Gegenstand des Parteikampfes geworden, anstatt Sache einer über den Parteien stehenden Kriegsleitung zu sein, wie dies beim Feinde der Fall war. Dieselben Erscheinungen traten in dem vom Abgeordneten Erzberger geleiteten politischen Nachrichtendienst auf. Dieser suchte nicht, wie der militärische Nachrichtendienst, die Verhältnisse beim Feinde und weiter nichts festzustellen, sondern deutlich trat in die Erscheinung, daß er bemüht war, bestimmte Ansichten zu beweisen, also nicht Nachrichtendienst, sondern Politik zu treiben. Es spielten im politischen Nachrichtendienst Persönlichkeiten im Ausland eine Rolle, die der Generalstab als unzuverlässig, wenn nicht im Dienst des Feindes stehend erkannt und deshalb aus seinem Nachrichtendienst entfernt hatte. Unter diesen Umständen lehnte die Oberste Heeresleitung sehr bald sowohl die halbamtliche Propaganda wie den politischen Nachrichtendienst durch Unverantwortliche ab und erhob beim Reichskanzler v. Bethmann-Hollweg die Forderung, daß die Propaganda im Ausland und in Deutschland in seine allein verantwortliche Hand übergehen müsse. Erst im Jahre 1916 gelang es aber, den Beschluß herbeizuführen, daß die Zentralstelle für Auslandsdienst im Auswärtigen Amt den Anforderungen der Lage sich anpassen sollte. Als Vertreter der militärischen Interessen wurde ihr der Oberstleutnant v. Haeften vom Generalstab beigegeben. Erst von diesem Zeitpunkt ab war ein gewisser militärischer Einfluß auf die Propaganda gesichert.

Zunächst war die Presse das einzige, sie blieb auch das stärkste Instrument der feindlichen Propaganda. Sie stellte Deutschland vor dem Ausland als schuldig am Kriege, als Kriegsverlängerer durch Annexions- und Weltherrschaftsgelüste hin und unterstützte ihre Regierungen im Werben um den Anschluß Neutraler an die Entente, indem sie die Erfolge der deutschen Waffen verkleinerte und von eigenen Waffenerfolgen weit über das Maß des Tatsächlichen berichtete.

Neben dieser für das Ausland bestimmten Propaganda, die die eigenen Kräfte zu stärken bestimmt war, ging eine zielbewußte Propaganda zur Erschütterung der deutschen Kampfkraft. Der Feind hatte sehr wohl erkannt, welche Bedeutung in einem monarchischen Staatswesen das Staatsoberhaupt besitzt. Deshalb war die Dynastie der Hohenzollern das oberste Ziel der gegen die deutsche Kampfkraft gerichteten Propaganda. Schon bald nach Kriegs- [490] beginn begann sie durch England. Sie wurde wesentlich gesteigert, als Amerika in den Krieg eintrat, erreichte aber ihren Höhepunkt durch Frankreich und Belgien, die die Person des deutschen Kaisers und auch des Kronprinzen in der gemeinsten Weise verleumdeten und auch durch Abwurf von Flugblättern über dem Feldheer und ihre Einfuhr aus dem neutralen Ausland nach Deutschland das Vertrauen in Heer und Volk gegen den Monarchen zu erschüttern unternahmen. Französische Zeitungen schrieben schon im Frühjahr 1917: "Die Alliierten würden ein Meisterstück vollbringen, wenn sie den einfältigen Massen einschärften, sie dürften auf Vergebung hoffen, wenn sie eine Familie opferten, die gewiß allgemein unbeliebt ist und nur durch den Terror regiert." Es ist bekannt, bis zu welchem Grade diese Gedanken der feindlichen Propaganda in Deutschland Wurzel faßten. Der Ausbruch der Revolution und der militärische Zusammenbruch wurden durch den Rücktritt des Kaisers entschieden, nachdem dieser Schritt von denjenigen politischen Kreisen in Deutschland gefordert worden war, die den Versprechungen der feindlichen Propaganda vertrauten.

Die antimonarchische Propaganda wurde, als zu Beginn des Jahres 1918 auf feindlicher Seite ein einheitlicher militärischer Oberbefehl hergestellt worden war, durch eine Propaganda gegen die deutschen Heerführer, besonders gegen den General Ludendorff, ergänzt. An das Vertrauen, das der Generalfeldmarschall v. Hindenburg genoß, wagte man sich nicht heran. Es war den Feinde auch klar, daß die Seele des Generalstabs, wie Hindenburg ihn an seinem 70. Geburtstag selbst genannt hatte, der General Ludendorff war. Blieb der Heros des Volkes Hindenburg von Verleumdung und Angriff verschont, so gewann das, was gegen Kaiser und Ludendorff verbreitet wurde, an Glaubwürdigkeit und Wirkung. So ist es zu erklären, daß der Generalfeldmarschall in der gesamten feindlichen Propaganda in Wort, Schrift und Bild kaum erwähnt wurde. Dafür wandte sie sich um so heftiger gegen den General Ludendorff, den sie als den eigentlichen Kriegsverlängerer hinstellte.

Während die Propaganda auf der Ostfront sich unter Leitung englischer und französischer Offiziere der plumpen Schlagworte der russischen Revolution bedienen konnte und hiermit bei den deutschen, in weiter Verteilung auf dem östlichen Kriegsschauplatz zurückgelassenen Truppen nicht unwesentliche Erfolge hatte, fand auf der Westfront durch Abwurf von Flugblättern eine mit den raffiniertesten Mitteln arbeitende, von England, Amerika und Frankreich gleichmäßig geförderte Propaganda statt, die aber zunächst jeden Eindruck auf die deutschen Truppen verfehlte. Angesichts des Feindes lehnten die Truppen die feindliche Propaganda, die ja als solche erkennbar war, fast durchweg ab. Die bei den Nachrichtenoffizieren abgelieferten Flugblätter zählten monatlich nach vielen Zehntausenden, und ganze uneröffnete Pakete ließen erkennen, daß die Truppen es verschmähten, den feindlichen Lügen [491] Beachtung zu schenken. Dies änderte sich aber, als die von der feindlichen Propaganda verbreiteten Gedanken 1917 in der Heimat begannen, überwiegenden Erfolg zu haben und von dort durch Urlauber und Briefe den Weg zur Truppe fanden. Erst als die feindliche Propaganda gegen die Front der in der Heimat die Hand reichte, gewann sie Einfluß auf den Geist der Truppen. Aber der Kampf zeigte auch jetzt noch und bis zuletzt seine reinigende Wirkung. Die am Feinde stehenden Truppen waren bis zuletzt pflichttreu und würdig ihrer für das Vaterland in den Tod gegangenen Kameraden. Aber hinter der kämpfenden Truppe, in den Etappen und dem besetzten Gebiete, sammelten sich zahlreiche Elemente, die ihrer Pflicht gegen das Vaterland untreu geworden waren, und die einen guten Keimboden bildeten für die nunmehr seit Frühjahr 1918 durch Abwurf und Einfuhr aus Holland in gewaltigem Umfang einsetzende feindliche Propaganda beim Feldheer, den Kampf aufzugeben. Wie der Spionage des Feindes, so haben auch seiner Propaganda Deutsche Dienste geleistet und sich als Landesverräter betätigt. Im neutralen Ausland, besonders in Holland und in der Schweiz, sammelten sich Fahnenflüchtige an, die bei ihrer hierdurch bewiesenen Gesinnung leicht restlos ein Opfer der feindlichen Propagandastellen wurden, und sich in ihren Dienst stellten, indem sie selbst Schmähschriften gegen ihr Vaterland verfaßten, im Ausland verbreiteten und nach Deutschland und in die Etappe hineinbrachten. Bis zu welchem Grade die feindliche Lüge schließlich geglaubt wurde, zeigte sich, als in den besetzten Gebieten und in der Etappe die Revolution ausbrach. Die Betörten glaubten fest daran, daß auch in den feindlichen Schützengräben und auf den feindlichen Flotten die rote Fahne wehe. Sie zwangen ihre noch pflichttreuen Kameraden, daß sie die Waffen niederlegten, weil der Krieg beendet und ein Frieden ohne Kriegsentschädigung die "Freiheit" des deutschen Volkes bringen würde.

Die Mittel, welche die Oberste Heeresleitung anwandte, um ihrerseits die Wirkung der feindlichen Propaganda in der Heimat und beim Feldheer zu bekämpfen, sind in den nächsten beiden Abschnitten besonders darzustellen. Hier ist zunächst nur zu erörtern, ob und wie die Propaganda erwidert worden ist. Der Gegner behauptet, mit seiner gegen die deutsche Front gerichteten Propaganda die deutsche nachgeahmt zu haben. Er begeht hiermit bewußt eine Unwahrheit. Die feindliche Propaganda im Ausland begann wohlvorbereitet gleichzeitig mit Kriegsausbruch, die gegen die deutsche Front bald nach Einsetzen des Stellungskrieges. Sie ist deutscherseits zuerst an der Ostfront gegen die russischen Armeen zur Zeit ihrer Revolutionierung nachgeahmt und damit erwidert worden. Im Frühjahr 1918 bot die Vlamenbewegung Anlaß, eine Propaganda - und zwar erfolgreich - gegen das belgische Heer einzuleiten. Es stand gegen Schluß des Krieges völlig verseucht verwendungsunfähig hinter der feindlichen Front. Als Präsident Wilson begann, mit seinen [492] Friedensworten Eindruck auf das deutsche Volk zu machen, wurden diese auch zu einer Propaganda unter den amerikanischen Truppen verwertet. Ein Erfolg war nicht festzustellen. Im übrigen fehlte es aber in den feindlichen Heeren, besonders im englischen und französischen, an Angriffspunkten. Die Regierungen dieser Länder hielten mit eiserner Strenge die Disziplin in Heer und Volk aufrecht, versperrten jeder Propaganda erfolgreich den Weg und schritten mit unerbittlicher Härte ein, wo etwa Zersetzungserscheinungen sich zeigten. In Frankreich hatte die Regierung den Rachegedanken nie zum Einschlummern kommen lassen; dazu gab der Umstand, daß das französische Volk den Krieg im eigenen Lande hatte, der nationalen Leidenschaft mächtigen Aufschwung. England kämpfte um seine Weltstellung. Das Bewußtsein von der Bedeutung dieses Kampfes ließ das englische Volk die gewaltige Belastung durch die allgemeine Wehrpflicht willig tragen und schützte sein Heer gegen jeden Einfluß einer Propaganda, die etwa nur auf Beseitigung des Kampfwillens im Heere ausging, während der Kampfwille des englischen Heimatlandes und vor allem seiner Regierung noch nicht gebrochen war.

Einer militärischen Propaganda gegen die feindlichen Heere auf der Westfront fehlte die politische Vorarbeit. Die Politik hatte aber nicht nur die Vorarbeit, sondern auch vorzugsweise den Inhalt jeder militärischen Propaganda zu liefern. Während dies beim Gegner geschah, vollzog sich die deutsche Frontpropaganda gegen den Feind nur unter stillem Widerspruch, die Ausnutzung der Vlamenbewegung gegen das belgische Heer sogar unter offenem Protest des Auswärtigen Amtes. Die in Deutschland durch die Friedensresolution seit dem Juli 1917 festgelegte Politik der Verständigung hatte zur Folge, daß alles unterlassen werden sollte, was den Gegner reizen oder an dem Verständigungswillen Deutschlands hätte Zweifel hervorrufen können. Während beim Gegner die Regierungen, seit Anfang 1918 der Oberste Kriegsrat, die gegen das deutsche Volk gerichtete Propaganda in jeder Weise förderten und alle Mittel des Staates und der Politik in den Dienst dieses Kampfmittels stellten, so daß die militärischen Behörden des Kriegsschauplatzes nur ausführende Organe wurden, war in Deutschland das Gehenlassen der ersten drei Kriegsjahre mit der Friedensresolution durch den Verzicht der Regierung auf eine offensive Propaganda abgelöst worden. Die deutsche Politik beschränkte sich völlig auf die Verteidigung. Unter diesen Umständen kam eine deutsche politische Propaganda eigentlich überhaupt nicht mehr zustande, sondern nur eine schwächliche Abwehr. Diese aber bot nichts, womit eine militärische Propaganda gegen die feindliche Front hätte arbeiten können.

General v. Falkenhayn vertrat sehr bald nach Übernahme der Geschäfte der Obersten Heeresleitung bei der Reichsregierung die Notwendigkeit einer aktiven deutschen Aufklärungstätigkeit im neutralen und feindlichen Ausland. In Würdigung dessen, daß es sich hier um eine politische Angelegenheit handelte [493] und daß die Reichsregierung anscheinend mit dem Aufbau einer Propaganda beschäftigt war, beschränkte er sich auf die Forderung, der Zentralstelle für Auslandsdienst im Auswärtigen Amt einen Generalstabsoffizier als Vertreter der militärischen Interessen bei der Propaganda zuzuteilen. Dieses Ziel war erst dicht vor seinem im August 1916 erfolgten Rücktritt von der Obersten Heeresleitung erreicht. Damit gingen die Angelegenheiten der Propaganda, die bis dahin von der Abteilung III B bearbeitet waren, auf den Oberstleutnant v. Haeften über und fanden auch militärisch ihren Mittelpunkt in Berlin in der sich allmählich entwickelnden "militärischen Stelle des Auswärtigen Amtes". Die Abteilung III B blieb mit der Propaganda nur insoweit verbunden, als der Nachrichtendienst über Ziel und Erfolge der feindlichen Propaganda im Ausland berichtete, die Nachrichtenoffiziere bei den Armeeoberkommandos das Vordringen der feindlichen Propaganda beim Feldheere und der Abwehrdienst die Unternehmungen der feindlichen Propaganda in Deutschland feststellten.

Generalfeldmarschall v. Hindenburg und General Ludendorff nahmen die Forderung nach deutscher Propaganda mit Nachdruck auf. Sie wiesen den Reichskanzler Graf Hertling darauf hin, daß in England mit Lord Northcliffe ein Mann an die Spitze des Propagandadienstes getreten war, der, wie selten einer geeignet, sich seiner Aufgabe mit rastloser Energie widmete, daß neben ihm ein Propagandaminister für das neutrale Ausland und ebenso einer für das Inland wirkte. Hindenburg und Ludendorff forderten demgegenüber einen deutschen Propagandaminister, bestimmt, den militärischen Kampf politisch zu unterstützen und die militärischen Erfolge politisch auszuwerten. Graf Hertling erkannte die Forderung als berechtigt an, aber auch er trug ihr nicht politisch Rechnung. Unter seiner Kanzlerschaft wurde die militärische Stelle des Auswärtigen Amtes der eigentliche Träger der Propaganda. Sie wuchs erheblich an Umfang, schuf sich ein ausgedehntes System im Ausland, hatte im Großen Hauptquartier einen eigenen Vertreter und wurde bei der Ausführung der gegen die feindliche Front gerichteten Propaganda von den Nachrichtenoffizieren der Obersten Heeresleitung unterstützt. Was also schließlich unter dem Druck der militärischen Führer heranwuchs, war eine rein militärische Propaganda, der aber mangels politischer Unterstützung der Erfolg versagt geblieben ist.

Wie der feindliche Nachrichtendienst in den Landesverrätern, so fand auch die feindliche Propaganda in den sogenannten Miesmachern, den Defaitisten und Pazifisten, ihre Helfer in Deutschland. In den feindlichen Ländern von den Regierungen rücksichtslos unterdrückt, besorgten sie in Deutschland bewußt und unbewußt die Geschäfte der auf Zersetzung des deutschen Kampfwillens gerichteten feindlichen Unternehmungen. Dem höchsten Ziel der feindlichen Propaganda, der Revolutionierung Deutschlands, kamen alle jene Bestrebungen zugute, die in Deutschland gleichfalls zum Umsturz der [494] bestehenden Staatsordnung drängten. Beim Feinde dagegen zeigten auch die Oppositionsparteien Übereinstimmung mit dem nationalen Siegeswillen ihrer Regierungen. Wohl schien es manchmal, daß sich auch Deutschland die Möglichkeit bot, durch Förderung revolutionärer Strömungen beim Gegner den militärischen Kampf zu entlasten. In der französischen Presse viel beachtet wurde in der ersten Hälfte des Krieges, daß ein in deutsche Kriegsgefangenschaft gefallener sozialistischer Führer sich dem deutschen Nachrichtendienst zur Verfügung gestellt hatte, um nach Frankreich zurückzukehren und dort für Beendigung des Krieges zu wirken. Kaum dort angekommen, stellte er sich den Behörden seines Landes zur Verfügung, deckte den Vorgang auf und benutzte ihn, um gegen Deutschland und zum Kriege zu hetzen. Auch späterhin boten sich französische Sozialisten in deutschen Kriegsgefangenenlagern an, durch Briefe und Schriften auf eine Beendigung des Krieges in Frankreich hinzuwirken. Keine dieser Unternehmungen hat in Frankreich auch nur den geringsten Widerhall ausgelöst. Das deutsche Volk stand einer geschlossenen nationalen Front gegenüber, in die sich auch die Arbeiterschaft der Feindländer fast restlos eingliederte.

Genau verfolgt wurde bei der Obersten Heeresleitung auch die pazifistische Bewegung. Nicht das geringste praktische Ergebnis war festzustellen, dagegen eine sehr lebhafte Ausnutzung dieser Bewegung im Sinne der feindlichen Propaganda. Infolgedessen fanden die Bestrebungen des Pazifismus im Kriege die Gegnerschaft der Obersten Heeresleitung, die ihr wiederum diejenige der deutschen Pazifisten zuzog und diese zum Werkzeug der feindlichen Propaganda im Kampf gegen das Vertrauen zur Obersten Heeresleitung machte.

Die Beweise, die der Nachrichtendienst von der Tätigkeit der feindlichen Propaganda und ihrer Wirkung im Ausland und in Deutschland aufbrachte, waren zahlreich. Sie zeigten, daß das Wort "Verständigung" nur ein Lockmittel der feindlichen Propaganda war und welches Schicksal der Haß der Feinde Deutschland bereiten würde, wenn es sich nicht behauptete. Wer nicht dem Feind blind vertraute, mußte erkennen, daß er meisterhaft die Stimmung der Welt für den Vernichtungsfrieden gegen Deutschland vorbereitete. Infolgedessen ordneten die militärischen Führer an, daß diese Beweise der feindlichen Gesinnung gegen Deutschland den Vertretern derjenigen Richtungen bekanntgegeben werden sollten, die an eine Verständigung glaubten und ihr zuliebe den Kampfwillen des Volkes brachen. Einen Erfolg erzielte sie auch hiermit nicht. Sie mußte aus politischen Gründen auch darauf verzichten, daß die Beweisstücke der feindlichen Propaganda als Warnung vor der wahren Gesinnung unserer Gegner dem deutschen Volke vor Augen geführt werden konnten. Unter dem Einfluß der Verständigungspolitik wurde in Deutschland alles verhindert, was dazu hätte beitragen können, den Haß des Feindes [495] zu erwidern und Kampfwillen zu erzeugen. Jedes Hervortreten der militärischen Behörden in dieser Richtung wurde als ein unzulässiger Eingriff in die von der Mehrheit des Reichstags gebilligte Politik bezeichnet und verhindert. Ob die gesammelten Beweisstücke der feindlichen Propaganda die Revolution überstanden haben und noch vorhanden sind, ist fraglich. Ohne sie zu kennen, wird das deutsche Volk niemals zu einem vollständigen Urteil über den Kriegsausgang kommen.

Die feindliche Propaganda erstrebte aber nicht nur, die Einigkeit des deutschen Volkes, sondern auch die zwischen Deutschland und den Verbündeten zu zersetzen. In Sofia war während des ganzen Krieges der amerikanische Gesandte der Leiter der feindlichen Propaganda in Bulgarien. Alle Bemühungen der militärischen Stellen, seine Entfernung durchzusetzen, scheiterten an den innerpolitischen Verhältnissen Bulgariens und an dem geringen politischen Einfluß Deutschlands. Noch schlimmer lagen die Verhältnisse in der Türkei. Eine schwache Regierung und ein durch Parteiungen und Nationalitäten zerrissenes Volk boten der feindlichen Propaganda zahlreiche Anknüpfungspunkte und Helfershelfer und bereiteten einer Abwehr erhebliche Schwierigkeiten. In Österreich-Ungarn fand die auf eine Zersetzung des Bündnisses hinzielende Tendenz der feindlichen Propaganda Kraft durch die Unterstützung durch Kaiser Karl. Die Mächte des Feindbundes hatten ein gemeinsames Ziel: Deutschland zu zertrümmern. Wurde dieses Ziel erreicht, dann waren Deutschlands Verbündete ohne weiteres ausgeliefert. Der militärische und politische Angriff wurde deshalb auf Deutschland vereinigt. Als Rußland mit dem Jahre 1917 aus der Reihe der Feinde ausschied und Deutschland seine ganze Kraft für den militärischen Auskampf an der Westfront vereinte, fand die feindliche Propaganda bei den Verbündeten Glauben, daß dieser Auskampf nur noch deutschen Interessen diene. Die militärischen Führer der Verbündeten hatten diese für den Ausgang des Krieges drohende Gefahr frühzeitig erkannt. Selbst in noch viel höherem Maße unter der Zerfahrenheit ihrer eigenen politischen Verhältnisse leidend, erwarteten sie von der deutschen Obersten Heeresleitung einen entscheidenden Einfluß auch auf diesem Gebiet. Schon im Mai 1917 hatte die österreichisch-ungarische Heeresleitung, im August 1917 die bulgarische, am 11. August 1917 der türkische Generalissimus Enver Pascha in einem persönlichen Brief an den Generalfeldmarschall v. Hindenburg sich zu derselben Auffassung der Gefahr und der Notwendigkeit ihrer Abwendung bekannt. Die Schritte, die die Oberste Heeresleitung unternahm, die gemeinsamen Forderungen der militärischen Führer bei den politischen Stellen zu vertreten, blieben erfolglos.

Im Frieden von Versailles bekannte sich Deutschland zur Schuld am Kriege. Es krönte damit die feindliche Propaganda mit dem höchsten, aber noch nicht letzten Erfolg. Denn die Propaganda des Feindes ist mit dem Kriege [496] nicht beendet. Die Überwachung Deutschlands durch Kommissionen eröffnete nicht nur seinem Nachrichtendienst, sondern auch dem mit ihm verbundenen politischen Propagandadienst den Zutritt nach Deutschland. Der Kampf gegen beide ist darum auch nach Abschluß des militärischen Kampfes nicht weniger notwendig geworden. Gleichzeitig nahm aber auch der Friede von Versailles mit Heer und Flotte die Machtmittel des Staates. Deutschland ist in Zukunft in der Außenpolitik völlig auf rein diplomatische Waffen angewiesen. Die Forderung nach einer eigenen Propaganda hat damit an Bedeutung gewonnen.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte