SucheScriptoriumBuchversandArchiv IndexSponsor


Bd. 6: Die Organisationen der Kriegführung, Erster Teil:
Die für den Kampf unmittelbar arbeitenden Organisationen

  Kapitel 6: Das Militäreisenbahnwesen
(Eisenbahnen und Schiffahrt)
  (Forts.)

Oberst Stefan v. Velsen

8. Betrieb und Verkehr.

Die Umsetzung der militärischen Eisenbahntransporte jeder Art in die Tat lag im Felde wie in der Heimat in allen ihren Einzelheiten auf den Schultern des Eisenbahnbetriebs. Dabei ist der Begriff Betrieb im weitesten Sinne zu [319] fassen: er umschließt die leitende Tätigkeit der Betriebsabteilungen der Generaldirektionen und Direktionen, die überwachende der Betriebsabteilungen und Ämter und die ausführende der Außenstellen, den Maschinenbetriebsdienst mit entsprechender Gliederung der Instanzen, die bauliche Erhaltung aller Bahnanlagen, das Sicherungs- und Fernmeldewesen und endlich die umfangreiche Erhaltung des gesamten Fahrzeugparks und der maschinellen Einrichtungen.

Der Militärbetrieb der Eisenbahnen auf den Kriegsschauplätzen wurzelte mit seiner gesamten inneren Kraft in dem in zäher Friedensarbeit zu höchster Vollendung entwickelten Organismus der deutschen Staatseisenbahnen. Die Erscheinungsform des Militärbetriebs auf den einzelnen Kriegsschauplätzen zeigte den gegebenen Verhältnissen entsprechend äußere Verschiedenheiten. Überall aber trat als selbstverständliches und wesentliches inneres Merkmal in Erscheinung: ein in der Heimat unbekanntes Maß von Selbständigkeit und eigener Verantwortlichkeit bis in die untersten Stellen; daraus folgend stolzes Verantwortungsgefühl und eine Dienstfreudigkeit, die oft unmöglich Scheinendes zur Durchführung brachte; als Gegenstück dazu, besonders im Anfang des Krieges, oft ein Beiseiteschieben der heimatlichen, peinlich genauen, aber notwendigen Dienstvorschriften, die erst allmählich wieder zu dem für die Bewältigung verwickelter und großer Aufgaben unbedingt nötigen Ansehen gebracht werden konnten.

Die Betriebskompagnien, die bei Kriegsbeginn zunächst die eroberten Strecken zu übernehmen hatten, waren durchaus nicht einheitlich aus geschulten Eisenbahnern nach streng fachlichen Gesichtspunkten zusammengestellt, und der militärische Dienstgrad stand oft in unliebsamem Mißverhältnis zu der im heimischen Eisenbahndienst erworbenen Befähigung. Die Tatkraft des in allen Schichten sehr jugendlichen Personals und sein Pflichtbewußtsein überwanden solche Mängel und ließen die Truppe allmählich zum vollwertigen, in keiner Lage versagenden Betriebskörper werden. Die im Verhältnis zur vorliegenden Aufgabe anfangs unvermeidlich große Kopfzahl konnte nach und nach auf das Maß zurückgeführt werden, das sich bei voller Ausnutzung jedes einzelnen nach seinen Fähigkeiten ergab.

Die sehr bald nach Kriegsbeginn neben den Betriebskompagnien zur Beherrschung des gewaltig wachsenden Eisenbahngebietes im Westen eingesetzten zivilen Betriebskolonnen waren eisenbahntechnisch günstiger zusammengesetzt. Sie waren 300 Köpfe stark und umfaßten unter Führung eines höheren Eisenbahnbeamten das unter gewöhnlichen Verhältnissen zum Betrieb von 50 km Hauptbahnstrecke nötige, sorgfältig nach Dienstzweigen aus heimischen Zivileisenbahnern zusammengestellte Personal. Ebenso erfolgte die Zusammenstellung der für die Wiederherstellung und den Ausbau des Telegraphen- und Fernsprechnetzes, der Signal- und Sicherungsanlagen und für die Bahnunterhaltung gebildeten Baukolonnen nach streng fachlichen Gesichtspunkten. Auch die zur Unterhaltung der bald sehr zahlreichen Lokomotiven Ende August auf- [320] gestellten 12 je 100 Mann starken Werkstattkolonnen enthielten nur durchgebildetes Fachpersonal.

War die fachliche Zusammensetzung dieser Zivilkolonnen der der Betriebskompagnien überlegen, so hatten sie mit Schwierigkeiten anderer Art schwer zu kämpfen; ihnen fehlte die feldmäßige Ausrüstung und die Organisation für geordnete Verpflegung, Unterbringung und Bekleidung. Es beweist den ausgezeichneten Kern des Personals, daß unter solchen äußeren Umständen der Dienst nie nennenswert gelitten hat, und daß im allgemeinen der einzelne Mann, der oft genug, ohne den Halt, den sonst das feste Gefüge der Truppe bietet, auf sich gestellt war, Disziplin und Ordnung wahrte.

Der hier gekennzeichnete Unterschied zwischen militärischem und Zivilpersonal drückte sich nicht nur in der Zusammensetzung und Gliederung der Formationen, sondern auch in den Disziplinarverhältnissen, der Uniformierung und der Besoldung aus. Er ist oft als schwerer Mißstand empfunden worden. Seine Beseitigung war nicht möglich; doch gelang es allmählich durch die Zusammenfassung der militärischen Verbände einerseits, der Kolonnen andererseits in Ämtern nach dem Muster der heimischen Eisenbahnämter klare Verhältnisse zu schaffen und die Unzuträglichkeiten weitgehend auszuschalten.

Den militärisch besetzten Ämtern fiel im allgemeinen der Betrieb der im Frontbereiche liegenden Spitzenstrecken zu. Die Zivilämter schlossen sich rückwärts an. In Serbien und Rumänien wurden durchweg militärische Formationen verwandt. Das Gepräge der Betriebsführung wurde dadurch in seinem Wesen nicht geändert.

Auf allen Kriegsschauplätzen wurde das deutsche Betriebspersonal nach und nach durch eingeborene Hilfskräfte und Kriegsgefangene in weitestem Umfange ergänzt. Dadurch ist eine große Entlastung der Heimat erreicht worden. Das zahlenmäßige Verhältnis zwischen dem deutschen Stammpersonal und den Hilfskräften war in den verschiedenen Dienstzweigen auf den einzelnen Kriegsschauplätzen sehr verschieden. Im Großkampfgebiet der Westfront ließ die Sicherheit des Betriebs und die Geheimhaltung der Transporte nur beschränkte Zuziehung Nichtdeutscher zu. In den weiten Gebieten Rußlands, die kurz vor dem Frieden von Brest-Litowsk in deutsche Hand kamen, konnte man sich damit begnügen, verhältnismäßig wenig zahlreiche deutsche Aufsichtskräfte auf alle Dienststellen zu verteilen. Die Masse des Personals bildeten dort die vorhandenen russischen Eisenbahner. In der Ukraine vollends mußte der deutsche Einfluß auf allgemeine Betriebsleitung und vereinzelte Kontrolltätigkeit beschränkt bleiben. Das Werkstättenpersonal konnte auf allen Kriegsschauplätzen in sehr weitgehender Weise aus fremden Kräften gewonnen werden. Der deutsche Arbeiter wurde hier überall zum Führer der heimischen Arbeitergruppen. Es zeigte sich, wie außerordentlich fachlich brauchbar und selbständig der einzelne war, sobald er vor eine bestimmte Aufgabe mit eigener Verantwortung gestellt [321] wurde. Es wurde auf den Kriegsschauplätzen so eine Entwicklung des Werkstättenwesens erreicht, die die Heimat ganz außerordentlich entlastete, und in der Sparsamkeit bei der Verwendung deutschen Aufsichtspersonals geradezu vorbildlich war.

Entsprechend der Ausdehnung der einzelnen Netze war die Zahl der im Feldeisenbahndienst tätigen Kräfte gegen Ende des Krieges sehr bedeutend. Insgesamt waren es nach S.293/295, die die weitere Verteilung angeben, 442 000 Mann.

Zum Vergleiche sei angeführt, daß die Bayrischen Staatseisenbahnen 1913 über ein Personal von 67 000, die Preußisch-Hessischen über ein solches von 560 000 Köpfen verfügten.

Wie der Kern des Personals, so stammte auch das rollende Material für die Bahnen in Feindesland zum größten und besten Teil aus der deutschen Heimat. Keine der kriegführenden Mächte wäre außer Deutschland imstande gewesen, solche Mengen an Lokomotiven und Wagen während des Krieges außerhalb der Landesgrenze in den Dienst des Heeres zu stellen und gleichzeitig das heimische Wirtschaftsleben aufrechtzuerhalten. Während die Gegner einschließlich Amerika nur mühsam den Eisenbahnbetrieb im eigenen Lande aufrechterhalten konnten, war Deutschland in der Lage, neben dem Militärbetrieb auf 21 000 km Vollspur- und 4 000 km Schmalspurbahnen in einem Gebiete, das an Umfang die Größe des Reiches weit übertraf, auch noch seine Verbündeten in großzügiger Weise mit Lokomotiven und Wagen zu unterstützen. Daß solche Kraftentwicklung äußerster Anstrengung bedurfte, und zwar um so mehr, als rollendes Material für Kriegszwecke im Frieden nicht besonders bereitgestellt worden war, ist einleuchtend. Eine sehr willkommene Unterstützung war es unter diesen Umständen, daß bei dem großen Vormarsch im Herbst 1914 reiche Beute an Lokomotiven und Wagen in deutsche Hände fiel. Zwar war das beste belgische und französische Material mit den feindlichen Truppen abgerollt; was zurückblieb, versperrte zunächst in besorgniserregender Weise Strecken und Bahnhöfe und schien größtenteils unbrauchbar. Nach wenigen Monaten hatten die Militär-Eisenbahnwerkstätten des Kriegsschauplatzes das Beutematerial zum größten Teil wieder dem Betrieb übergeben. Im Osten war die Beute zunächst spärlich. Erst beim letzten großen Vormarsch fiel massenhaft Breitspurmaterial in deutsche Hände. Es war die Veranlassung dazu, auf den zuletzt in Betrieb genommenen russischen Strecken von der Umnagelung auf deutsche Spur abzusehen. In Rumänien und Serbien fanden sich einheimische Betriebsmittel in namhafter, aber keineswegs ausreichender Zahl vor.

Ende Juli 1918 waren auf den Kriegsschauplätzen rund 4800 vollspurige deutsche und 2960 vollspurige Beutelokomotiven sowie 330 deutsche und 610 erbeutete schmalspurige Lokomotiven vorhanden.

Die Inbetriebnahme der Bahnen in Feindesland schloß sich überall dem Fortschritt der Operationen des kämpfenden Heeres unmittelbar an. Meist mußten die ersten dringlichen Transporte an Munition und anderem unent- [322] behrlichen Nachschub einsetzen, sobald die Instandsetzung der zerstörten Bahnen ein Befahren überhaupt gestatteten. Ohne Fahrplan, ohne Telephon oder Telegraph zwischen den Betriebsstellen fühlten sich die ersten Züge nach vorn durch, oft auf Holz als Brennstoff und für die Wassernahme auf Bäche und Tümpel angewiesen.

Diesen für den Betrieb schwierigsten Zeitabschnitt galt es so schnell wie möglich zu überwinden; denn er barg stets die Gefahr der völligen Verstopfung der Strecke in sich, insbesondere bei eingleisigen Bahnen oder wenn von zwei Gleisen erst das eine fahrbar gemacht war. Auf den Bahnhöfen wurden die nötigen Kreuzungs-, Überholungs- und Abstellgleise durch Auswechseln der zerstörten Weichen angeschlossen, die Brennstoff- und Wasserversorgung der Lokomotiven behelfsmäßig gesichert, Personal auf die Bahnhöfe verteilt, die allernotwendigsten Signal- und Sicherungseinrichtungen getroffen und mit allem Nachdruck an die Instandsetzung des Nervensystems des Eisenbahnbetriebs, der Telephon- und Telegrapheneinrichtungen, herangegangen. Die Fernverständigungsmöglichkeit war auf den Kriegsschauplätzen mit seinen zunächst unbekannten Verhältnissen und seinen plötzlichen und unvorhergesehenen Anforderungen eine Vorbedingung für die Erfüllung jeder Eisenbahnaufgabe in noch weit höherem Maße als in der Heimat. Der Gang der Ereignisse brachte es mit sich, daß die ersten Einrichtungsarbeiten des Betriebs fast stets unter dem harten Druck der Bedürfnisse der Front standen. Die kämpfende Truppe verlangte nach Ersatz, Munition und Nachschub, sie forderte Abbeförderung der Verwundeten und Gefangenen. Für die Schwierigkeiten, die den nachdringenden Eisenbahnern ein zerstörtes, von Personal und Material entblößtes und auch in unbeschädigtem Zustande für die vorliegenden Aufgaben ungeeignetes Netz bot, hatte die schwerringende Truppe wenig Verständnis.

Die Zeitspanne der ersten behelfsmäßigen Betriebsführung abzukürzen, war ein wichtiges Erfordernis. Es spornte zu äußerster Kraftanstrengung an.

In wenigen Tagen meist, unter besonders schwierigen Verhältnissen, wie auf den langen eingleisigen Strecken des Ostens, in wenigen Wochen, gelang es, aus dem ungeordneten Betriebszustande sich zu einigermaßen klaren Verhältnissen durchzuringen.

Die Dienstbezirke wurden abgegrenzt, ein roher Fahrplan aufgestellt, Höhe- und Lagepläne der Bahnanlagen aufgenommen, Wohngelegenheit für das Personal beschafft, die Ergänzungen der baulichen Anlagen eingeleitet und für die Erhaltung und den Betrieb der Lokomotiven die nötigen Einrichtungen getroffen. Langer und zäher Arbeit bedurfte es aber, um allmählich die Leistungsfähigkeit zu erreichen, die den immer wachsenden Anforderungen der Truppe entsprach. Im Westen mußten aus den für die deutschen Militärzüge zu kurzen Gleisanlagen Bahnhöfe neuzeitlicher Art entwickelt werden, im Osten war Umgestaltung der unübersichtlichen und weitläufigen Breitspuranlagen der [323] russischen Bahnhöfe nach deutschen Grundsätzen nötig. Während Nebenanlagen, wie Wasserstationen, Bekohlungsanlagen, Lokomotivschuppen, Drehscheiben, Werkstätten usw. im Westen reichlich zur Verfügung standen, fehlte im Osten fast alles. Die Russen hatten auf ihrem Rückzug 1915 im Zerstören gründlichste Arbeit geleistet. Wiederherstellung von Grund auf mußte hier im ganzen Tausende von Kilometern umfassenden Netz geleistet werden.

Das Ziel, den Betrieb in Feindesland so zuverlässig und leistungsfähig wie in der Heimat zu gestalten, wurde im wesentlichen auf allen Kriegsschauplätzen im Verlauf des Krieges erreicht. Augenfällig trat dies im Verkehr der D-Züge in Erscheinung, die die Heimat mit den entferntesten Punkten des Operationsgebietes schon bald nach der Besitzergreifung verbanden. Vervollkommnung des gesamten technischen Apparats, strenge Durchführung einheitlicher Dienstvorschriften, Sorge für das Personal und seine fortgesetzte Weiterbildung waren die hauptsächlichsten Mittel zur Erreichung der geforderten Leistungsfähigkeit. Ganz besondere Bedeutung gewann das Werkstättenwesen, das so gefördert wurde, daß selbst für die deutschen Lokomotiven der schwer arbeitenden Heimat die Unterhaltungslast zum großen Teil abgenommen werden konnte.

Die Aufgaben der Eisenbahn auf den Kriegsschauplätzen schwollen mit Eintritt des Stellungskrieges überall zu einem Umfang an, der alle früheren Mutmaßungen übertraf. Die anfangs sehr im Vordergrund stehenden Truppentransporte für operative Zwecke traten später hinsichtlich der Anspannung des Betriebs mehr zurück gegen den sonstigen Massenverkehr an Menschen und Gütern, den die Millionenheere mit sich brachten. Die stoßweise Belastung durch die Truppentransporte blieb zwar immer eine besondere Kraftprobe; es handelte sich häufig um Hunderte von Zügen, die, auf wenige Tage und Strecken zusammengedrängt, neben dem sonstigen notwendigen Verkehr mit größter Pünktlichkeit hindurchgepreßt werden mußten. Doch war die Bereitstellung der Zugkräfte, des Fahrpersonals und des erforderlichen Wagenmaterials so eingespielt, daß die Aufstellung von Wagenreserven trotz der größeren Leistungen immer mehr eingeschränkt werden konnte. Es bedeutete das einen großen Fortschritt gegenüber den ersten Kriegsmonaten, wo im Westen bis 30 000 Wagen für Truppenverschiebungen abgestellt bereitstanden, die nicht weniger als 300 km Gleis für sich beanspruchten. Die Schnelligkeit, mit der Truppenverschiebungen im Frontbereich eingeleitet und durchgeführt wurden, erreichte eine außerordentliche Stufe. Die Arbeit war bei allen mitwirkenden Stellen bis ins einzelne vorbereitet und verteilt. In besonders gefährdeten Abschnitten waren stets alarmfertige Bereitschaftszüge aufgestellt.

Die Geschwindigkeit der Truppenzüge wurde im ersten Kriegsjahre von 22½ - 30 km in der Stunde auf 40 km gesteigert; später ging man infolge der starken Abnutzung der überanstrengten Lokomotiven wieder auf 30 km zurück. Der Fahrplan erfuhr den Bedürfnissen des Krieges entsprechend auch sonst [324] weitgehende Umgestaltung. An Stelle des Militärfahrplans, der dem Aufmarsch und den unmittelbar folgenden Transporten zugrunde lag, wurde ein "Bedarfszugfahrplan" entwickelt. Er enthielt das feste Netz der auch auf den Kriegsschauplätzen mit hoher Geschwindigkeit fahrenden Schnell- und Personenzüge und neben diesen möglichst viel nach Bedarf zu belegende Pläne geringer Geschwindigkeit, in denen der gesamte Nachschubverkehr und eintretendenfalls, den Güterverkehr verdrängend, die Truppentransporte gefahren wurden. Die feste Belegung bestimmter Bedarfspläne und ihre Anpassung an die vorliegenden Zwecke führten nach und nach zu einer großen Zahl regelmäßig verkehrender Züge aller Art.

Die Bewältigung des immer mehr ins Riesenhafte sich steigernden Nachschubs stellte dem Betrieb seine schwerste Aufgabe. Front und Etappe wurden immer mehr zu Großverbrauchern von Massengütern. Gewaltige Mengen an Baumaterial für Wege und Feldbefestigungen, Holz, eisernen Trägern, Zement, Schotter, Eisenbahn-Oberbaustoffen, Kohle waren neben dem unmittelbaren Bedarf der Truppe an Lebensmitteln, Kleidung, Munition, Geräten aller Art, Sanitätsmaterial, Post usw. nach vorne zu bringen. Der anfängliche Tagesbedarf der Westfront von wenigen Zügen steigerte sich im Frühjahr 1918 auf fast 10 000 Wagen, die aus Deutschland nach Frankreich rollten. Dazu traten einige tausend Wagen, die im besetzten Gebiete für die Front aufkamen. Der Eisenbahnnachschub allein im Westen erforderte damit eine Wagenzahl, die die Ausfuhr über alle deutschen Seehäfen des Jahres 1913 um mehr als das Dreifache übertraf; und diese Mengen mußten auf den wenigen Eisenbahnstrecken, die über die deutsch-belgische, deutsch-luxemburgische und deutsch-französische Grenze führten, befördert werden.

War es bei den Truppenverschiebungen die Plötzlichkeit der Anforderung und die Pünktlichkeit der Ausführung, die den Betriebsapparat aufs höchste anspannten, so traten beim Nachschub die fortwährenden Änderungen nach Umfang und Ziel erschwerend in Erscheinung. Mit dem Auswechseln der Divisionen wechselte auch ein großer Teil des anrollenden Nachschubs seinen Bestimmungsbahnhof.

Die Rangieraufgaben und die Weiterleitung der Wagen waren entsprechend umfangreich und verwickelt. Sammelstationen, Weiterleitungsstellen, Eisenbahn-Etappenstraßen, Frontverteilungsbahnhöfe und Ausladestellen wurden betrieblich nach sorgfältig durchdachtem System in Zusammenhang gebracht. Bei Großkämpfen pflegte die Ausladung vorne zu stocken. Um Verstopfung der Zulaufstrecken zu vermeiden, wurde in solchen Fällen die Verladung des Nachschubs schon in der Heimat gesperrt und rollendes Gut auf geeigneten Bahnhöfen abgefangen. Nur die durchaus zuverlässige, mit fast augenblicklicher Wirkung arbeitende Überwachung der Nachschubtransporte vom Erzeuger in der Heimat bis zum Verbraucher im Schützengraben in Verbindung mit [325] den zur Überwachung des Zugdienstes an gefährdeten Engpässen wirkenden Zugleitungen konnten verhindern, daß in schweren Zeiten ein Versagen der Eisenbahnen durch Festfahren und damit eine Katastrophe für die Armee eintrat. Eine in dieser Beziehung besonders ernste Lage ergab sich mehrfach auf dem für die eintretende Belastung ungeeigneten russischen Bahnnetz und auf den langen Etappenstraßen nach dem Balkan und nach Rumänien.

Leichter als der Verkehr nach der Front gestaltete sich der Abschub.

Der Abtransport der Kriegsgefangenen, die Räumung bedrohter Gebiete von Bevölkerung und Material stellten aber auch hier besondere Aufgaben, die in einzelnen Fällen, wie beim Beziehen der Siegfriedstellung im Westen im Februar 1917, zu weit ausgedehnten Betriebsleistungen allergrößten Stils führten.

Ein ständig und sehr sorgfältig zu behandelnder Verkehr in der Richtung nach der Heimat ergab sich aus dem Abschub der Verwundeten und Kranken. Ein System von Lazarett- und Leichtkrankenzügen verband alle Teile der Kriegsschauplätze mit der Heimat.

Da der Umfang der Transporte in Richtung nach der Heimat stets kleiner war als umgekehrt, erforderte die Rückführung der Leerwagen besondere Aufmerksamkeit. Die Schwierigkeiten, die sich dabei ergaben, konnten nicht immer ganz zufriedenstellend gelöst werden.

Neben den Truppentransporten und dem Nach- und Abschub bildete der schon früher besprochene Urlauberverkehr und die Ersatztransporte eine dritte große Verkehrsleistung.

Das Wesentliche des Militär-Eisenbahnbetriebs war die unmittelbare Wechselwirkung zwischen den Forderungen der Kriegslage und der Leistungsfähigkeit der Bahn. An Stelle des gleichmäßig breiten Stroms des öffentlichen Verkehrs, den der heimische Betrieb zu bewältigen hat, folgten sich auf den Kriegsschauplätzen in unregelmäßigen Stößen mehr oder weniger starke Wellen. Größte und schnellste Anpassungsfähigkeit des gesamten Betriebsapparates einerseits, schärfste Beobachtung und Regelung der entstehenden Aufgaben andererseits und ihre möglichste Anpassung an die Aufnahmefähigkeit der Eisenbahnen, nötigenfalls durch rücksichtslose Sperrung weniger wichtigen Verkehrs, Abschnürung des Urlauberverkehrs, Zurückdämmung des Nachschubs, Einschränkung der Truppenverschiebungen auf das erforderliche Maß, das waren die leitenden Gedanken, unter deren Herrschaft die Durchführung der militärischen Eisenbahntransporte stand und nach denen der Betrieb arbeitete.

Solcher festen Regelung und Zumessung der militärischen Aufgaben entsprach eine scharfe Zwangswirtschaft des unvermeidlichen öffentlichen Verkehrs in den besetzten Gebieten. Er war insbesondere im Kohlengebiete Belgiens und Nordfrankreichs bedeutend und diente überwiegend mittelbar auch Kriegszwecken. Die Wagengestellung des öffentlichen Verkehrs unterlag strengen [326] Genehmigungsvorschriften. Der Reiseverkehr der einheimischen Bevölkerung wurde in dem Umfange zugelassen, als er mit den Bedürfnissen des Heeres vereinbar war.

Bei aller gebotenen Einschränkung war es in den besetzten Gebieten doch möglich, dem berechtigten Bedürfnis der Bevölkerung soweit zu genügen, daß die notwendigste Versorgung aufrechterhalten blieb.

Die Gebühren für die Eisenbahnleistungen, welche seitens der einheimischen Bevölkerung zu entrichten waren, schienen, verglichen mit den damaligen Sätzen in Deutschland, hoch. Eine Deckung der Selbstkosten brachten sie aber nicht.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte