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Bd. 5: Der österreichisch-ungarische Krieg

  Kapitel 4: Der Feldzug 1914
gegen Serbien und Montenegro
  (Forts.)

Oberst Robert Ritter von Pohl

6. Schlacht auf der Romanja planina.       [vgl. Karte, hier.]

Da es bei der 6. Armee auch weiterhin nicht zu größeren Ereignissen kam, die Offensive der 5. Armee trotz aller Bemühungen noch immer stockte, vereinigte Feldzeugmeister Potiorek zunächst alle verfügbaren Kräfte, um den noch in Bosnien stehenden, die Verbindungen bedrohenden Feind endgültig zu vertreiben. Hierzu wurden herangezogen: Die 5. Gebirgsbrigade (vom XVI. Korps), eine bei Han Pjesak aus Landsturmbataillonen zu bildende Gruppe (16. Gebirgsbrigade), eine Ausfallgruppe der Festung Sarajevo, die nach Sarajevo anrollende Tiroler Landsturmbrigade (15. Gebirgsbrigade) und die verstärkte 3. Gebirgsbrigade von Kalinovik, die gegen die montenegrinische Gruppe Foča nur drei Landsturmbataillone und zwei Batterien zurückließ. Das Kommando über alle zur Vertreibung des Feindes aus Bosnien bestimmten Kräfte übernahm der Kommandant des XVI. Korps, Feldzeugmeister Wurm; die östlich der Drina verbleibenden Gebirgsbrigaden des XVI. Korps bildeten nunmehr die kombinierte Infanteriedivision Generalmajor Heinrich Goiginger. Die das XVI. Korps bildenden Kräfte wurden in zwei Divisionen zusammengefaßt, die 18. Infanteriedivision Feldmarschalleutnant Trollmann gegenüber der serbisch-montenegrinischen Stellung nördlich Rogatica und die 50. Infanteriedivision Generalmajor v. Kalser in Sarajevo. Zur Sicherung der Verbindungen rollte die 7. Landsturm-Territorialbrigade nach Han Pjesak.

Die 18. Infanteriedivision hatte den Feind in der Front fest anzupacken, damit die 50. Infanteriedivision über Mokro seine westliche Flanke treffen [71] könne. Die Gruppe Kalinovik sollte die westlich Foča befindlichen Montenegriner auf sich ziehen.

Am 18. Oktober begann die 18. Infanteriedivision den Angriff, die 50. Infanteriedivision den Vormarsch, am 19. gewann diese gegen schwachen Widerstand den Westrand der Romanja planina östlich Mokro, am 20. konnte sie, bei strömendem Regen, in den Kampf eingreifen. In hartem, wechselvollem Ringen arbeitete sich die 18. Infanteriedivision am 18., 19. und 20. Oktober langsam vor; der westliche Flügel an der Straße Han Gromile - Rogatica kam, am 20. bereits von der 50. Infanteriedivision unterstützt, gut vorwärts; in der Mitte und am östlichen Flügel leisteten die Serben stärksten Widerstand und gingen teilweise selbst zum Gegenangriff vor. Anscheinend wollten sie die 18. Infanteriedivision schlagen, bevor die 50. Infanteriedivision eingreifen könnte.

Der 21. Oktober brachte den Höhepunkt der Schlacht und die Entscheidung. In starker Stellung an und westlich der Straße nach Rogatica wollte der Feind den gegen seine linke Flanke gerichteten Angriff nunmehr frontal abwehren und mit mächtigem Vorstoß östlich der Straße die Mitte der 18. Infanteriedivision durchbrechen. Feldzeugmeister Wurm hingegen setzte an diesem Tage seine Reserve, die 16. Gebirgsbrigade, am Ostflügel ein, um der am Westflügel gewärtigten Entscheidung durch die 50. Infanteriedivision ehestens einen Stoß auf dem kürzesten Wege nach Višegrad, gegen den Drinaübergang, folgen lassen zu können.

Die Mitte der 18. Infanteriedivision hatte einen schweren Stand; ihr Vorstoß am Ostflügel konnte gegen Urwald und Feind nur wenig Raum gewinnen. Die 50. Infanteriedivision und der Westflügel der 18. Infanteriedivision aber nahmen in zähem Ringen bis 21. Oktober nachmittags alle feindlichen Vorstellungen und kamen auf Sturmdistanz an die Hauptstellung heran. Serben wie Montenegriner ließen es auf Bajonettkämpfe ankommen, ehe der Abend dem Kampf ein Ziel setzte. Am 22. Oktober früh, bei starkem Regen, zeigte es sich, daß der Feind vor der 50. Infanteriedivision und dem Westflügel der 18. Infanteriedivision verschwunden war; vor Mitte und Ostflügel hielt er noch Stand, um den Rückzug über Rogatica und die Drina zu decken.

Der Sieg in der viertägigen Schlacht auf der Romanja planina befreite Bosnien vom Feinde. Das XVI. Korps verfolgte den geschlagenen Feind bis an die Drina, so rasch es der strömende Regen und die grundlosen Wege ermöglichten. Am 25. früh hatte die serbische Nachhut bei Višegrad die Drina überschritten; bei Megjegja und Goražde gelang es den Verfolgern, schwächere Teile der Serben noch am Flusse zu erreichen. Infolge der Niederlage waren die Montenegriner am 26. auch vor Kalinovik verschwunden; sie wollten nun Foča durch eine Aufstellung am westlichen Drinaufer behaupten. Am 30. Ok- [72] tober, nach zweitägigem hartem Kampfe, mußten auch sie das linke Drinaufer räumen. Generalmajor Šnjarić übernahm mit der 17. Gebirgsbrigade den Schutz der Drina von Foča bis Slap.


7. Fortsetzung der Offensive über Drina und Save.

Während der serbisch-montenegrinische Einbruch in Bosnien und dessen Abwehr zum Einsatz eines bedeutenden Teiles der Balkanstreitkräfte zwang, tat die 5. Armee alles, um aus dem Stellungskrieg herauszukommen; das beharrliche, aber langsame Vorarbeiten des VIII. Korps Feldmarschalleutnant v. Scheuchenstuel in der Saveschlinge Parašnica sollte von der Mačva aus durch Wirkung in Rücken und Flanke des Feindes in schnelleren Fluß gebracht werden. Hierzu hatte zunächst das kombinierte Korps Feldmarschalleutnant Alfred Krauß, dem auch die Monitorgruppe und, um den Preis der Entblößung Syrmiens und des Banats, noch 13 Landsturmbataillone zugewiesen wurden, am 29. September den Angriff wieder aufzunehmen. Trotz aller Anstrengung konnte aber das Korps nur unwesentlich Raum gewinnen; der arge Munitionsmangel setzte der Fortsetzung des Angriffes nach vier Tagen ein Ziel. Dann wurden Kräfte von der Drinafront herausgezogen und über Mitrowitz gegen den Rücken des an der Dammstraße (nördlich Crnabara) stehenden Feindes angesetzt; auch sie trafen bei Ravnje auf eine befestigte Front und kamen nicht weiter.

Die Serben verteidigten tapfer jeden Schritt ihres Bodens. Die Entblößung Syrmiens nützten sie am 28. September zu einem neuen Vorstoß über die Save bei Semlin aus. Mit Hilfe der von den Nachbarabschnitten zusammengerafften Reserven wurden sie am 3. Oktober wieder über die Save zurückgeworfen; doch behielten sie einen kleinen Brückenkopf vor der Eisenbahnbrücke, den sie auch in der Folge gegen alle Angriffe behaupteten. Gegen die vom Lande verdeckt feuernden serbischen schweren Kanonen kämpften auch die Monitore einen ungleichen Kampf; so mußte die "Leitha" am 3. Oktober auf 14 Tage behufs Behebung ihrer Schäden ausscheiden. Die "Temes" hingegen stieß auf der Bergfahrt von Skela, wo sie serbisches Überschiffungs- und Brückengerät zerstört hatte, in der Nacht auf den 24. Oktober unterhalb Šabac auf eine Flußmine und sank.

Auch bei der 6. Armee ruhten die Kämpfe nicht. Die Serben griffen insbesondere ihren linken Flügel am Gučevorücken an. Mitte Oktober brachten anhaltende Regengüsse und in deren Gefolge das Hochwasser an der Drina und Save schwere Tage für die Truppen und die Führung. Am schlimmsten erging es der halben 42. Honved-Infanteriedivision in ihrem vom Hochwasser überschwemmten Brückenkopf gegenüber Batar; die Brücke war am 13. abgerissen, die Verschiffung durch all das, was der reißende Fluß mit sich führte, gefährdet, daher in der Dunkelheit nicht durch- [73] führbar. Die Serben schritten, die schwierige Lage erkennend, zum Angriff, wurden aber abgewiesen. Am 15. Oktober erreichten die letzten Kompagnien das westliche Ufer.

Ende Oktober waren, nach Vertreibung der in Bosnien eingedrungenen Serben und Montenegriner, die hierzu aufgebotenen Kräfte für die Fortsetzung der Mitte September begonnenen Offensive wieder verfügbar. Mit Rücksicht auf die unbedingt nötige Erholung der an der Abwehr in Bosnien beteiligten Truppen und ihre Verschiebung an den Südflügel wurde der Angriffsbeginn bei der 6. Armee für den 6. November festgesetzt.

Gegen Ende Oktober kam der Angriff der 5. Armee endlich in Fluß. Am 24. wurden, dank vorangegangener guter Wirkung von Erdmörsern, der Artillerie und des Monitors "Maros", nordöstlich Ravnje zwei hintereinanderliegende serbische Befestigungslinien in einem Anlauf genommen. Am Morgen des 27. Oktober erstürmte nach sorgfältig und wirkungsvoll durchgeführter Artillerievorbereitung das VIII. Korps die serbischen Stellungen an der Dammstraße nördlich Crnabara, mittags das Infanterieregiment Nr. 37 der kombinierten Division Generalmajor Graf Salis Ravnje; aber noch immer standen die Serben in ihren Befestigungen, unterstützt durch zahlreiche Wasserlinien, zäh gegenüber.

Während die auf vier Divisionen verstärkte serbische 1. Armee (Timokdivision I., II., Morava I., Šumadija I. und einige Regimenter III. Aufgebots) noch das Vordringen unserer Truppen in der Mačva aufhielt, unternahmen die beiden anderen serbischen Armeen, zusammen sechs Divisionen (2. Armee, kombinierte Division, Drina I., II., bei Loznica und am Gučevo, 3. Armee, Donau I., II., Morava II., bei Krupanj), am 28. und 29. Oktober noch einen letzten vergeblichen Versuch, der 6. Armee den Gučevo- und Boranjarücken zu entreißen.

Am 30. Oktober nachmittags gelang es der kombinierten Division Generalmajor Graf Salis, durch eine kleine, gut vorbereitete Unternehmung die Zasavica östlich Ravnje zu bezwingen und damit die Front in der Mačva zu durchbrechen. Nachts trat die serbische 1. Armee den Rückzug an. Die 5. Armee folgte; in der Nacht auf den 2. November wurde Šabac erstürmt. Die zur Aufklärung vorgegangenen Divisionskavallerien stellten den Feind in einer seit langem vorbereiteten, vorzüglichen Stellung zwischen Lješnica und Šabac an den nördlichen Ausläufern der Cer planina und des Hügellandes südwestlich und südlich Šabac fest, Vortruppen vorgeschoben nach Lipolist und Dobrić. Am 3. November begann der Angriff der 5. Armee, am Ostflügel unterstützt durch die Monitorgruppe auf der Save und durch Flankierung vom anderen Ufer. Die Serben wurden wohl aus einer Reihe von Vorstellungen vertrieben; alle Bemühungen gegen die starke feindliche Hauptstellung blieben aber trotz umfassender Artilleriewirkung am Ostflügel erfolglos.


[74=Karte] [75] 8. Dritte Schlacht an der Drina oder bei Krupanj.

Die Novemberoffensive nach Serbien
[74]      Skizze 6: Die Novemberoffensive nach Serbien.      [Vergrößern]
Am 5. November leitete die 6. Armee die Schlacht mit kräftiger Artillerievorbereitung ein. Vor Morgengrauen des 6. bemächtigte sich das 78. Infanterieregiment mit Handstreich der viel umstrittenen Felsburg Kulište. In zähem, tagsüber andauerndem Ringen entriß General der Infanterie Freiherr v. Rhemen mit dem XIII. Korps dem Feinde seine Stellungen südlich Loznica und schwenkte neben dem XV. Korps auf; das XV. Korps General der Infanterie v. Appel und die kombinierte Division Generalmajor Heinrich Goiginger warfen den Feind fast überall aus seiner hartnäckig verteidigten ersten Linie. Abends begann bei Ljubovija die 50. Infanteriedivision mit der Überschiffung, erst um 2 Uhr vormittags die 18. Infanteriedivision, wegen Verzögerung im Anmarsch der Kriegsbrückenequipagen, was das Vorwärtskommen der Division am folgenden Tage sehr erschwerte; die 4. Gebirgsbrigade gelangte, dank wirkungsvoller Täuschung des Feindes bei Bajinabašta durch die 9. Landsturm-Etappenbrigade, im Laufe der Nacht bei Rogačica vollzählig auf das serbische Ufer.

Am 7. November wurde der Angriff auf der ganzen Front in hartem Kampf um die serbischen Befestigungen vorwärts getragen. Der südliche Flügel des XV. Korps arbeitete sich bis nahe an die Straße Loznica - Krupanj und an letzteren Ort heran. Das XVI. Korps Feldzeugmeister Wurm nahm mit dem nördlichen Flügel der Division Generalmajor Goiginger nach schwerem Kampf bis nachmittags die wichtige Höhe Šanac an der Straße nach Krupanj; auch der südliche Flügel dieser Division und die 50. Infanteriedivision bei Ljubovija griffen kräftig in die Schlacht ein; der 18. Infanteriedivision gelang es an diesem Tage nur, mit einer Brigade auf den östlichen Talhängen Fuß zu fassen.

Am 8. November, einem Regentage, vervollständigte die 6. Armee ihren Sieg. Schon am frühen Morgen eroberte Feldmarschalleutnant v. Eisler mit der 48. Infanteriedivision den Kostajnik, die Höhe, an der im Grunde genommen die Septemberoffensive sich gebrochen hatte; bis nachmittags waren den Serben ihre letzten Befestigungen entrissen. Nach Gefangenenaussagen hatte das serbische Oberkommando bereits am Abend des 7. den Befehl zum allgemeinen Rückzug erteilt; es handelte sich daher am 8. nur mehr um hartnäckige Nachhutkämpfe zur Deckung des Rückzuges, ausgenommen am Südflügel, auf den von Krupanj nach Südost ziehenden Rücken der Sokolska und Orovička planina, auf welchen die Serben ihre Südflanke und damit den Rückzug nach Valjevo verteidigten. Die 4. Gebirgsbrigade Generalmajor Konopicky stieß auf den felsigen Höhen westlich der Straße Rogačica - Valjevo auf starken Widerstand und mußte sich serbischer Angriffe von Rogačica her gegen ihre rechte Flanke erwehren.

[76] Am 9. November kam es vor dem linken Flügel und der Mitte der 6. Armee nur mehr zu vereinzelten Nachhutkämpfen; dagegen leisteten die Serben dem aus der Flanke gegen ihre Rückzugswege andrängenden XVI. Korps auch an diesem Tage kräftigen Widerstand, der ihrer Armee den ungehinderten Rückzug ermöglichte und damit die volle Ausweitung des österreichisch-ungarischen Sieges vereitelte.

Die bis dahin von der 5. Armee, insbesondere bei Šabac, unternommenen Versuche, der serbischen Hauptstellung Herr zu werden, waren ohne Erfolg geblieben. Bis zum Abend des 9. November gelang es endlich Teilen der 29. Infanteriedivision, unterstützt von den Monitoren, unter schweren Kämpfen längs des Saveufers vorzudringen und den Serben Orašac zu entreißen. In der Nacht zum 10. wurde sodann auch die langumkämpfte, wichtige Höhe Mišar südöstlich Šabac genommen. Bis zum Morgen des 10. räumten die Serben ihre gesamte Stellung vor der 5. Armee.

Nach neun Wochen beiderseits heldenmütig geführter Kämpfe hatten die 2. und 3. Schlacht an der Drina mit dem Siege der an Zahl schwächeren Truppen Potioreks ihren Abschluß gefunden. Der vom Feldherrn angestrebte Erfolg, den Feind mit zangenartigem Zugriff vernichtend zu treffen, war jedoch nicht erreicht worden. Zum Teil, weil die serbische Führung, gestützt auf verläßliche Truppen, das angestrebte Eindrücken der beiden Flanken verhinderte; zum Teil auch, weil die österreichisch-ungarische Führung einen weiten Raum umspannen mußte - mit 13 Divisionen 80 km - und, was mehr noch in die Wagschale fiel, damals noch einer schweren Heeresartillerie entbehrte, die an den äußeren Flügeln, den Enden der Zange, den dort natürlich besonders starken feindlichen Widerstand hätte brechen können.

Am 10. November war die Verfolgung an der ganzen Front der 5. und 6. Armee in vollem Gang; ausgenommen am Südflügel, im Gebirge südwestlich Valjevo, wo die Serben auch weiterhin Höhe um Höhe verteidigten. Dieser Kampf galt, außer dem unmittelbaren Ziele, Deckung der Rückzugstraße Loznica - Valjevo und Valjevo selbst, auch der Behauptung des Westflügels des nächsten serbischen Verteidigungsabschnittes Obrenovac - (Kolubara) - Povljen - Rogačica.

Das Wetter war, ausgenommen am 12. November, vorherrschend wenig günstig; am 13. regnete es in Strömen, in den südlichen, höher gelegenen Gebieten trat bereits starker Schneefall ein.

Bis zum 13. November gab es bei der 5. Armee, dem Nordflügel und der Mitte der 6. Armee nur vereinzelte Zusammenstöße mit feindlichen Nachhuten. Hingegen hemmten die schlechten, grundlosen Wege, noch mehr die mangels an Wegen in der Vormarschrichtung mehrfach notwendigen Märsche querfeldein im Verein mit der ungünstigen Witterung die Schnelligkeit der Verfolgung. Wie die Flieger meldeten, stauten sich allenthalben auch die serbischen Fuhr- [77] werkskolonnen. Die samt ihrer Habe mit Wagen flüchtende Landbevölkerung erhöhte die Schwierigkeiten der zurückgehenden Serben; von Valjevo zwangen sie daher viele Tausend Flüchtlinge zur Rückkehr, wohl auch zu dem Zwecke, den Verfolger aufzuhalten.

Das XVI. Korps stieß am 12. südlich Kamenica auf neuen starken Widerstand; die Donaudivision II. und Truppen III. Aufgebots waren hier durch die von Užice herangezogene Šumadijadivision II. verstärkt worden. Auch am 13. November konnte der Angriff nicht recht vorwärts kommen, da heftiger Schneesturm die Artilleriewirkung behinderte. Hingegen hatten Teile der 5. Gebirgsbrigade (18. Infanteriedivision) am 11. November die 4. Gebirgsbrigade aus ihrer schwierigen Gefechtslage im felsigen Gebirge nördlich Rogačica befreit; am 12. warf die 4. Gebirgsbrigade die Serben auch von der Straße Rogačica - Valjevo zurück und stand an der ihr anbefohlenen Vormarschstraße.

Am 14. erreichte der Nordflügel der 5. Armee Obrenovac und den Unterlauf der Tamnava, dort eine Art westlicher Arm der Kolubara, und erkämpfte sich einige Übergänge in das Zwischengelände beider Flüsse. Das VIII. Korps, am Südflügel der 5. Armee, näherte sich unter leichtem Kampf dem Ub, einem rechtsseitigen Nebenflusse der Tamnava. Gegenüber stand die serbische 1. Armee, zwischen Save und dem Orte Ub schwächere Kräfte, Šumadija I., die Kavalleriedivision und Abteilungen III. Aufgebots, weiter bis zur Höhe Karaula die Hauptkraft, Morava I., Timok I. und II.

Die 6. Armee fand am 14. November den Feind auf den Höhen südlich des Ub (Blizonjski visovi - Jautina) und bei Kamenica in Stellung, um hier Valjevo, den Hauptort von Westserbien, zu verteidigen. Die Kräfteverteilung: auf Blizonjski visovi kombinierte Infanteriedivision, von Jautina bis südlich Kamenica vier Infanteriedivisionen (Drina I. und II., Morava II. und Donau I.), weiter südlich im Gebirge nebst III. Aufgebot Donau II. und Šumadija II., läßt darauf schließen, daß die Serben westlich Valjevo, bei Kamenica, einen Gegenstoß beabsichtigten; Gefangenenaussagen bestätigten dies. Die rasche Verfolgung durch die 6. Armee ließ diese Absicht nicht zur Durchführung kommen.

Am 15. November früh war der Feind vor der 6. Armee verschwunden. Nach einigen Nachhutplänkeleien zog am späten Nachmittag die 48. Infanteriedivision in Valjevo ein. Bei der 5. Armee gewann das VIII. Korps nach Kampf bei und südwestlich Ub das rechte Ufer des gleichnamigen Flusses, das kombinierte Korps setzte sich zwischen Ub - Tamnava und Kolubara, sein linker Flügel um Obrenovac fest.

Nach Gefangenenaussagen gingen die Serben bis Arangjelovac zurück, doch war kaum anzunehmen, daß sie den Abschnitt der Kolubara kampflos preisgeben würden. Näher ihren Hilfsquellen, durften sie dort auf Ergänzungen und sonstige Verstärkungen rechnen, während die k. u. k. Truppen, bereits am 6. November kaum 200 000 Mann stark, welche Zahl die Serben schon damals [78] überschritten, nun verhältnismäßig noch schwächer waren. Trotzdem mußte der Kolubaraabschnitt unbedingt genommen werden. Denn die Nachschublinien maßen von Loznica nach Valjevo 70, von Šabac nach Ub 50 km, bei dem entsetzlichen Zustande dieser Straßen, die grundlosen Morästen glichen und jeder Wiederherstellung spotteten, kaum mehr zu bewältigende Entfernungen. Die Wiederherstellung der Armeen, ihre Versorgung und die Fortführung des Feldzuges erforderten dringend die Besitz- und Inbetriebnahme der schmalspurigen Eisenbahn Zabrež (an der Save nördlich Obrenovac) - Valjevo, wozu die Höhen östlich dieses Flusses in eigener Hand sein mußten.


9. Schlacht an der Kolubara und am Ljig.

Der 16. November war ausnahmsweise wieder ein schöner Herbsttag; der eine Tag Sonne genügte aber nicht, den Boden zu trocknen und den Zustand der Straßen zu bessern, hingegen erhöhte er durch Schneeschmelze in den Bergen den Wasserstand des Ljig und der Kolubara um einen Meter. Vom 17. bis zum 27. November herrschte wieder, mit einer kurzen Unterbrechung vom 22. bis 24., trübes, regnerisches Wetter; auf den Höhen gab es Schnee, die Niederungen wurden zu Sümpfen mit weiten Wasserflächen, die Nebenwege gerade noch für Tragtiere benutzbar. In diese Zeit fiel der Übergang unserer Truppen über Ljig und Kolubara, das Vorarbeiten in den nassen, nachtsüber leicht zugefrorenen Flußniederungen und der Kampf um die Höhen östlich der Flußhindernisse; der Nachschub stockte, Erfrierungen und andere Krankheiten lichteten die Reihen.

Wohl ließen die vielen Gefangenen und Überläufer erkennen, daß der Geist der serbischen Truppen unzweifelhaft gelitten hatte; eine Brückensprengung durch Mazedonier an der Bahn von Saloniki unterband überdies für geraume Zeit den Zuschub aus Frankreich und England; die übereinstimmenden Nachrichten, daß der Feind an der Kolubara, am Ljig und im Gebirge südlich Valjevo nur Nachhuten zurückgelassen habe, schienen daher durchaus glaubwürdig zu sein. Die Gewinnung der Höhen östlich der Kolubara ließ somit keine besonderen Schwierigkeiten erwarten.

Demgemäß gingen zunächst nur die 5. Armee und das XIII. Korps an Kolubara und Ljig vor; das XV. und XVI. Korps ruhten 3 - 4 Tage bei Valjevo, wo sie indes mangels Nachschubs nur notdürftige Erholung fanden. Die 4. Gebirgsbrigade hatte, gleichfalls nach mehrtägiger Rast, von Rogačica nach Užice vorzurücken, wohin ihr die 17. Gebirgsbrigade von Višegrad aus folgen sollte.

Am 16. November erreichte die 5. Armee abwärts der Ljigmündung überall die Kolubara, mit Teilen das Zwischengelände zwischen ihrem westlichen Arm und der östlich gelegenen Lukavica. Alle Brücken waren zerstört; das Herankommen der Kriegsbrückenequipagen verzögerte sich infolge der Wegschwierigkeiten tagelang. Das XIII. Korps übersetzte mit der 36. Infanteriedivision [79] Feldmarschalleutnant Czibulka die Kolubara bei Slovac und gewann die östlich gelegenen Höhen. Am 17. November gelang es der 21. Schützendivision Feldmarschalleutnant Przyborski, mit einer Vorhut beide Flußarme westlich Lazarevac zu übersetzen und sich westlich dieses Ortes zu behaupten; die 9. Infanteriedivision Generalmajor Daniel vertrieb den Feind bei Lajkovac noch vom westlichen Ufer. Am 18. November wurde hart gekämpft. Die 21. Schützendivision brachte ihre Infanterie über das Hindernis und drang bis Lazarevac vor, auch die 9. Infanteriedivision übersetzte mit Teilen Kolubara und Ljig. Die gleichfalls am 18. und an den folgenden Tagen unternommenen Versuche des XIII. Korps, weiter südlich über den Ljig zu gelangen, blieben, ausgenommen am 19. unterhalb Županjac, wo Teile der 36. Infanteriedivision das jenseitige Ufer gewannen, erfolglos. Dank der Flankenwirkung von Süden her erstürmte die 9. Infanteriedivision am 19. den Vrače brdo, die erste Höhe östlich der Ljigmündung. Die Serben waren hier auf die nächste Höhe zurückgedrückt, wo sie ebenso wie hinter dem auf 10 m Breite angeschwollenen Ljig aufwärts Županjac weiterhin unerschüttert standhielten.

Der starke Widerstand des Feindes, insbesondere gegenüber dem VIII. und XIII. Korps, ließ erkennen, daß an der Kolubara und am Ljig nicht nur Nachhuten kämpften; von Lazarevac südwärts standen mindestens drei serbische Divisionen. Westlich des Ljig stellte die Aufklärung auch nördlich des Hauptrückens serbische Kräfte fest, die sich im Hügellande verschanzten; südlich Gornja Toplica sperrten die beiden Donaudivisionen die Gebirgsstraßen nach Gornji Milanovac und Čačak. Vom 19. November an nahmen daher auch das XV. und XVI. Korps den Vormarsch wieder auf, um am Ljig die Entscheidung herbeizuführen und die Südflanke im Gebirge zu decken.

Zunächst mußte der westlich des Ljig auf den Höhen südlich Gornja Toplica stehende Feind vertrieben werden; nach dreitägigem schwerem Kampfe, von Brežgje gegen die westliche Flanke, über Gornja Toplica in der Front, erstürmte das XV. Korps am 22. November diese Höhen und wandte sich nun zur Unterstützung des XIII. gegen den Ljig. Die Sicherung der Südflanke übernahm das XVI. Korps, dessen Divisionen am 22. an den Gebirgsübergängen südlich und südöstlich Valjevo den Kampf aufnahmen.

Am 21. November, nach Eintreffen der Kriegsbrückenequipagen, konnte auch das kombinierte Korps mit der Überschiffung der Lukavica, des östlichen Kolubaraarmes, beginnen. Die 29. Infanteriedivision Generalmajor Zanantoni wandte sich am 22. gegen den befestigten Abschnitt Konatice - Stepojevac; bis zum Abend des 22. arbeitete sich südlich davon die 7. Infanteriedivision Generalmajor Letovsky durch das überschwemmte Anland der Lukavica bis an die Straße heran. Am schwersten litt die 21. Schützendivision, die seit 18. November in der nassen Kolubaraniederung bei Lazarevac der starken feindlichen Stellung beiderseits des Ortes gegenüberlag. Nun sollte das XV. Korps [80] den oberen Ljig bezwingen, das XIII. sich seinem Vorgehen anschließen, um den bei Lazarevac dem VIII. Korps gegenüberstehenden Feind in der südlichen Flanke zu fassen; gleichzeitig sollte die 7. Infanteriedivision die nördliche Flanke abgewinnen.

Die Widerstände, die auch das XV. Korps zu überwinden hatte, und der Drang nach vorwärts, welcher alle beseelte, brachten es mit sich, daß die Kämpfe östlich der Kolubara nicht erst durch die von Süden kommende Flankenwirkung, sondern an Ort und Stelle in der Front durch erfolgreiche Angriffe der k. u. k. Truppen zu deren Gunsten entschieden wurden.

Am 23. November mißlang, trotz Unterstützung durch die Flottille auf der Save, ein opfermutiger Versuch der 104. Landsturmbrigade, bei Obrenovac das Ostufer der Kulubara zu gewinnen. Hingegen erstürmte an diesem und dem folgenden Tage die 29. Infanteriedivision die Befestigungen bei Konatice und Stepojevac und behauptete sie gegen die sofort einsetzenden und in der Folgezeit wiederholten, starken serbischen Gegenangriffe. Die 7. Infanteriedivision nahm Veliki Crljeni, mußte sich aber auch heftiger Gegenangriffe erwehren. Das zähe Ausharren des VIII. Korps in seiner mißlichen Lage bei Lazarevac wurde am 8. Tage, dem 25. November, durch einen vollen Erfolg gekrönt: Die 9. Infanteriedivision erstürmte nachmittags die Ortschaft Petka und die südlich davon gelegene Höhe; anschließend nahm die 36. Infanteriedivision die benachbarte Höhe und den Ort Županjac. Hiermit war die feindliche Hauptstellung an wichtiger Stelle durchbrochen; die Serben gingen auf die 4 - 6 km weiter rückwärts gelegenen, das Kolubaratal östlich Lazarevac abschließenden Höhen 385 Vis - 278 Glavica zurück. Diese mußten ihnen behufs Sicherung des Kolubaratales noch entrissen werden. Das VIII. Korps folgte ihnen am 26. und 27. November nach; besondere Schwierigkeiten verursachte das Vorbringen der Artillerie, da die Geschütze über den weithin aufgeweichten Boden von der Mannschaft mit Seilen gezogen werden mußten.

Das XV. Korps stand seit 24. November im Kampf am oberen Ljig. Am 26. sollte der allgemeine Angriff der 48. Infanteriedivision und 49. Honved-Infanteriedivision sowie der nördlich anschließenden 42. Honved-Infanteriedivision Generalmajor Graf Salis des XIII. Korps über den Ljig, von der Höhe Bukva bis Dudovica, erfolgen, die 36. Infanteriedivision von Norden flankierend unterstützen. Es wurde ein schwerer Tag für alle beteiligten Truppen. Seit 6. November ohne Rast, fast beständig im Kampf, bei empfindlicher Kälte, ebenso mangelhaft verpflegt, wie schlecht bekleidet und vielfach ohne Schuhe, wie dies bei allen Truppen der Fall war, ging das XIII. Korps gleichwohl guten Mutes, der großen Verluste nicht achtend, den Feind an. Am 28., schier an der Grenze der Leistungsfähigkeit der tapferen, opfermutigen Truppen, winkten endlich größere Erfolge; das XIII. Korps drang mit beiden Divisionen [81] bis in gleiche Höhe mit dem VIII., nahe an den Fahrweg von Lazarevac nach Parlog vor, die 40. Honved-Infanteriedivision Generalmajor Tabajdi erstürmte die Höhe östlich Moravci, wobei sie gegen 1500 Mann gefangen nahm und 11 Maschinengewehre erbeutete - für jene Zeit bedeutende Zahlen; auch die 48. Infanteriedivision Feldmarschalleutnant v. Eisler kam ein gutes Stück vorwärts.

Die schwierige Lage der Truppen östlich der Kolubara, auch ihre zusammengeschmolzenen Stände kennend - die Kompagnien zählten vielfach nur 60 Mann -, gingen die Serben am 28. bei Konatice und Lazarevac zum Gegenangriff über. Ersterer, nach Heranziehung von Truppen III. Aufgebots aus Belgrad mit etwa 25 Bataillonen unternommen, wurde nach längeren wechselvollen Kämpfen restlos abgewiesen; jener bei Lazarevac drückte die Mitte der 21. Schützendivision bis nahe an den Ort zurück. Doch am 29. November früh war der Feind vom Ljig verschwunden. In der Nacht zum 30. räumte er auch seine Stellungen gegenüber der 5. Armee.

Während die Hauptkraft beider Armeen den langwierigen Kampf um Kolubara und Ljig ausfocht, wurde das XVI. Korps in Verfolgung seiner Aufgabe, die südliche Flanke zu decken, vom 22. November an in nicht minder schwere Kämpfe im winterlichen Gebirge bei tiefem Schnee, zeitweisem Schneetreiben, Kälte und Nebel verwickelt. Zunächst sollte der Feind von den Übergängen über das im Mittel 1000 m hohe, bewaldete Gebirge vertrieben werden. Während die 18. Infanteriedivision den Übergang über die Bukovska planina nach Užice bereits am 22. und 23. November im ersten Angehen gewann und auch der Maljen - Straße nach Požega - von der Nachbargruppe Oberst v. Wieden nach dreitägigem Kampf am 24. erstürmt werden konnte, währten die Kämpfe um die Höhen Šiljak und Suvobor an und im breiten Raume beiderseits der Straße von Valjevo nach Čačak und Gornji Milanovac ununterbrochen bis zum 29., volle 8 Tage; dann erst erstritt die über alles Lob erhabene Ausdauer und Tapferkeit der kombinierten, 50. und halben 1. Infanteriedivision den Sieg. Die Bewegung im metertiefen Schnee war anstrengend und zeitraubend; der häufige Nebel beeinträchtigte die Wirkung der Artillerie; die Versuche, besetzte Höhen zu umfassen oder zu umgehen, trafen immer wieder auf benachbarte Stellungen.

Die 18. Infanteriedivision Feldmarschalleutnant Trottmann drang am 24. November von der Bukovska planina nach Süden vor; in zweitägigem Kampf am 25. und 26. um die Höhen nördlich Kosjeriči öffnete sie sich den Weg über diesen Ort nach Užice. Hier zog aber am 27. November Generalmajor Konopicky mit der 4. Gebirgsbrigade ein. Die 18. Infanteriedivision konnte sich nach Osten wenden und drang in steten Kämpfen nach manchen Wechselfällen bis zum 29. auf die Höhen östlich Dobrinja, jenseits der Straße Požega - Gornji Milanovac, vor.

[82] Aus den erwarteten Nachhutkämpfen war die zwölftägige Schlacht an der Kolubara und am Ljig geworden; Potioreks Streitkräfte hatten in dieser das serbische Heer, trotz seiner seit Drina und Save verhältnismäßig noch größer gewordenen Überlegenheit, nach unerhört schweren Kämpfen und Mühsalen auf der ganzen Linie geschlagen. Die Verluste der Serben, aber auch die eigenen waren schwer; das XV. Korps allein büßte in diesen Tagen 3000 Mann an Toten und Verwundeten, 5000 an Kranken - viele mit Erfrierungen - ein; besonders empfindlich waren die großen Verluste an Offizieren. Der Feind war nur frontal niedergerungen und ging auf seine Hilfsquellen zurück.

Das XVI. Korps band durch seinen hartnäckigen Kampf um den Übergang über das Gebirge nach Gornji Milanovac und Čačak und sein weites Ausholen bis Dobrinja gewiß feindliche Kräfte, die sonst am Ljig hätten eingreifen können, und leistete durch seinen Raumgewinn auch eine für die spätere Fortsetzung der Offensive wertvolle Vorarbeit; es verbrauchte aber in hohem Maß seine Kräfte, verlängerte - solange die Bahn nach Valjevo nicht zur Verfügung stand - seine Nachschublinie ins Unerträgliche, und - was ebenso schwer in die Wagschale fiel - auch die Gesamtfront der Balkanstreitkräfte, denen es sonst für die Folge hätte als Reserve dienen können.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte