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Bd. 5: Der österreichisch-ungarische Krieg

[1] Kapitel 1: Österreich-Ungarns Wehrmacht
Feldmarschalleutnant Max Hoen, Direktor des Wiener Kriegsarchivs

Von allen Problemen, die die Befreiung der Christenvölker auf dem Balkan in die europäische Politik warf, war das serbische für Österreich-Ungarn von Anbeginn besonders wichtig. Schon zur Zeit der Besetzung Bosniens und der Herzegowina 1878 ging durch das eben unabhängig erklärte Fürstentum eine Welle von Haß gegen das Habsburgerreich. Daran änderte sich auch nichts, obschon Österreich in dem darauffolgenden Jahrzehnt bestrebt war, in dem 1882 zum Königreich erhobenen Lande Sympathien zu erwerben. Nach Slivnica 1885 war es sogar der damalige österreichisch-ungarische Gesandte in Belgrad, der im Auftrage seiner Regierung den siegreichen Bulgaren in die Arme fiel, um Serbien vor einer vernichtenden Niederlage zu bewahren. König Milan allerdings lohnte diesen und andere Dienste des Donaureiches durch eine ausgesprochen österreichische Politik. Aber die durch Rußland gestützte österreichfeindliche Opposition behauptete im Lande festen Boden und eroberte schließlich 1903, indem sie den letzten Obrenowitsch gewaltsam beseitigte und Peter Karageorgewitsch auf den Thron setzte, die Herrschaft. Der Kurs des Königreichs war nun ausgesprochen gegen das Habsburgerreich gerichtet, wie sich namentlich während der Annexionskrise und während des Balkankrieges 1912/13 in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise zeigte. Zu dem nationalen Haß, der in Serbien gegen Österreich-Ungarn herrschte, war noch die Erbitterung getreten, die seit dem Sturz der Obrenowitsche die engherzige, hauptsächlich von magyarisch-großagrarischen Interessen diktierte Handelspolitik des Donaureiches erzeugen mußte und welche durch den Widerstand des Ballhausplatzes gegen alle Bestrebungen Serbiens, für seinen Überfluß an Bodenerzeugnissen einen freien Ausgang zur Adria zu gewinnen, ins Maßlose verstärkt wurde.

Die stets wiederkehrenden serbischen Krisen waren naturgemäß auch auf die Bevölkerung Österreich-Ungarns von Handel und Wandel lähmender Auswirkung. Stadt und Land berührten die durch häufige Kriegsgefahr, Einziehung von Reservemännern zum Waffendienste in vielmonatiger Dauer, Stockungen im gesamten Geschäfts- und Erwerbsleben bedingten Opfer um so empfindlicher, als niemand begreifen konnte, wie sich ein Großstaat von seinem kleinen Nachbar jahrelang gleichsam auf der Nase herumtanzen, sich immer [2] wieder von ihm verhöhnen und beschimpfen lassen konnte, um schließlich in einem lahmen diplomatischen Erfolge, dessen fragwürdige Wirkung stets schon nach wenigen Wochen erkennbar war, eine ausreichende Genugtuung zu erblicken. Kaiser Franz Josefs offenkundige Friedensliebe, der diese schwächliche Haltung nicht mit Unrecht zugeschrieben wurde, kam mit der Zeit gänzlich in Mißkredit und löste ein Gefühl der Beschämung aus, das Reichsverdrossenheit in die weitesten Kreise der staatserhaltenden Bevölkerung trug.

Daß die Zerwürfnisse mit Serbien nur Nebenepisoden eines sich immer schärfer zuspitzenden allgemeinen europäischen Konfliktes waren, kam der Masse kaum zum Bewußtsein. In Österreich-Ungarn war man über die bescheidene Rolle, welche die jedes großen außenpolitischen Zieles bare, niemals durch Kolonialbesitz nach Weltgeltung strebende und von inneren Streitigkeiten über Gebühr in Atem gehaltene Doppelmonarchie im Rate der großen Staaten spielte, denn doch viel zu sehr im klaren, als daß man sich hätte schmeicheln können, einen bedeutenden, im Ränkespiel der Diplomatie besonders beachteten Faktor vorzustellen. Tauchte aber die Ahnung möglicherweise herannahenden, aus dem Gegensatz zwischen den Westmächten und Deutschland entspringenden Unheils auf, das auch Österreich-Ungarn als Bundesgenossen des letzteren in seinen Bann ziehen mußte, so durfte die größte Friedensgefahr eben wieder in jenem kleinen ewigen Unruhestifter jenseits der Save und Donau erblickt werden, dessen Treiben wiederholt die Gegner Deutschlands auch als Widersacher Österreich-Ungarns hatte auftreten lassen, obzwar dieses mit jenen eigentlich keine einzige politische Reibungsfläche hatte.

Als am 28. Juni 1914 Erzherzog-Thronfolger Franz Ferdinand und seine Gemahlin in Sarajevo der Mörderhand eines Serben zum Opfer fielen, wurde dies in Österreich-Ungarn einmütig als ein Faustschlag empfunden, der die vom friedenstörenden Nachbar ausgehenden zahllosen Herausforderungen unerträglich machte. Die Leitung der auswärtigen Politik handelte nur im Sinne der allgemeinen Stimmung, wenn sie in Belgrad endlich reinen Tisch zu machen beschloß. Sie durfte sich übrigens angesichts der Verabscheuungswürdigkeit der wenn auch nicht auf serbisches Geheiß, so doch als Ausfluß zügelloser serbischer Propaganda verübten Tat der Erwartung hingeben, in Europa keinem ernsten Widerstand zu begegnen, wenn sie Serbien mit bisher ungewohnter Strenge entgegentrat und den gefährlichsten Anlaß für die den europäischen Frieden seit Jahren bedrohende Kriegsgefahr aus dem Wege räumte.

So erging am 23. Juli die mit 48 Stunden befristete, in ihren Forderungen ungewöhnlich scharfe Demarche an Serbien, deren Beantwortung am 25. unter anderen Umständen wohl noch die Weiterführung von Verhandlungen gestattet haben würde, in diesem Falle aber um so mehr als ungenügend bezeichnend werden mußte, als der König von Serbien drei Stunden vor Überreichung der Gegenschrift die allgemeine Mobilmachung angeordnet hatte. Bald zeigte [3] es sich, daß die Verschwörung gegen die Ruhe Europas viel weiter vorgeschritten war, als man am Wiener Ballhausplatz ahnte, daß die Lunte am Pulverfaß im Augenblick zündete, als man sie unschädlich machen wollte, und daß es sich keineswegs um das untergeordnete serbische Problem, sondern um den längst geplanten vernichtenden Schlag gegen Deutschlands Machtstellung handelte. General der Infanterie Erzherzog Friedrich und sein Berater General Franz Freiherr Conrad von Hötzendorf, am 26. Juli an die Spitze des in Peterwardein aufzustellenden Oberkommandos der gegen Serbien bestimmten Streitkräfte getreten, mußten am 31. Juli infolge der durch Rußlands Mobilmachung notwendig gewordenen allgemeinen Mobilmachung das Oberkommando über die gesamte bewaffnete Macht übernehmen und die Söhne der so verschieden gearteten und vielsprachigen Gaue der Monarchie in ein schweres Ringen führen, das sich zum gewaltigen letzten Daseinskampf der in ihren Anfängen mehr als 600 Jahre zurückreichenden Habsburgischen Staatenschöpfung gestalten sollte.

Trotz der bunten nationalen Zusammensetzung war Österreich-Ungarns alte Wehrmacht - darüber darf sich niemand täuschen - echt deutscher Abkunft, ein Kind der alten deutsch-österreichischen Erblande. Und wäre sie dies auch nur ihrer Offiziere wegen gewesen! Denn schon der alte Fritz sagt treffend, daß der Geist einer Armee in ihren Offizieren liegt, und die österreichischen Offiziere, mochten sie auch aus allen Ländern der nun zerfallenen Monarchie stammen, erhielten ihr besonderes Gepräge doch ausschließlich vom deutsch-österreichischen Stamme. Natürliche Liebenswürdigkeit, Einfachheit und Bescheidenheit, hochentwickeltes Kameradschaftsgefühl und Sinn für Gemütlichkeit brachten die Angehörigen anderer Nationen leicht und spielend in den Bann österreichischen Geistes und gewannen sie für jene blindergebene Gefolgschaftstreue, die von altersher den Grundzug deutschen Wesens bildet.

Dieser Erfolg konnte nur bei unbedingter politischer Gleichgültigkeit behauptet werden, die um so mehr geboten war, je heftiger sich der Nationalitätsgedanke - vielfach als Hilfsmittel zur Erlangung persönlicher materieller Vorteile - in dem bunten Völkergemisch der Monarchie geltend machte. Der Verzicht auf die Betonung der eigenen Stammeszugehörigkeit schuf aus der gemischtnationalen Ergänzung den Begriff Österreicher im weiteren Sinne, welcher der übrigen Bevölkerung fremd war; er machte die Armee zum Träger und Repräsentanten des österreichischen Staatsgedankens, der selbst der Dynastie nicht im gleichen Maße zum Bewußtsein kam. Zu lange war sie gewöhnt gewesen, in dem Konglomerat ihrer Königreiche und Länder die Hausmacht zu erblicken, die sie in Verfolgung der außerhalb der schwarz-gelben Grenzpfähle liegenden Ziele zu unterstützen hatte. Daher vernachlässigte sie die für Österreich gegebene und seinerzeit erreichbare Möglichkeit der Vorherrschaft auf der Balkanhalbinsel und erschöpfte ihre Kräfte in entgegengesetzten Richtungen, im Deutschen Reiche und in Italien, in den Niederlanden, ja selbst in Spanien.

[4] Mit gleicher Hingebung und Treue focht die alte Wehrmacht, ohne nach Zweck und Ziel zu fragen, gegen die zahllosen Feinde, die der Habsburgischen Politik erwuchsen. Mit Türken und Franzosen, Italienern und Spaniern, Preußen, Bayern und Sachsen, Schweden, Dänen und Russen, den Schweizer Eidgenossen, Ägyptern und Tunesiern kreuzte sie die Waffen, bekämpfte die unbotmäßigen Belgier und Ungarn, um schließlich im Weltkrieg auch noch Engländer, Serben, Rumänen und Amerikaner als Widerpart gegenüber zu sehen.

Den Mangel eines nationalen Gedankens, den das Staatengebilde Österreich nicht bieten konnte, mußten der unbedingte Glaube und die unverbrüchliche Anhänglichkeit an den obersten Träger der Staatsgewalt ersetzen. Mehr als jede andere verharrte die österreichische Wehrmacht in jenem gewissermaßen persönlichen Verhältnis zum Kriegsherrn, das sich zur Zeit ihrer Entstehung aus dem Dienstverhältnis von selbst ergab. Diese Entstehung fällt in die durch eine Fülle politischer Sorgen und Geldmangel charakterisierte Regierungszeit Kaiser Friedrich III. Die zur Heeresfolge verpflichteten Lehensherren und Ritter zeigten allgemach wenig Lust, sich für die Bedrängnisse des im Deutschen Reiche wie in den Erbländern machtlosen Oberherren aufzuopfern. In Wien residierte der Ungarnkönig Matthias Corvinus, und der Kaiser mußte froh sein, im Hintergrunde der Alpen eine Zuflucht zu finden.

Sein kraftvoller Sohn Max, späterhin als Kaiser mit dem Beinamen "der letzte Ritter" ausgezeichnet, verfiel nun im Jahre 1485 auf den Gedanken, nach dem Vorbilde der Schweizer Söldner rüstiges Stadt- und Landvolk aus den österreichischen Erblanden anzuwerben. In dem Grafen Zollern und in Georg von Frundsberg fand er geschickte Organisatoren und Führer, die diese Landsknechte oder auch "deutschen Knechte" zu einer erprobten und gefürchteten Truppe ausgestalteten. Nach Bedarf geworben und wieder entlassen, dienten sie auf die Dauer des Vertrages treu dem jeweiligen Herrn, der sie just bezahlte. Daß sie bei den damals in Europa nicht zur Ruhe kommenden Streitigkeiten und Händeln sehr gesucht und begehrt waren, ist begreiflich. Dies war der Entwicklung der vom Vaterlandsbegriff absehenden und nur einer Person gewidmeten Treue ungemein förderlich. Sie entsprach am besten der Eigenheit der unter Kaiser Max und seinen beiden Enkeln Karl und Ferdinand durch Erheiratung der Niederlande, Spaniens mit seinen italienischen Nebenländern, Ungarns und Böhmens international gewordenen habsburgischen Hausmacht.

In der Schule der Landsknechte entwickelten sich jene Kriegersitten und Gebräuche, die bei dem der Truppe innewohnenden streng konservativen Sinne grundlegend bis in die Gegenwart nachwirkten. Sie fanden naturgemäß Eingang in die Truppenkörper, die der große Organisator Waldstein im Dreißigjährigen Kriege auf die Beine brachte und deren einige nach dem Westfälischen Frieden entgegen dem bisherigen Gebrauche ständig im Dienste behalten [5] wurden. Diese alten Verbände bildeten den Stamm der österreichischen Wehrmacht, in der somit die Tradition unmittelbar bis in das erste Drittel des 17. Jahrhunderts, mittelbar aber auf das Ende des 15. Jahrhunderts zurückreichte.

In dieser Zeitspanne von über 400 Jahren focht die österreichische Wehrmacht 67 Kriege aus, darunter manche von jahrzehntelanger Dauer, mit wechselndem Schlachtenglück, aber immer mit Ehren. Leicht waren die Aufgaben, die ihr zufielen, niemals zu lösen. Galt es doch gar oft, auf drei und selbst vier Kriegsschauplätzen den Feinden die Zähne zu weisen, ein schwieriges Beginnen, das beim Mißverhältnis der verfügbaren Kräfte zu den politischen Absichten der Herrscher die höchsten Anforderungen an Zähigkeit, Selbstaufopferung und Genügsamkeit stellte. Dazu trat die geringe Obsorge, die auf diese Wehrmacht im Frieden und im Kriege verwendet werden konnte.

Wer kennt nicht die schöne Legende von Habsburgs Mauern, den Ersatz des fehlenden Walles und Grabens um des Stammvaters Burg durch die opferwilligen Dienstmannen! So schön dieses Lied von der Treue klingt, weist es doch auf den bedenklichen Mangel an Kriegsvorbereitung hin, der für dieses Herrschergeschlecht eben wegen der vielen Kriege und der ständigen Geldnöte typisch blieb. Die Wehrmacht mußte die Versäumnisse mit ihrem Blute wettmachen und in gar manchen Krieg ohne Chancen eintreten.

Der Mangel an Obsorge erklärt sich überdies aus der eigentümlichen Stellung, welche die alten Habsburger ihrem Heere gegenüber einnahmen. Es darf nicht vergessen werden, daß sie in erster Linie deutsche Kaiser waren, denen die Soldaten ihrer Hausmacht nur eines der Werkzeuge ihrer Politik darstellten. Die eigene Begabung, die vielen Besonderheiten ihrer nicht zu einem einheitlichen Ganzen verschmolzenen, nach Bevölkerung und historischer Entwicklung grundverschiedenen Länder, die Schwierigkeiten der Regierung des namentlich nach dem Westfälischen Frieden in politisch höchst selbständige Bestandteile zerlegten deutschen Reiches drängten die Habsburger, ihr Betätigungsfeld fast ausschließlich auf politischem Gebiete zu suchen. Die Ausübung des Kriegshandwerkes schien sich ihnen immer weniger mit ihrer hohen Würde zu vertragen, wobei auch die Erkenntnis mitgespielt haben mag, daß es mißlich sei, das Risiko eines Heerführers mit dem Träger der Krone zu verbinden. Kriegführen wurde Sache ihrer Feldobersten und Generalfeldmarschälle, wie die Verwaltung der anderen Staatsdienste Ministern und Staatsräten zukam. Bezeichnend ist, daß nur einmal eine Ausnahme gemacht wurde und auch da nicht der Kaiser sondern der Thronfolger an die Spitze der Armee trat. Der Grund war allerdings schwerwiegend genug, um Kaiser Ferdinand II. mit den Gepflogenheiten seines Hauses brechen zu lassen: die Notwendigkeit, nach Waldsteins Ermordung dessen Heer an den Kaiser zu fesseln.

Erst dem letzten Herrscher aus dem rein-habsburgischen Stamme drängte die Wucht der Ereignisse die volle Erkenntnis für die hohe Bedeutung der Wehr- [6] macht auf. Dieser Erkenntnis gesellten sich Sinn und merkwürdiges Verständnis für vordenkende Kriegsvorbereitung im Frieden, für innerliche und äußerliche Hebung des Wehrstandes, richtiges Urteil über Verwendung und Führung im Kriege. Diesem Herrscher aber war es versagt, sich selbst an die Spitze der Soldaten zu stellen, denn es war eine Frau - die Kaiserin-Königin Maria Theresia.

Organisation des Heeres, Einheitlichkeit der Vorschriften, Heranbildung des Offiziersnachwuchses, Regelung der Heeresergänzung und der Invalidenversorgung wurden Gebiete, auf denen Maria Theresia Grundlegendes und bis zum Ende der Wehrmacht Nachwirkendes schuf.

Ihre Verbindung mit dem Geschlechte der Herzoge von Lothringen brachte ein ganz anderes Element in das österreichische Herrscherhaus. In unmittelbarer Anlehnung an französisches Wesen und französische Art herangewachsen, bildete ihr leichtflüssiges Blut, ihre Freude an Lebensgenuß den denkbar größten Gegensatz zu den ernsten, steifen und selbst im Vergnügen pedantischen Habsburgern. Wie die Lothringer sich nur widerstrebend und häufig dagegen rebellierend, in die starren Formen und Bräuche der spanischen Etikette, des alle Lebensäußerungen regelnden Zeremoniells fügten, huldigten sie auch hinsichtlich des Militärstandes ganz anderen Anschauungen. Als abhängige Regenten und Prinzen eines kleinen Landes waren sie seit langem darauf angewiesen gewesen, in großer Herren Dienst die Fortune des Soldaten zu suchen. Es war ihnen zur Selbstverständlichkeit geworden, sich dem Kriegshandwerk zu widmen, in dem sich bereits einige ihrer Vorfahren als bedeutende Heerführer ausgezeichnet hatten.

Fortab betonten die Herrscher durch Bevorzugung der militärischen Kleidung ihre Zugehörigkeit zum Wehrstande, dienten die Erzherzoge fast durchweg in der Wehrmacht. An deren Stellung als Aschenbrödel der Verwaltung änderte dies aber wenig, weil sich selbst jene Mitglieder der Familie, die durch Herz für die Soldaten und Blick für die militärischen Bedürfnisse, wie Kaiser Josef und die Erzherzoge Carl und Albrecht, besonders hervorleuchteten, gegenüber den staatlichen Schwierigkeiten, dem Vorwiegen des ungemein schwerfälligen Verwaltungsapparates nicht durchzusetzen vermochten.

Die Kompliziertheit des Staatswesens mit den tausenderlei Rücksichten auf Sonderrechte und Verschiedenheit der Verwaltung stellte sich der Heeresaufbringung und Erhaltung zu allen Zeiten hindernd in den Weg. Die geringsten Schwierigkeiten bereiteten stets die Erblande und die Länder der böhmischen Krone. Sie waren die ersten, die nicht nur Geld, sondern im Bedarfsfalle auch die Beistellung von Rekruten bewilligten. Dennoch bedeutete es auch hier einen langen Leidensweg, die Forderungen bei den vielen Landtagen durchzubringen und schließlich bei Städten, Herrschaften und Gemeinden die auf diese entfallenden Teile hereinzutreiben. Hier wurde dem Kaiser Joseph II. auch die Einführung der Konskription möglich, wovon sich nur Tirol ausschloß. [7] Ungarn, die Niederlande und die italienischen Besitzungen waren für diese vernünftigste Form der allgemeinen Wehrpflicht nicht zu haben. Sie blieben bei der Werbung, die in jedem dieser Länder unter anderen Einschränkungen stand.

Der Parlamentarismus, der anfänglich auf Vereinheitlichung und Vereinfachung abzielte, vermochte nicht alle Nationen unter einen Hut zu bringen, aber er fand sofort in der Militärverwaltung ein dankbares Feld zu Abstrichen und Ersparungen, zu denen die Finanzlage allerdings drängte. Bald darauf hielten Dualismus und allgemeine Wehrpflicht ihren Einzug. Nunmehr entschieden drei Körperschaften, Reichsrat diesseits, Reichstag jenseits der Leitha, sowie die aus beiden zusammentretenden Delegationen über die Existenzfragen der Wehrmacht, die nebst der Kriegsmarine in drei verschiedene Heere zerfiel: das k. k., später k. u. k. gemeinsame Heer, die k. k. (österreichische) Landwehr und die k. ung. Honved, ein sehr kompliziertes Heeressystem, das die ganze Monarchie in Ergänzungsbezirke des Heeres, überdies aber Österreich und Ungarn in eine Reihe mit den obigen keineswegs übereinfallender Ergänzungsbezirke der Landwehr und Honved teilte. Im Kriege traten dann noch zwei gesonderte Bestandteile, der k. k. und der k. ungarische Landsturm hinzu. Das aus der alten kaiserlichen Armee hervorgegangene gemeinsame Heer war am besten ausgebaut; doch litt sein Nahrungszufluß darunter, daß die Beistellung von Geld und Rekruten an die Bewilligung aller drei Vertretungskörper gebunden war. Je länger der neue Parlamentarismus bestand, der in bezug auf Widerhaarigkeit gegen Militärforderungen den Traditionen des alten treu blieb, desto öfter legte stürmische Opposition und Obstruktion einen oder den anderen gesetzgebenden Körper lahm. Landwehr und Honved waren in dieser Beziehung besser daran, da sie nur von einem Parlament abhingen und namentlich in Ungarn, das der Entwicklung des gemeinsamen Heeres die größten Hemmnisse bereitete, für den Ausbau der Nationalarmee eine günstigere Stimmung herrschte. Landwehr und Honved waren aber Neuschöpfungen, die sich aus ursprünglich dürftigsten Anfängen allmählich emporarbeiten mußten und den Landwehrcharakter insofern beibehielten, als sie im Kriegsfalle neben ihrem eigenen Präsenz- und Reservestande die ihr 11. und 12. Dienstpflichtjahr abdienenden Reservisten des gemeinsamen Heeres in sich aufnehmen mußten.

Neben den Geldmitteln für die Wehrmacht mußte alljährlich die Aushebung des Rekrutenkontingents von den Vertretungskörpern bewilligt werden, obzwar dessen Höhe für 10 Jahre festgelegt wurde. Dem Spiel der parlamentarischen Kräfte eröffneten sich somit mehrere Möglichkeiten, hemmend zu wirken. Ungarn trieb es tatsächlich so weit, daß der Rekrutenzufluß in politisch hochgehenden Zeiten ausblieb, die der Bevölkerungszunahme und den steigenden Rüstungen in den Nachbarstaaten entsprechende Erhöhung des jährlichen Rekrutenkontingents nicht zur gesetzlichen Frist erfolgte, sondern jahrelang nach- [8] hinkte und den Erfordernissen nie entsprach. Mit allerlei Aushilfen suchte die Wehrmacht dem Los des "Verdorrens" zu begegnen: Rückbehalten des ausgedienten Jahrganges unter den Fahnen, Heranziehen der Ersatzreservisten, Einteilung von Landstürmlern im Mobilisierungsfalle in die Formationen erster Linie, Abkommandieren von Leuten der Infanterie zur Artillerie und zu den technischen Truppen.

Bei Beschaffung der Geldmittel für Neuerungen in der Bewaffnung, Organisation, technische Ausrüstung und für die Reichsbefestigung fanden die Forderungen der Heeresleitung unübersteigliche Hindernisse, die sie gar nicht bis zu den verschlungenen Irrpfaden parlamentarischer Behandlung kommen ließen. Die drei Finanzminister, deren sich Österreich-Ungarns komplizierter staatlicher Apparat erfreute, hatten ohnedies Mühe genug, den Staatshaushalt annähernd im Gleichgewicht zu erhalten und erhoben ihr Veto gegen jede Mehrbelastung. Ihren Widerstand zu brechen, fehlte es in den leitenden Kreisen an der Überzeugung, daß die bis zur Selbstentäußerung friedliche und jedes außenpolitischen Zieles bare Monarchie jemals in einen großen Krieg eintreten werde.

Erschwerend wirkte, daß die Auslagen für die Kriegsmarine mit dem Fortschreiten der Schiffsbautechnik beständig wuchsen. Die ersten Versuche, in der Adria ein wenig Seegeltung zu erlangen, reichen bis auf den Vater Maria Theresias, Kaiser Karl VI., zurück. Die Eifersucht der Republik Venedig ließ jedoch diese schwachen Ansätze um so weniger zur Entfaltung gelangen, als dem überwiegend kontinentalen Empfinden des Großteiles der österreichischen Völker das Meer und was damit zusammenhängt, fern lag. Deshalb wurde auch die spätere Angliederung Venedigs keineswegs zum Ansporn, die bisherigen Versäumnisse nachzuholen. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts unter Kaiser Franz Joseph wurde der Flotte ein etwas höheres Interesse zugewendet. Die junge Marine bekränzte ihre Kriegsflagge mit dem Lorbeer von Helgoland und Lissa, doch löste sie damit keineswegs den zielbewußten Willen aus, sich mit ihr wenigstens die Herrschaft in der Adria zu sichern. Sie mußte das Schicksal der alten Landmacht teilen, die dürftigsten Lebensnotwendigkeiten einem mageren Staatssäckel abzuringen. Die kargen Beträge, welche die Finanzminister der Wehrmacht hie und da zubilligen mußten, wurden zum Zankapfel zwischen den Erfordernissen von Heer und Flotte; der jeweilige Erfolg des einen Teiles beeinträchtigte den anderen.

Das traditionelle Knausern und Sparen an den Geldmitteln für die Wehrmacht ging Hand in Hand mit einem kleinlichen und komplizierten Rechnungssystem, dessen Kontrolle viel Arbeit und einen unverhältnismäßig großen Apparat erforderte. Der Ursprung dieses Systems liegt in jener Zeit, in welche die Gebühren und die Beitragleistungen in den Ländern die größten Verschiedenheiten aufwiesen, je nachdem eine Truppe in den Erblanden, in Italien, in den Nieder - [9] landen oder in Ungarn, in den Städten oder auf dem platten Lande garnisonierte. Welche Probleme entwickelten sich bei Verlegung der Regimenter, der Durchführung von Rekrutentransporten, die monatelang unterwegs blieben, alle möglichen Länder durchzogen, meist auch das Deutsche Reich, wo wieder andere Gebührsnormen galten! Ohne Kontrolle ging es da nicht und sie entwickelte sich zur Wissenschaft, die auch unter den späteren einfacheren Verhältnissen ihren reichlichen Tribut an "Eingaben" und Rechnungsbehelfen forderte.

Der schlecht besoldete und im Alter ebenso schlecht versorgte Offizier, zur größten Bedürfnislosigkeit gezwungen, mußte der Kanzlei und den Feinheiten des Rechnungswesens fast mehr Zeit widmen als seinem eigentlichen Berufe, und fühlte stets das Damoklesschwert der "Ersatzvorschreibung" für ungebührlich ausgezahlte Bezüge über seinem Haupte schweben. Die Führer im Kriege, die wegen der Versäumnisse der Kriegsvorbereitung überragende Qualitäten besitzen sollten, um den Sieg an die Fahnen zu fesseln, wurden von den inneren Schwierigkeiten des Heerwesens gedrosselt und zu strengem Bedacht auf die besonderen Eigentümlichkeiten der nach dem Nationalcharakter so verschieden verwendbaren Mannschaft um so mehr gezwungen, je mehr die buntscheckige Werbung einem geregelten Ersatzwesen wich. Daher rührt die für einen so langen, von Kriegen erfüllten Zeitraum verhältnismäßig geringe Zahl wirklich großer Feldherrn und so manches Unglück, das diese vielgeprüfte Wehrmacht traf, ohne sie aber jemals zu beugen. Just nach trüben Tagen zeigte sie in der raschen Wiederaufrichtung zu neuem zähen Widerstand ihre bewundernswerte Größe, die selbst einem Napoleon nach den im Fluge errungenen Siegen bei Regensburg durch die Schlachten bei Aspern und Wagram den Gedanken an die gänzliche Zertrümmerung Österreichs - eine begreifliche Absicht des durch die Politik des Kaiserstaates nicht mit Unrecht aufs äußerste ergrimmten Löwen - gründlich austrieb.

Immer wieder war es der Geist der Offiziere, der die Wehrmacht durch alle Bedrängnisse und Nöten mit unbeflecktem Ehrenschilde hindurchführte. Diesen Geist strahlte der überwiegende Zufluß aus den Erblanden und der in früheren Zeiten so namhafte Zuzug aus dem Deutschen Reiche auf das bunte Gemisch aus, das sich unter Habsburgs Fahnen zusammenfand. Die Unteroffiziere, die den Offizieren als Gehilfen zur Seite standen, ergänzten sich gleichfalls zum großen Teile aus deutschen Elementen. Beim niederen Bildungsstande so mancher Volksstämme der Monarchie waren die sich dort ergänzenden Truppenkörper bei der Beschaffung ihres Unteroffizierskorps geradezu auf die ergiebige Quelle intelligenter Rekruten aus Deutschland, die sogenannte Reichswerbung, angewiesen. Ein schwerer Schlag traf die Wehrmacht durch das Hinausdrängen Österreichs aus dem Deutschen Bund. Der seit Niederlegung der deutschen Kaiserkrone durch Franz II. (I.) ohnedies immer spär- [10] licher gewordene Zulauf frischen Blutes, namentlich aus Mittel- und Süddeutschland, versiegte zur selben Zeit, als die führenden Kreise in den Erblanden, wie damals unter dem dritten Friedrich, sich vom Berufsdienste des Soldaten immer mehr zurückzogen und sich lieber der bequemeren und aussichtsreicheren Beamtenlaufbahn zuwandten.

Der unglückselige Dualismus mit dem Hineintragen eines einseitig nationalen Elementes in die Wehrmacht (des magyarischen) wurde etwa zur gleichen Stunde geboren. Das Nacheifern des siegreichen preußischen Vorbildes unter ganz anderen staatlichen Verhältnissen gebar Fehler auf Fehler. Dem Schlagworte folgend, daß der Schulmeister Königgrätz gewonnen habe, wurde der obligate Volksschulunterricht eingeführt, die Heranbildung der Lehrer und die Volksschule aber den Ländern überantwortet, so daß wilde Triebe an dieser übereilt in den unvorbereiteten Boden gesetzten Pflanze wuchern konnten, soviel sie mochten. Statt eines so notwendigen einigenden Bandes wurde sie zu einer Brutstätte nationaler Verhetzung und erzog in manchen Gegenden Feinde der gesamtstaatlichen Wehrmacht. Dieser Einfluß wog um so schwerer, als der Nachahmungstrieb zur selben Zeit der Monarchie die allgemeine Wehrpflicht bescherte, ein von weiten Volkskreisen keineswegs angenehm empfundener Zwang, der dem traditionellen Herkommen widersprach und aufreizende Ungerechtigkeiten in sich schloß, da die enge Beschränkung des jährlichen Rekrutenkontingents die Wehrpflicht in der Praxis eben nicht zu einer allgemeinen machte.

Hatte die neben der Konskription fortbestandene Werbung den Truppenkörpern eine einigermaßen nationale Mischung und einen Stamm von längerdienenden Soldaten gesichert, so beschränkte sich der Einschlag alten Söldnertums nunmehr auf die Berufsunteroffiziere, deren Zahl wegen der unzureichenden Bezahlung und Versorgung von Jahr zu Jahr sank, so daß schließlich auf jede Kompagnie, Schwadron und Batterie durchschnittlich kaum einer entfiel.

Der durch die allgemeine Wehrpflicht wesentlich beförderten und dem Wesen der alten Wehrmacht widersprechenden Nationalisierung der Regimenter setzte die im Anfange der achtziger Jahre des vorigen Jahrhunderts festgesetzte territoriale Garnisonierung die Krone auf. Um die Mobilmachung zu fördern, sollte nach preußischem Vorbild jeder Truppenkörper möglichst in seinem Ergänzungsbezirk oder doch in dessen Nähe garnisonieren. An Stelle des den Blick für die Gemeinsamkeit weitenden früheren Herumwanderns durch die ganze Monarchie trat das Haften an der heimatlichen Scholle, zu welcher auch die Offiziere hindrängten, die zumindest den nur allzu vielen schlechten Garnisonen auszuweichen trachteten, in welchen die ganze Lebenszeit zu verbringen, für lebhafte Geister unerträglich und für die, die es ertrugen, verderblich war. Dies erschütterte noch mehr den zersetzenden nationalen Ein- [11] flüssen ausgesetzten Regimentsgeist, untergrub jenes Gefühl der Zugehörigkeit zu einer Familie, an der man hängt und in der man gemeinsam durchlebte schlechte Tage in der Aussicht auf bessere leichter verwindet.

All diese Mißgriffe und Fehler zehrten an dem seit vier Jahrhunderten aufgespeicherten Kapital. Welch schier unversiegbaren Schatz die alte Armee ihr Eigen nannte, lehrte das große Todesringen ihrer jüngsten und letzten Daseinsform, der österreichisch-ungarischen gesamten bewaffneten Macht.

Wiederum krankte es an ihrer Kriegsvorbereitung. Allerdings hatten die vorhergehenden Krisenjahre, als die Verwicklungen auf dem Balkan der in der Monarchie vorherrschenden Friedenszuversicht denn doch einen Stoß versetzten, unter dem Druck der wiederholt aufsteigenden Kriegsgefahr zu mancherlei Aufwendungen für die Kriegsmacht Anlaß gegeben. Solch eiliges Flickwerk ist aber stets kostspielig und vermag einen steten, ruhigen Ausbau nicht zu ersetzen. Überdies waren so viele Versäumnisse gutzumachen, daß der große Vorsprung, den die übrigen Staaten in den vorangegangenen Jahrzehnten gewonnen hatten, nicht im entferntesten eingeholt werden konnte. Das Mißverhältnis verschlimmerte sich dadurch, daß die zielbewußt für die große Abrechnung rüstenden Nachbarn die Krisenzeit gleichfalls und weit kräftiger zu Verstärkungen und Verbesserungen jeder Art ausnützten.

Um in den großen Daseinskampf der Monarchie mit halbwegs achtunggebietender Streitkraft eintreten zu können, mußte alles, was im Frieden auch nur eine notdürftige Ausbildung durchgemacht hatte, sofort in die Front gestellt werden. Dadurch verdoppelte sich das Heer keineswegs wie anderswo durch Reservetruppen und Formationen zweiter Linie, sondern das Aufgebot aller Reservemänner und Ersatzreservisten bis in das Landsturmalter hinein war notwendig, um die geringen Friedensstände aufzufüllen und jedem Infanterieregiment für den ersten Ersatz ein Marschbataillon folgen zu lassen. Auch diese Bataillone, in Marschbrigaden zusammengefaßt, kamen in der Not des Augenblicks trotz der naturgemäß geringen Verwendungsfähigkeit sofort als Kampftruppen in die Front. Selbst der Landsturm ersten Aufgebots, dessen Organisation nur auf dem Papier bestand, mußte sich gleich anfangs als voll beanspruchte Kampftruppe verwenden lassen. Wie gering die Kriegsvorbereitung war, erhellt daraus, daß der Vorrat an feldgrauen Uniformen für den Landsturm nicht ausreichte, so daß dieser in den verpönten dunklen Farben ins Feld rücken mußte, begleitet von einer Artillerie, die im Zeitalter der weittragenden Schnellfeuergeschütze mit den alten Feldkanonen und ihrer Maximalschußweite von 4500 m paradierte.

Der Landsturm zweiten Aufgebots, von dem ein namhafter Teil als Landsturmetappen- und Landsturmterritorial-Brigaden sehr bald in den Strudel der Kampfereignisse hineingezogen werden sollte, mußte sich größtenteils mit [12] einer Armbinde zu seiner Zivilbekleidung begnügen und sich seiner Haut, so gut es eben ging, mit den seit mehr als 25 Jahren außer Kurs gesetzten Einzelladern alten Modells und mit Schwarzpulver wehren.

So brachte die Monarchie für den schicksalsschweren Kampf rund 1000 Bataillone Infanterie, darunter 117 Marsch- und über 200 Landsturmbataillone, 410 Schwadronen, 400 Kanonen-, Feldhaubitz- und Gebirgsbatterien, 30 reitende und 28 schwere Batterien als Feldarmee und Besatzungen auf beiden zunächst in Betracht kommenden Kriegsschauplätzen vor den Feind. Daraus wurden in 6 Armeen und 18 Korps 28 Heeres- (ID.), 9 österreichische Landwehr- (LID.), später Schützendivisionen [SchD.] genannt, 8 ungarische Honved-Infanteriedivisionen (HID.), 14 in 4 Infanteriedivisionen zusammengefaßte Gebirgsbrigaden (Gebbrig.), 9 Heeres- (KD.) und 2 Honved-Kavalleriedivisionen (HKD.), 2 Landsturm-Infanteriedivisionen (LsID.), 17 Landsturm-Infanteriebrigaden (LsIBrig.), 1 Landsturm-Husarenbrigade (LsHbrig.) und 16 Marschbrigaden formiert. Die Zusammensetzung dieser Heereskörper war auch innerhalb jeder Kategorie eine höchst ungleichmäßige, sowohl was die Zahl der Bataillone, Schwadronen und Batterien, als auch der zugeteilten technischen Truppen anbelangt.

Alle Heereskörper waren mit Artillerie, wie sich schon aus dem Verhältnis von 400 Batterien zu 1000 Bataillonen ergibt, unverhältnismäßig schwach dotiert. Die Infanteriedivisionen mit durchschnittlich 13 Bataillonen verfügten in der Regel nur über 42 Geschütze, standen daher gegen die gleichen Formationen der anderen Staaten beträchtlich zurück. Daß die altbewährte Artillerie auch an Geschützmaterial selbst dem kleinen Serbien unterlegen war, von Rußland und Italien nicht zu reden, darf bei der Rüstungsrückständigkeit nicht wundern. Die geringere Tragweite der Geschütze, rund 1000 m weniger als jene der Feinde, verurteilte die Kanoniere im Verein mit der in bescheidensten Grenzen gehaltenen Munitionsausrüstung von vornherein dazu, gegenüber Russen und Serben den kürzeren zu ziehen und in ihrer wichtigsten Aufgabe zu scheitern, der Infanterie den schweren Weg zum Siege zu erleichtern.

Eine Ausnahme machten die ursprünglich allerdings nur für den Angriff auf Befestigungen bestimmten selbstfahrenden 30,5 cm-Mörser, ein artilleristisches Wunder an Beweglichkeit und Wirkungsfähigkeit. Bezeichnend ist, daß der Kriegsminister, der diese Type ohne parlamentarische Bewilligung anschaffte, der bereits formulierten Anklage dadurch entging, daß eine Stunde vor der für ihn bedrohlichen Delegationssitzung die Nachricht vom Ausbruch des ersten Balkankrieges eintraf.

Die schweren Mörser fügten sich bald in den starker artilleristischer Nachhilfe erheischenden Feldkrieg ein, mit ihnen die Festungsartillerie, deren Bedeutung in dem Maße wuchs, als der Kampf in den Stellungen erstarrte. Ihre [13] Bewaffnung war noch rückständiger als jene der Feldartillerie und repräsentierte so ziemlich die ganze Entwicklung der Geschütztechnik der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts, in welcher sie stecken geblieben war.

Daß die Vorsorgen an Munition in allen kriegführenden Staaten dem ungeahnt großen Verbrauch monatelang fast ununterbrochener Kämpfe nicht entsprachen, ist bekannt. Immerhin war die österreichisch-ungarische Wehrmacht insofern sehr übel daran, als ihr Hauptfeind Rußland für jedes Geschützrohr durchschnittlich 2000 Schuß bereitgestellt hatte, die k. u. k. Heeresverwaltung aber nur 600.

Man war eben jeder Zuwendung, die einigermaßen in den Beutel griff, sorgfältig aus dem Wege gegangen. Wenn dies schon bei einer wichtigen Hauptwaffe geschah, um wieviel mehr mußte dies bei den technischen Truppen und allem sonstigen Zubehör der Kriegführung, für das eine Reihe von Erfindungen und Errungenschaften ein weites Feld der Betätigung eröffnete, der Fall sein. In den Krieg, den die Technik entscheiden sollte, trat die Wehrmacht kaum mit bescheidenen Keimen der wichtigsten technischen Vorsorgen. Sie hatte soviel nachzuholen, um nur die Ursprungsausrüstung der glücklicheren Nachbarn zu erreichen, daß sie trotz überraschender Entfaltung der Kriegsindustrie im Wettkampfe beträchtlich nachhinkte und sich überall, wo Verbündete und Feinde aus dem Vollen schöpften, mit Behelfen und Improvisationen fretten mußte. Ein Glück war es, daß jahrhundertelange Gewöhnung an Dürftigkeit der Mittel und natürliche Begabung des Österreichers für Aushilfen die karg bedachten Armeekörper diesem Elend nicht gänzlich hilflos gegenüberstehen ließ.

Was nützte es, daß im Frieden mit emsigem Fleiß innerhalb der Wehrmacht auf allen jenen Gebieten der Kriegsvorbereitung gearbeitet worden war, die augenblicklich wenig oder gar keine Kosten verursachten. In der Kriegsmäßigkeit der Übungen und Manöver ging man fast zur Übertreibung, beschränkte aber die scharfen Schießübungen auf ein Minimum und schwang sich nur selten zu einem Zusammenwirken von Infanterie und Artillerie auf, wobei, um die teuere Munition zu sparen, nach dem Einschießen auf das Ziel das Wirkungsschießen "supponiert" wurde. Diese viele Arbeit brachte nicht bloß Nutzen, sondern - indem sie das Drauflosgängertum, ohnedies eine Kinderkrankheit kriegsungewohnter, von gutem Geist beseelter Truppen, noch beförderte - auch Nachteile mit sich.

Vorbereitender Sinn lebte sich insbesondere auf dem Gebiet der Organisation der Trains aus, die im Frieden nur Papierarbeit bedingten und erst bei der Mobilisierung aufgestellt zu werden brauchten. Man geriet dabei wieder in das Fahrwasser Kaiser Josefs und seines Beraters Lacy, die vor den Kriegen gegen die französische Revolution die österreichische Armee mit der reichsten, aber auch die Beweglichkeit am meisten erschwerenden Troßorganisation beglückt hatten.

[14] Trotz allem war es eine prächtige und herrliche Streitmacht, von Kampfesmut und Begeisterung durchdrungen, die im August 1914 zum letzten Ringen hinauszog wie zum Hochzeitstanze. Die Dürftigkeit der technischen Mittel fiel in den ersten, vom raschen Bewegungskrieg erfüllten Monden nicht besonders auf. Den die Straßen und Wege auf hunderten Kilometern bedeckenden Trains - soeben erst aus dem Dämmerdasein der Depots, Magazine und Vorschriften zum Leben erwacht und jeglicher Praxis entbehrend - lief die Truppe einfach davon und verurteilte sich willig zu notdürftiger Stillung des Hungers mit allem, was sie eben fand. Die Schwächen der Artillerie aber wog sie auf mit - Blut.

Wieder war die Charakteristik Napoleons zutreffend geworden, daß Österreich stets mit einer Idee und einer Armee zu spät komme. Im Jahre 1909 schien die Situation lockend und günstig genug herauszufordern, die am Pulverfaß Europa glimmende Lunte Serbien auszutreten. Die Politik schreckte vor dem kräftigen Entschluß zurück, zu dem der damalige recht klägliche Stand der Kriegsvorbereitung allerdings nicht ermutigen mochte. Waren doch die Vorräte an Artilleriemunition in Erwartung neuer Geschütze auf Null gesunken. Fünf Jahre später griff die Politik, als ihr das serbische Hochwasser in den Mund zu rinnen drohte, den damals fallengelassenen Gedanken auf. Eine rasche Besetzung von Belgrad als Faustpfand sollte die schließlich wohl unvermeidlichen Konferenzen der Großmächte erfolgverheißend einleiten. Für den Handstreich war aber die oberste militärische Leitung, "Armeeoberkommando" (AOK.) genannt, nicht zu haben, die der Entwicklung der Dinge weniger optimistisch entgegenblickte und der methodischen Bereitstellung der Streitkräfte nicht entraten wollte. Später zwang sie indessen die Macht der Verhältnisse, ihren Grundsätzen untreu zu werden und im Norden wie im Süden loszuschlagen, bevor die volle Operationsbereitschaft erlangt war. Den Truppen wurde neben dem unvermeidlichen Lampenfieber auch noch eine in der unvermuteten Eile des Aufbruches begründete starke Dosis Nervosität aufgebürdet.

Rasch verglühte die schöne Armee in den kampfdurchtobten Tagen des Spätsommers und Herbstes 1914 zu ausgebrannten Schlacken und dann erst begann der schwere, zum Handwerk des Alltages herabsinkende Krieg...

Nun gesellten sich der verspäteten Idee nicht eine, sondern mehrere verspätete Armeen, die der bisher versäumten vollen Ausnutzung der Wehrkraft in Form von Ergänzungstransporten und Neuformationen, vornehmlich der Artillerie, entsprangen. Nach überhasteter, viel zu kurzer Ausbildung, die unter dem Mangel an Gewehren und Ausrüstungsgegenständen litt, wurden diese neuen Streiter von ausgesprochen milizartigem Charakter, deren rechtzeitiger Einsatz den Anfangskämpfen in Galizien und Serbien einen ganz anderen Abschluß hätte geben können, staffelweise in den gierigen Eisrachen der Karpathenschlacht geworfen und um so rascher verbraucht, als die Wirklichkeit [15] des Krieges wohl die beste Soldatenschule, doch der Lehrmeister Feind ein harter Gesell ist, der Versäumnisse in der grundlegenden Ausbildung mit Blut, Gesundheit und Leben straft.

Der Krieg ging weiter seinen Gang. Während im Nordosten Sieg auf Sieg die Russen weit in ihr Land zurückwarf, jedoch diesen aus einem ungeheueren Menschenreservoir schöpfenden Feind nicht auf die Knie zwingen konnte, begann im Südwesten, am Isonzo, in den Kärntner Grenzgebirgen und in Tirol eine neue Front am Mark der Wehrmacht zu zehren. Um den dringenden Forderungen nach Ersatz zu genügen, mußte immer tiefer in die männliche Bevölkerung gegriffen, das Maß der Wehrfähigkeit immer mehr herabgesetzt werden. Monat auf Monat gebar das Hinterland eine neue Welle Soldaten, die in den weitgedehnten Fronten fast spurlos verschwand.

Der altösterreichische Geist hatte die schwersten Proben zu bestehen. Die auf schwache Reste zusammengeschrumpften Träger der Tradition mußten diese in einer kaum zur Erwerbung der notwendigsten Kenntnisse und Geschicklichkeiten hinreichenden Zeit in die neuen und oft widerstrebenden Seelen pflanzen. Daß dies nicht immer gelang, ist begreiflich. Auch den Schwächen der verschiedenen Nationalcharaktere konnte in der kurzen Ausbildung nicht entgegengewirkt, die Entwicklung der jedem Stamme anhaftenden Vorzüge nicht entsprechend gefördert werden. Der Führung durfte es fortan noch weniger als je gleichgültig sein, ob dieser oder jener Truppenkörper in einem wichtigen Teile der Front stand, mit irgendeiner besonderen Aufgabe betraut wurde. Das Stützen der Front mit gleichmäßig verläßlichen, die Auswahl geeigneter Truppenkörper für wichtige Unternehmungen begann.

Das Unglück wollte, daß ein Soldatenmaterial, das bisher in allen Kriegen eine der Säulen der österreichischen Wehrmacht gewesen war, von gegensätzlichen politischen Ideen angekränkelt wurde. Die tschechischen Truppenkörper konnten nicht mehr als verläßlich bezeichnet werden.

Wenn man von den national-magyarischen Regimentern, deren Stärke übrigens mehr im Kampfe selbst, als in der verläßlichen Wacht im Schützengraben lag, und von den in den kriegerischen Grenzertraditionen aufgewachsenen Kroaten absieht, fiel die Aufgabe des Stützens vornehmlich jenem Teile des Heeres zu, aus dessen Heimat sich Kaiser Maximilians berühmte "deutsche Knechte" ergänzten: den Österreichern im engeren Sinne. Sie eilten weit über die bis zum fünfzigsten Lebensjahr hinaus erstreckte Landsturmpflicht, namentlich in den Alpenländern, zu den Waffen, um den heimatlichen Boden gegen den welschen Anfall zu schützen. Für die Rolle, die diesen Österreichern zufiel, waren sie bei weitem nicht zahlreich genug. Das ungünstige Verhältnis verschärfte sich durch den begreiflichen Umstand, daß sie mehr opferten und litten. Kein Wunder, daß bald da, bald dort die Stammesgenossen aus dem Deutschen Reiche einspringen mußten, um Mißerfolge wettzumachen, brüchig gewordene [16] Fronten zu stützen. Was der Wehrmacht seit der Wendung des politischen Geschickes an Zufluß aus den anderen deutschen Gauen zur Erhaltung ihrer besonderen Eigenart abging, mußte jetzt eben der Bundesbruder mit geschlossenen Abteilungen ersetzen. Dies wurde draußen im Reich nicht gewürdigt und gerade von jener Seite, die Österreich aus Deutschland hinausgedrängt hatte und wohl hinausdrängen mußte, um die erste Stufe der deutschen Einheit zu gewinnen, waren bei Gelegenheit solcher Hilfeleistungen die herbsten Urteile zu vernehmen.

Als man mit zunehmender Unverläßlichkeit sogar auf die Mischung der Nationen innerhalb der Truppenkörper verfiel, wurde der altösterreichische Geist derart gestreckt und verdünnt, daß es nicht hätte wundernehmen können, wenn er sich unter den würgenden Griffen des stetig wachsenden Gespenstes der Not und Entbehrung jeder Art verflüchtigt haben würde. Doch noch in den allerletzten Tagen dieser stolzen Schöpfung vierhundertjähriger Geschichte, der kein Geringerer als Schiller ein unvergängliches, in den lebendigsten Farben leuchtendes Denkmal in "Wallensteins Lager" geschaffen, flammte inmitten des "großen" italienischen Sieges bei Vittorio, inmitten des Zerbröckelns der Front durch den Abmarsch in die revoltierende Heimat drängender Truppenkörper, der Geist von Sommacampagna, Vicenza, Novara, San Martino und Custozza zum letzten Male in altem Glanze auf: Treue bis in den Tod auch auf verlorenem Posten, ans Herz greifende Tragik eines Don Quixote, die jene, in deren Lager allein noch Österreich war, Blut und Leben für ein Phantom opfern ließ - für ein Reich, das nicht mehr bestand.

Ein Heldenlied, in den Schlußgesängen noch einmal zu den mächtigsten Akkorden anschwellend, ging zu Ende. Es wird - mag sich auch heute nicht einmal die so arg mitgenommene Heimat der deutschen Knechte so recht dazu bekennen - doch den fernsten Geschlechtern entgegenklingen aus den untilgbaren Spuren in der Weltgeschichte.

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte