SucheScriptoriumBuchversandArchiv IndexSponsor


Bd. 1: Der deutsche Landkrieg, Erster Teil:
Vom Kriegsbeginn bis zum Frühjahr 1915


Bearbeitet von
Generalmajor Wilhelm v. Dommes, Major Karl Hosse, Oberst Gustav v. Bartenwerffer,
Oberstleutnant Paul Krall, Oberst Rudolf Frantz, Oberst Friedrich Immanuel
[v] Vorwort.

Der große Krieg, den das deutsche Volk um sein Daseinsrecht, um seine Stellung im Kreise der Völker führen mußte, hat im furchtbaren Zusammenbruch ein erschütterndes Ende gefunden. Kein Erfolg hat die ungeheuren Anstrengungen gekrönt, die es um seines Lebens willen opfermutig auf sich nahm. Und nur eine kurze Spanne Zeit, nur eine Zeit voll gärender Unruhe ist seither verstrichen. So mag es fraglich erscheinen, ob der Versuch einer Darstellung des gewaltigen Geschehens schon jetzt eine Berechtigung hat. Die Frage beantwortet sich durch die andere, ob das deutsche Volk trotz jenes furchtbaren Ausgangs auf sich und seine Taten stolz sein darf oder ob es sich ihrer schämen muß; ob es in Kenntnis des Verlaufs der Dinge verzweifeln muß oder aus dieser Kenntnis neue Hoffnungen, neuen Glauben, neue Zuversicht schöpfen darf.

Als die Idee, den Weltkrieg für das deutsche Volk zu schildern, zum erstenmal ausgesprochen wurde, konnte es allerdings mit vertrauensvollen Blicken in die Zukunft sehen; es durften andere, stolze Ziele Wegweiser für das geplante Werk sein. Damals - im Frühjahr 1915 - standen die Heere der Mittelmächte siegreich tief in Feindes Land; war auch der deutsche Ansturm im Westen zum Stillstand gekommen, so drangen siegreiche Armeen unwiderstehlich in die russischen Länder vor. Es schien unmöglich, an einem siegreichen Ende des Krieges zu zweifeln. In dieser Zeit voll großer Hoffnungen entwarf Herr Geheimrat Professor Dr. Schumacher - damals in Bonn - den ersten Plan eines groß angelegten Werkes über den Krieg, zu dem sich zu gemeinsamer Herausgabe die größten deutschen wissenschaftlichen Verlage als zu einem Monumentalwerk deutschen Heldentums zusammenschließen sollten. Herr Otto v. Halem (Chef des Verlages Veit u. Comp., Leipzig) nahm den Gedanken mit Wärme auf und schuf in kurzer Frist durch die Gewinnung einer großen Zahl hervorragender Verleger eine sichere Grundlage. Wenn persönliche Gründe die Urheber des Plans zu ihrem späteren Austritt veranlaßten, und der Umschwung der Dinge auch die Grundzüge des Werks völlig umgestaltete - die gesunde Kraft der Idee hat sich schließlich durch alle Wechselfälle des Krieges und das Schwanken der heimatlichen Verhältnisse hindurch lebensstark erwiesen und tritt, allerdings unter ganz anderen Grundlagen und anderen Zielen, jetzt in die Öffentlichkeit.

War die ursprüngliche Absicht, in der Schilderung der großen Taten dem deutschen Volke ein nationales Denkmal seines Krieges und der Kriegszeit und seines Sieges zu geben, so hat diese stolze Hoffnung nicht aufrechterhalten werden können. Alle Heldengröße, aller Opfermut der Frontkämpfer hat den entscheidenden Sieg auf dem Schlachtfelde nicht zu erringen vermocht, das arbeitsvolle und entbehrungsreiche Ausharren der Heimat nicht die Kraft zum Durch- [vi] halten gewinnen lassen. Seelische und körperliche Hungerblockade brachten das Volk schließlich zum Erliegen. Aber wenn es gegen die Übermacht der ganzen Welt zusammenbrach: ein größeres Heldentum, als das deutsche Volk in diesem ehrenvollen, vier Jahren dauernden Ringen vollbrachte, findet sich nicht in der Geschichte aller Zeiten. Deshalb darf und soll es stolz sein auf das, was es vollbrachte.

Was es vor dem Krieg erstrebte und was ihm die Gegner nicht zugestehen wollten - die durch seine Eigenschaften und Leistungen begründete Gleichberechtigung im Kreise der Völker - ist ihm für absehbare Zeit verloren. Mit dieser Aussicht aber zerbrach in vielen, und nicht den Schlechtesten, auch das Selbstvertrauen und die Zuversicht, daß es sich aus diesem Zusammenbruch einer stolzen Zukunft je wieder erheben könne. Diese Verzweiflung, aus den erschütternden Geschehnissen erklärlich und verständlich, hat keine innere Berechtigung. Nicht zum erstenmal ist dem stolzen Aufstieg gerade des deutschen Volkes - meist durch eigene Schuld - ein tiefer Sturz, dem Sturze aber auch stets wieder ein kraftvoller Aufstieg gefolgt. Die Hoffnung auf einen solchen abermaligen Aufstieg über die Zeit der Schmach und des Unglücks hinaus zur unerschütterlichen Zuversicht zu stärken, das ist das Ziel, das Verleger, Herausgeber und Mitarbeiter an Stelle des ursprünglichen gesetzt haben und nun zur Tat werden lassen.

Der schlimmste Tiefstand des aus dem Zusammenbruch erwachsenen Elends, Stumpfsinns und der Hoffnungslosigkeit scheint heute überwunden, nachdem der Begriff und die Bewertung von Ruhe, Ordnung, Gesetz und Arbeit wieder Geltung gewannen. Aus ihnen heraus erwuchs das heute noch schwache, aber deutlich erkennbare Streben, den deutschen Gedanken wieder Kraft gewinnen zu lassen und aus ihm den neuen Aufstieg vorzubereiten. Alle Bestrebungen, die diesem Ziele dienen sollen, können sich nur gründen auf die Kenntnis des Gewaltiggroßen, was das Volk in diesen furchtbaren Kriegsjahren auf sich nahm und überwinden konnte. Unübersehbar und unfaßbar ist, was es vollbrachte - und gerade darum auch heute noch nicht begriffen vom größten Teil des Volkes. Eingeengt in die begrenzten Schranken der täglichen Arbeit und Pflicht, hat es sich zum vollen Bewußtsein seiner eigenen Größe bisher nicht durchringen können.

Gewiß: schwer und groß sind die Fehler, die von Deutschen vor und in der Kriegszeit gemacht wurden. In diesen Fehlern, in der Eigenart der deutschen Psyche liegt zum großen Teil die Ursache, daß der Weltkrieg den furchtbaren Abschluß fand. Unendlich viel größer aber als seine Schuld ist das, was das Volk an Heldentum an der Front und in der Heimat erfüllte. Dieses Heldentum in seiner erschütternden Größe in schlichten, allgemeinverständlichen Worten und in knapper Form aufzuzeigen und aus ihm heraus die feste Zuversicht lebendig werden zu lassen, daß es erneut auf eine starke Zukunft vertrauen dürfe - das ist unser heißer Wunsch.

[vii] Ist dem eigenen Volke die Größe seines Handelns und Duldens noch nicht zum Bewußtsein gekommen, so trifft das erst recht zu bei den Neutralen und vor allem bei den Feinden, obschon diese in klarem Bewußtsein ihrer erdrückenden Übermacht die kraftvollen Schläge der deutschen Abwehr um so empfindlicher haben fühlen müssen. Auch bei ihnen wird sicherlich das Werk eine andere Bewertung des deutschen Volkes herbeiführen: kein Mitleid fordert es, aber eine gerechte Beurteilung seiner ungeheuren Leistungen.

Diese gerechte Bewertung muß das deutsche Volk um so schärfer von seinen Feinden fordern, weil der von ihnen gewollte Krieg vor allem gegen Deutschland gerichtet war. Wohl haben Österreich-Ungarn, die Türkei und Bulgarien mit ihm Seite an Seite das furchtbare Ringen durchkämpft und durchlitten und sind in sein Schicksal hineingezogen worden. Aber gegen sie richtete sich der Haß und der Krieg nur, weil sie Deutschlands Bundesgenossen geworden sind.

Und wenn auch Österreich-Ungarns Kränkung durch den serbischen Meuchelmord und seine Forderung nach Genugtuung den letzten Anstoß zum Ausbruch des Krieges gaben, so war das ein Zufall, den auch eine andere, von einem Mitglied der Entente geförderten Tat hätte auslösen können. Der große Krieg zur Vernichtung Deutschlands war längst geplant und beschlossen; seine Existenz, seine Lebensenergie und Schaffenskraft, seine Arbeit und seine Erfolge: das waren Ursachen genug, um die früher intimsten Feinde vorübergehend zu einem - in diesem Ziel der Vernichtung - gemeinsamen Handeln zusammenzuführen. Der Ausklang des Krieges in der brutalen Vergewaltigung Deutschlands, die Absprengung aller slawischen Gebiete von den deutschen Provinzen Österreichs, die auch nach Friedensschluß zielbewußt weiter erstrebte Vernichtung jeder Lebensmöglichkeit kennzeichnen klarer und eindringlicher als alles andere: es war ein Krieg aller gegen Deutschland - es war Deutschlands Abwehrkrieg.

Das Kriegswerk fußt auf den bis heute zugänglichen Quellen (eigenen und fremden) und Mitteilungen und Auskünften der beteiligten Führer; so verspricht es, soweit das heute möglich ist, eine wahrheitsgetreue Schilderung des Krieges. Aber nicht nur der eigentlichen Kampfhandlungen, sondern auch jener an Größe bisher nie erreichten Organisationen, die ihm den Riesenkampf ermöglichten. Was in dieser Gestalt das deutsche Volk für sich und seine Bundesgenossen vollbrachte, ist der Welt noch viel weniger bekannt geworden als die Kampfhandlungen. Und doch bilden auch sie ein Höchstmaß an Leistungen, das - besonders bei dem Abschneiden aller seiner Hilfsquellen - noch niemals von einem Volke in der Welt erreicht worden ist. Den Männern und Frauen, die als Führer, Organisatoren und Arbeiter still und unermüdlich geschafft haben, gebührt der gleiche Ruhm wie den Helden an der Front.

Der äußere Rahmen für das kriegerische Geschehen und die Verhältnisse, unter denen es sich zwangsläufig entwickelte, kann nur in einer Darstellung der [viii] äußeren politischen Verhältnisse gefunden werden; sie hängen untrennbar mit dem Kampfe zusammen und ergänzen sich in ihren Ursachen und Wirkungen.

Eine Bestätigung der Richtigkeit ihrer in dem Kriegswerk geplanten Absichten fanden Verleger und Herausgeber in der großen Zustimmung, die ihre Idee bei allen fand, an die sie sich mit der Bitte um Mitarbeit, um Hilfe und Unterstützung wandten. Der großen Zahl der Mitarbeiter, die sich willig in den Dienst des Werkes stellten, den Behörden, vor allem dem Reichs- und dem Marinearchiv, welche die Einsicht in die Akten und deren Benutzung gestatteten und bereitwillig Auskunft gaben, und endlich den vielen, während des Krieges in besonderer Stelle stehenden Persönlichkeiten, welche den Mitarbeitern und dem Herausgeber ihre Kenntnis der Dinge zur Verfügung stellten, sei an dieser Stelle wärmster Dank ausgesprochen.

Möge das Kriegswerk seinen Zweck erfüllen! Möge es zerstreuen helfen die trüben Nebel, die das Volk seit dem Zusammenbruch von Licht und Sonne fernhalten; möge es aus dem Stolz auf die gewaltigen Leistungen der nahen Vergangenheit lebendig werden lassen die feste Zuversicht auf einen nahen, glänzenden Aufstieg.

M. Schwarte      

[ix - xiv] [Anm. d. Scriptorium: im Original findet sich auf den hier folgenden Seiten die Inhaltsübersicht für Bd. 1, welche wir in diesem unserem Online-Nachdruck hier wiedergegeben haben.]

Der Weltkampf um Ehre und Recht.
Die Erforschung des Krieges in seiner wahren Begebenheit,
auf amtlichen Urkunden und Akten beruhend.
Hg. von Exzellenz Generalleutnant Max Schwarte